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Zwischen "Glücksgefühl" und "wütender Depression". Käthe Kollwitz und ihr Ringen um die Plastik

Bis heute ist Käthe Kollwitz dem breiten Publikum vor allem als Graphikerin bekannt. Obwohl mit der Vergrößerung der Pietà in der Neuen Wache, Berlin und den Trauernden Eltern in der Kölner Kirchenruine Alt St. Alban beide Bundesgedenkstätten Deutschlands mit Skulpturen der Künstlerin an die Kriegsopfer gemahnen, wird ihrem plastischen Schaffen immer noch wenig Beachtung geschenkt. Aus Anlass der 50. Wiederkehr der Einweihung des Kölner Mahnmals rückt das Käthe Kollwitz Museum die Plastiken der Künstlerin in den Fokus der Betrachtung.

Käthe Kollwitz, geb. Schmidt, wuchs in einem sozialliberalen Elternhaus auf. Sie  war einfach und direkt, hasste alles Verschnörkelte und stand selbst Kultur und Bildung, die sie in hohem Maße genossen hatte, skeptisch gegenüber. All diese Eigenschaften zeigten sich auch in ihrem schlichten Äußeren.
1904 reiste sie nach Paris, um sich an der Académie Julian Grundlagen der Plastik anzueignen. Sie besuchte Auguste Rodin, suchte das Erfassen des Wesentlichen und die in sich ruhende Form. 1917 zu seinem Tod sagte sie in einem Nachruf in den Sozialistischen Monatsheften: „Damals gab es für mich in der ganzen neuzeitlichen Plastik einzig Rodin“. Das „Zwingende, Überzeugende, leidenschaftlich Hinreißende seiner Schöpfung“ lag für sie dabei im Formalen, „in seinem Vermögen, dem seelischen Gehalt die plastisch überzeugende, nur diesem Gehalt zugehörende Form zu finden.“
Sein Einfluss macht sich besonders bemerkbar in der nur als Photographie überlieferten Kleinen Liebesgruppe in Gips (1911). Inhaltlich näher stand sie in ihrem Werk hingegen dem Belgier Constantin Meunier, der mit seinen großformatigen, freistehenden Figuren häufig Arbeiter portraitierte. Auf ihrer Rückreise von Paris hatte sie auch bei ihm in Brüssel einen Besuch geplant, sein Tod verhinderte dies jedoch.
Eine Reise nach Italien 1907, anlässlich der Verleihung des Villa-Romana-Preises zeigte in späten Werken eine starke Affinität zu Michelangelo, sowohl in Zeichnungen über Tod und Erlösung, als auch in ihren Skulpturen.

Ab1910 beschäftigte sich Käthe Kollwitz intensiv mit der Bildhauerei. Bevorzugte Themen waren Mutter- Kind-Darstellungen, die sie in blockhafter geschlossener Form darstellte. 1914 bei Kriegsausbruch meldete sich ihr zweiter Sohn Peter freiwillig und fiel im gleichen Jahr in Flandern. Dies war "der" Einschnitt in ihrem Leben. Noch 1914 fasste sie den Entschluss, ein Denkmal für den gefallenen Sohn zu errichten. In achtzehnjähriger Arbeit – mal „unter Tränen“, mal beflügelt von „Glücksgefühl“ – suchte sie in verschiedenen Entwürfen nach einer angemessenen Form, um ihrer tiefen Trauer um den Sohn Ausdruck zu verleihen. Aus dieser inneren Notwendigkeit heraus entstand ein Mahnmal gegen den Krieg, das in Gestalt der Trauernden Eltern, aufgestellt auf dem Soldatenfriedhof in Flandern, wo Peter begraben liegt, stellvertretend aller im Krieg gefallenen Söhne gedenkt. Trotzdem blieb es ein privates Monument - ihre Art, sich mit den Dingen auseinander zu setzen.

Käthe Kollwitz wollte nicht um des Erfolges willen wirken, sondern aus dem inneren Drang heraus, in ihre Zeit einzugreifen. Der Mensch stand im Mittelpunkt ihres Schaffens. Dessen Loslösung „von allem Umher, die Zurückführung der vielerlei Beziehungen auf die ganz primären menschlichen Gefühle, diese ins Zentrum gesetzt, das alles drängt zur Plastik“(Lisbeth Stern, 1917 in Bildende Kunst). Ihre Kompositionen beschränkten sich auf das Wesentliche. Die Werke wurden mit den Jahren wichtiger, die eingesetzten Mittel sparsamer. Trotzdem zeigten ihre Werke Hass, Verzweiflung, Entschlossenheit und Solidarität. Sie war zu ihrer Zeit unzeitgemäß, da sich in ihrer Arbeit im Gegensatz zur damaligen Avantgarde keine Verzerrung, Verfremdung oder Aufsprengung der Formen fand. Durch ihr Mitfühlen und ihr Identifizieren mit dem dargestellten Thema fehlte ihr oft die nötige Distanz, aber gerade dies prägt ihr auffallend autobiografisches Werk auch heute noch im positiven Sinne.
 

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