Buchrezensionen

Zuffi, Stefano: Katzen in der Kunst, DuMont Literatur und Kunst Verlag, Schauberg / Köln 2007

Es ist sicherlich ein Merkmal von Kitsch, dass er den schönen Gegenstand mit der schönen Kunst verwechselt. Ein noch so herrlicher Sonnenuntergang am palmbesäumten Meeresstrand macht noch kein herrliches Ölgemälde.

Dem Verfasser dieser Zeilen, der seit Jahren mit mehreren Katzen zusammenleben darf, geht es vielleicht mit diesem Buch so. Es genügt schon, um ins Entzücken zu geraten, dass Seite für Seite Katzen zu sehen sind: diese erhabenen Vorbilder im Faulenzen, diese gefährlichen Wildtiere auf samtenen Pfoten mit dem sicheren Blick für das weicheste Sofakissen, diese eleganten, lautlosen Schweiger, Sinnbilder beharrlichen Eigensinns mit der mystischen Aura von Unnahbarkeit, sich jeder Fremdbestimmung verweigernd.

Stefano Zuffi, mailändischer Kunsthistoriker und offensichtlich so etwas wie ein angehender Spezialist für wirkungsvolle und umsatzträchtige Bildbände, hat eine Kunstgeschichte an einem (nicht irgendeinem) Motiv entlang geschrieben: »Katzen in der Kunst« ist der so schlichte wie aussagekräftige Titel. Es ist ein sehr schön gestalteter Band gelungen. Ein gut in der Hand liegendes Format, zahlreiche und ausschließlich farbliche Abbildungen in mustergültiger Reproduktion, ein klarer angenehmer Schriftsatz. Zugegeben, der Inhalt krempelt den Stand der Forschung nicht um, die Kunstgeschichte muss nicht eben neu geschrieben werden, aber es erweckt doch Erstaunen, wie ungeahnt dankbar das Thema ist und wie reichhaltig die Zeugnisse dafür, dass sich Maler und Bildhauer aller Zeiten dieses Nebenthemas angenommen haben.

Das Buch legt den Schwerpunkt auf den ikonographischen Aspekt und ist kulturgeschichtlich aufgebaut; anderes fällt eher unter den Tisch, dorthin, wo viele Katzen auf den Bildern in Deckung gegangen sind. Will sagen: Sie spielen beileibe keine Hauptrolle, an ihnen lässt sich aber doch der Geist der Zeiten bestens spiegeln.

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Der Anfang der Hauskatze (felis catus) liegt im Dunkeln, ist aber doch zugleich klar durch einen ersten Höhepunkt im alten Ägypten markiert. Es muss nämlich in den ersten frühen Hochkulturen des Vorderen Orients gewesen sein, dass die Katzen sich dem Menschen angeschlossen haben. Denn hier, in den Flussoasen mit ihren regelmäßigen Überschwemmungen, waren erstmals in der Geschichte der Menschheit die Ernten so groß, dass die Vorratswirtschaft das Nomadisieren ablösen konnte. Vorratswirtschaft und die Kornkammern am Nil, auf die etwa auch die neidischen Brüder Josefs zurückgreifen mussten, das bedeutet aber auch Quälgeister, die vom gehorteten Überfluss mitfressen wollen. Diese waren wiederum eine reiche Beute für die Urkatzen, jene wilden Wüstenbewohner, die die Nähe menschlicher Scheunen dem wechselnden Glück mühseliger Jagden vorzogen. Die jahrtausendealte Freundschaft zwischen Mensch und Katze gründet sich also auf ihrer gemeinsamen Feindschaft gegen Ratten und Mäuse.

In Ägypten wurde die Katze nicht nur verehrt, sie avancierte zur angebeteten Bastet. Wie sehr die Göttin der Fruchtbarkeit, der Schwangeren und Wöchnerinnen geschätzt wurde, darauf deuten unzählige mumifizierte Katzen aus der Spätphase der pharaonischen Zeit hin. Es blieb bei der Wertschätzung der Katze in der arabischen Welt, wogegen bis zum heutigen Tag das Wort für Hund (»kalp«) als eines der schlimmsten Schimpfworte gilt.

Von den Ägyptern übernahmen die Griechen und Römer die nubische Falbkatze. Das in mancher Beziehung doch etwas unterbelichtete, ja dunkle Mittelalter brachte den armen Hauspuma dann ins Zwielicht. Zunächst darf er noch neben allerlei anderem realen und irrealen Getier den Randspalten schöner Handschriften, in den kleinen Szenen der Misericordien etlicher Chorgestühle seine »marginalen« Tollereien zeigen, aber im Grunde gilt er bald als Bote aller bösen Geister, als des Teufels liebstes Tier und der Hexen Abgott. Es kommt soweit, dass der große Förderer der Armutsbewegungen und nicht minder große Häretikerverfolger, Papst Gregor IX., mit einer Bulle den Katzen den heiligen Krieg erklärte. Grausig waren die Auswüchse solcher Dämonisierung: So wurde als Höhepunkt des Katzenfests alle Jahre wieder im Mai lebende Katzen vom Belfried der flandrischen Stadt Ypern zu Tode geworfen, auf dass die bösen Geister vertrieben würden. Wegen einer plumpen volksetymologischen Wortverdrehung (Katharer wie Ketzer wie Kätzer) kam ausgerechnet die Glaubensbewegung der »Reinen« in den üblen Geruch, sie hätten den Initiationsritus, das Hinterteil einer schwarzen Katze zu küssen. Und anders als der Hund, welcher als Symbol der Treue auf Epitaphien zu Füßen unzähliger Verstorbener anzutreffen ist, wird die Katze ein Symbol der Falschheit und des Verrats. Deshalb finden wir sie auch auf Abendmahlsdarstellungen unter dem Schemel des Judas Ischariot. Und noch in Goyas berühmten Frontispiz zu seinen Los Caprichos von 1797 gebiert der Traum (oder passt nicht doch besser: der Schlaf) der Vernunft gleich mehrere Ungeheuer mit Katzengesichtern.

