Ausstellungsbesprechungen

Zeitlos schön. Modefotografie von Man Ray bis Mario Testino, Museum Bellerive, Zürich, bis 19. Oktober 2014

Wie kein anderes Genre hält die Modefotografie nicht nur den Zeitgeist der jeweiligen Dekaden, individuelle Sehnsüchte und gesellschaftliche Träume fest, sondern beeinflusst, regt an und fordert zur Partizipation und Nachahmung auf. Die Essenz aus – de facto – knapp 100 Jahren Vogue gibt es nun in Zürich zu bestaunen. Rowena Fuß war vor Ort.

Sie ist laut Guardian die »geheime Bürgermeisterin New Yorks«, Herrscherin über Kleider, Accessoires, Trends und Karrieren: Anna Wintour. Dass die Chefredakteurin der amerikanischen Vogue es zu dieser Spitzenposition bringen konnte, ist der Verquickung von Mode und Kunst, Starlets und menschlichen Begierden geschuldet, die in der Modefotografie stattfindet. Deren soziologische Dimension und Wirkungskraft erkannte Condé Nast (1873-1942) schon früh. Der legendäre Verleger und Gründer des gleichnamigen Medienimperiums, zu dessen Flaggschiffen neben der Vogue auch die Vanity Fair und GQ gehören, engagierte schon früh berühmte Fotografen für seine Magazine.

Aus den Verlagsarchiven in New York, Paris, London und Mailand haben die Kuratorinnen Nathalie Herschdorfer und Jacqueline Greenspan 150 Originalabzüge und Magazinseiten für die Schau ausgewählt. Sie stammen von so bekannten Fotografen wie Cecil Beaton, Helmut Newton, Horst P. Horst, Guy Bourdin, Peter Lindbergh oder Mario Testino und gewähren einen Blick auf die Modefotografie von den 20ern bis heute.

Eine wahre Explosion an Farben erwartet den Besucher, der sich aus dem schweren schwarzen Vorhang am Museumseingang geschält hat. In den Aufnahmen von Inez & Vinoodh oder Ben Watts schillern uns nämlich eine neongrüne Sporthose oder ein dunkelblauer Jeansbody vor einem weißen oder hellgrauen Hintergrund entgegen. Die schon an sich irisierende Farbigkeit der Outfits wird durch eine an sie gekoppelte Bewegung noch verstärkt. So wühlt ein ziemlich starker Wind die Mähne des Jeansmädchens auf, was aber seltsamerweise keinen Einfluss auf einen Basketball hat, der hinter ihr in einem Aquarium schwebt. Der sprichwörtliche Sturm im Wasserglas ist ein festgefrorener Augenblick. Gleiches gilt für einen Mann in einem leuchtend roten Anzug, der einen Ball kickt – bloß, dass dieser nicht da ist. Es geht um die reine Bewegung, die Suggestion, dass sie stattgefunden hat. Darin mag man auch den Reiz der Fotografien sehen: Die inszenierte Lebendigkeit und zeitlose Schönheit existieren in Wahrheit nicht. Sie sind bloß vorgegaukelt. Diese Ambivalenz ist es auch, die bei der Betrachtung ein leichtes Unbehagen auslöst.

Das zentrale Video im Raum nimmt diesen Faden auf und erzählt von beklemmenden Momenten sowie dem Reiz des Geheimnisvollen. Metamorphosengleich gehen verschiedene Sequenzen ineinander über: eine Blondine inmitten eines Meers aus Schaufensterpuppen; ins Überlange verzerrte Münder und Hälse; der Blick aus den Fenstern eines Herrenhauses in einen dämmrigen Park; sich im Wind wiegende Blumen auf einem Feld; tote Fische, die zum Trocknen auf einem Holzgestell am Waldrand hängen oder Köpfe und Körper während eines nächtlichen Shootings, die aus einer weichgezeichneten Schwärze hervorstoßen. Das Ende bildet ein Mensch, der in vier Segmente unterteilt die Veränderungen der Jahreszeiten, Geschlechter und Bekleidungen scheibchenweise durchläuft.

Diese schon surreal zu nennende Tendenz des Videos setzt sich in den Exponaten des linken Nebenraums fort. Hier ist manchmal nicht klar, wo bei einem Kleid vorn und hinten ist, da sprießen Äste aus einem Haardutt und es verschwindet eine Frau im Spiegelkabinett eines Jahrmarktes. Zwei daneben hängende Inkjet Prints, die Raymond Meier für die britische Vogue 1994 schoss, zeigen schließlich nur noch zwei knallbunte Hosen – das Model ist vollends perdu.

Wie wenig Mode ohne Menschen funktioniert, kann man zwei weiteren Videos im Obergeschoss entnehmen. Der Dokumentarfilm »The September Issue« erlaubt einen Blick hinter die Kulissen und zeigt wie eine Ausgabe der Vogue entsteht. Warum er ausgerechnet in einem Badezimmer vorgeführt wird, weiß jedoch der Fuchs. Ein Zweites nebenan widmet sich den zentralen Fashion-Shootings. Im Film entdeckt man nicht nur die seltsamsten Ecken New Yorks, sondern auch eine entspannt herumalbernde Naomi Campbell. – Allein dafür lohnt sich der Besuch!

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