Ausstellungsbesprechungen

Zwischen Ausstieg und Aktion. Die Erfurter Subkultur der 1960er, 1970er und 1980er Jahre, Kunsthalle Erfurt, bis 2. Februar 2014

Die Ausstellung thematisiert die Formen und Möglichkeiten künstlerischer Subkultur in der DDR. Sie richtet den Fokus dabei speziell auf die nonkonforme Kunstszene der Stadt Erfurt und präsentiert einen Gegenpol zur Leipziger Schule. Rowena Fuß ist vorbeigeschneit und war begeistert.

Wie war das doch gleich mit Nonkonformität in der ehemaligen DDR? Richtig, sie wurde nicht gebilligt, unterdrückt, behindert, ins Abseits gestellt, weggesperrt und aus dem Rampenlicht entfernt. Sie vegetierte also im Dunkeln, im Untergrund. Ebenso die regimekritische Kunst. Wer kennst sie schon, die unangepassten Künstler im Schatten der Malerfürsten, Tübke, Mattheuer und Heisig? Die Erfurter Schau bringt nun endlich Licht in die Angelegenheit.

Den Nukleus bilden 50 Künstler, die ihren Weg zum Teil fernab vom offiziellen Kunstsystem oder wechselnd zwischen diesem und dem nonkonformen Bereich gegangen sind. Ihre Fotografien, Videos, Malereien, Grafiken, Skulpturen, Kostüme und Installationen eröffnen vielfältige Ansatzpunkte für den Besucher. Unterschiedliche Facetten werden in Themenkomplexen in den Blick genommen, so z.B. Ateliergemeinschaften, die Punkbewegung oder die Vernetzung mit anderen subkulturellen Zentren der DDR wie Leipzig, Chemnitz, Dresden oder Berlin.

Zwischen Sehnsüchten und Nostalgie bewegt sich die Installation von Reinhard Zapka. Es handelt sich um ein buntes Sammelsurium der verschiedensten Dinge: Emailletopfdeckel, Bollerwagen, Plattenspieler, Wimpel, Filmrollen, Lüsterklemmen, Bilderrahmen und Schlüsselkästen, um nur einige zu nennen. Eine Besonderheit ist, dass sie klingt. Auf dem Topfdeckel läuft nämlich, angetrieben durch den Plattenspieler, eine Qi Gong-Kugel. Die kleinen Glöckchen in ihrem Innern sorgen für ein angenehm helles Klingen im ganzen Raum. Zum Duett kommt eine kleine Messingglocke hinzu. Sie steckt in einem Kistchen, genau wie die Wunschreiseziele Zapkas. Da sämtliche Anträge in die sozialistischen Bruderstaaten fahren zu dürfen, abgelehnt wurden, verwahrte er Fotoschnipselchen seiner Sehnsuchtsorte und fügte sie in einem kleinen Schränkchen zu einer Collage zusammen. Andere Arbeiten werden zum ersten Mal gezeigt, wie eine einst zerstörte Malerei der Punks Matthias Schneider und C.D. Spinne. In grellen Farben haben sie ihren Protest gegen das System festgehalten.

2 Jahre Recherche, 30 Atelierbesuche, zahlreiche Entdeckungen und rührende Gespräche kennzeichneten die Vorbereitungen zur Schau. Wie Gabriele Stötzer, Kuratorin und gleichzeitig ausstellende Künstlerin, auf der Eröffnung sagte, besitzt sie »eine große menschliche Dimension, da sie die Rückkehr der damals vertriebenen oder unterdrückten Künstlerkollegen ermöglicht«.

Kunst in der DDR war ein Politikum. Sie diente dazu, den Volkskader auf Linie zu bringen. Heute ist das nicht mehr so. Die Präsentation möchte daher besonders eine jüngere Generation für das Thema sensibilisieren.

Für Individualität statt Kader steht gleich im Eingangsbereich eine Arbeit von Stötzer: Sie zeigt eine Stoffpuppe auf einer Holzbank. In die Rückenlehne sind Symbole geschnitzt, eine eigene Sprache, die der »Denkerin« eine Stimme verleihen − analog zu den vielen Kulturschaffenden im totalitären Staat, die ebenfalls eine eigene Sprache besaßen, aber der Mund verboten wurde.

Eindringlich führt die Ausstellung anhand von Schaukästen mit persönlichen Gegenständen und privaten Aufnahmen aus den Fotoboxen der beteiligten Künstler sowie Briefen der Stasi Künstlerschicksale vor Augen und liefert die Steilvorlage für eine weitere Vertiefung des Themas. Ein wenig bedauerlich ist nur, dass die Schau nicht parallel zu »Abschied von Ikarus. Bildwelten in der DDR − neu gesehen« (bis Febr. 2013) und den anderen Ausstellungen zur DDR-Kunst präsentiert wurde. Sie wäre eine wahre Bereicherung gewesen.

Weitere Informationen

Im Rahmen der Ausstellung »Zwischen Ausstieg und Aktion« findet ein umfangreiches Begleitprogramm mit Führungen, Filmen, Musik, Lesungen und Podiumsdiskussionen statt.

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