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Erst mit dem Humanismus wird der diabolische Generalverdacht erschüttert. Da eine Katze als ruhebedürftiger Begleiter sehr gut zu den ebenfalls eher nachtaktiven Gelehrten und Einsiedlern passt, tragen insbesondere die Humanisten Entscheidendes zu ihrer Entdämonisierung bei. So lässt sich etwa der Heilige Hieronymus im Gehäus ganz gern mit ihr sehen, Albrecht Dürer fand offensichtlich Gefallen an ihr, ganz besonders aber Leonardo der Vinci, von dem der Ausspruch überliefert ist: »Die kleinste Katze ist ein Meisterwerk« - ein Lob, das ihm angesichts seiner eigenen Meisterwerke keineswegs so schnell über die Lippen kam. Zahlreiche Zeichnungen, die heute im Besitz des englischen Königshauses sind, zeugen von seiner besonderen Verehrung.

Im Zuge der Gegenreformation wandelte sich der Hexenbegleiter zum Indikator für häuslichen Frieden und ein behagliches Heim. Immer wieder finden wir Katzen auf Verkündigungsbildern.

Zu sehr auf die motivgeschichtlichen Verschiebungen und knappe Hinweise bedacht reflektiert Stefano Zuffi leider kaum, welche Funktion im Kompositorischen oder in der Rezeptionswirkung der gemalten Katze zukommt. So wie eine Repoussoir-Figur den Sinn hat, einen Bildausschnitt zu rahmen und damit die Tiefenwirkung des eigentlichen Geschehens im Mittelpunkt um so stärker zu betonen, so sollen Katzen Unruhe in das statische Spiel bringen

Besonders deutlich wird diese dynamisierende Funktion in zahlreichen Stillleben. So ist es geradezu ein Markenzeichen der holländischen Blumenstillleben im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts (was Zuffi entgangen ist), dass das allzu Statuarische ins Transistorische überführt wird, indem beispielsweise bei Abraham Mignon eine Katze eine große Blumenvase ins Wanken bringt (so in seinem Hauptwerk »Blumenvase mit Katze« im Amsterdamer Rijksmuseum). Regelmäßig finden wir deshalb in den Küchenstücken von Frans Snyders eine Katze, die unter dem Fischhändlertisch klammheimlich etwas zu stibitzen versucht. Oder es wird die trügerische Tristess einer holländischen Genreszene dadurch aufgelockert, dass eine Katze sich unbeobachtet wähnt und dem Vogel im Vogelbauer nachstellt.

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Machte Sigmund Freud darauf aufmerksam, dass der Witz sich einer gewissen Inkongruenz unterschiedlicher Ebenen verdankt, so kann man dieses Konzept auch benutzen, um die Nebenrolle zu erklären, die manche Katze auf Kunstwerken auszufüllen hat: sie sorgen gezielt für die Zerstreuung gelangweilter Betrachter, sie fordern zum Abschweifen auf, verführen die Augen zu einer Entdeckungstour im peripheren Bildraum. Dort konfrontieren sie das Erhabene mit dem Trivialen und eröffnen eine unscheinbare, aber umso befreiendere Nebenhandlung. Dies geschieht in unterschiedlichster Weise: indem Katzen in einen Händel mit einem Hund verwickelt, Fußtritten ausweichen müssen, sie gerade etwas aufzufangen versuchen, das vom Tisch fällt, oder indem sie mit dem Wollknäuel der Großmutter spielen oder, noch unbemerkt von aller Welt, sonstigen Unfug anstellen.

Eine andere Funktion ist wahrnehmungspsychologisch nicht minder interessant: Die Katze, die doch immer nur wie unbeabsichtigt mit auf das Bild durfte, hält etwa den Kontakt zur Betrachterwelt, macht ihn zum Komplizen einer voyeuristischen Zeugenschaft (während das junge Mädchen bei Boucher sich etwa gerade äußerst lasziv das Strumpfband bindet).

Völlig zu Recht betont Stefano Zuffi, wie viele Portraits der letzten Jahrhunderte der Katzen bedurften, um die Dargestellten zu charakterisieren. Das ist besonders bei den englischen Kinderbildnissen des 18. Jahrhunderts zu beobachten. In der Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts macht die Katzendarstellung so den Hang zur Psychologisierung mit. Insbesondere Frauen werden in begleitenden Katzen sozusagen verdoppelt: Wie die Katze steht das Wesen der Frau für eine im Prozess der Zivilisation verlorene Seite und zu einer Projektionsfläche des Anderen.

Der Frau wird alles Katzenhafte angedichtet: eine verschmuste Gegenwelt bürgerlicher Privatsphäre, undurchschaubare Verführerin, die rätselhafte Sphinx, welche jederzeit die Krallen ausfahren kann, die femme fatale. Schon in Èdouart Manets Olympia von 1863 wird die schwarze Katze so zu einem utopischen, zivilisationskritischen Moment, verkörpert sie doch in alter Weise nicht nur das Dämonische des wild gebliebenen Naturwesens, sondern auch eine amoralische Unangepassheit.

Insgesamt ist dies ein interessantes, in seiner Gestaltung sehr ansprechendes und günstiges Buch, auch wenn man nicht verschweigen darf, dass der Text sich auf eher grobe Hinweise beschränkt und man trotzdem mancher Erkenntnis gleich dreimal begegnet: im Vorwort, im Bildkommentar und noch einmal am Schluss.

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