Termin

Im Tempel der Kunst. Die Künstlermythen des 19. Jahrhundert

Ausstellung 01.10.2008–18.01.2009

Alte Nationalgalerie, Berlin, Deutschland

Im Rahmen der Ausstellungsreihe zum „Kult des Künstlers“, mit der Peter- Klaus Schuster im Herbst 2008 aus seinen Ämtern als Direktor der Nationalgalerie wie auch als Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin scheidet, widmet sich die in der Alten Nationalgalerie gezeigte Ausstellung „Im Tempel der Kunst“ den „Künstlermythen der Deutschen“, also den Idealen, Ideen und Ansprüchen deutscher Künstler des sogenannten langen 19. Jahrhunderts. Gezeigt werden Gemälde, die unter verschiedensten Blickwinkeln der Rolle des Künstlers im 19. Jahrhundert Aufmerksamkeit schenken. Der Bogenreicht von Selbstbildnissen wie jenen Anton Graffs, der wohl als erster Maler seit Rembrandt mit etwa sieben Dutzend gemalten Selbstbildnissen eine kontinuierlich beschreibende Betrachtung seiner selbst unternahm, bis hin zu den großen Einsamen wie Caspar David Friedrich und zu den großen Vergötterten wie Peter von Cornelius.

 

Wie schon in den vorhergegangenen Jahrhunderten, so befaßten sich die Maler dieser Zeit natürlich mit den alten literarischen Mythen vom Schöpfertum, etwa mit der Person des aufbegehrenden Prometheus – seine Schöpferkraft als „Menschenbildner“ wird nicht nur durch Goethe gerühmt – oder mit der Lichtgestalt Apolls, der als Sonnengott zugleich Schutzgestalt aller Kreativen war.

 

Am Anfang und am Ende der Ausstellung stehen prägende außerakademische Künstlergruppen mit je einigen exemplarischen Werken: Die als Lukasbrund gegründeten Nazarener um Overbeck suchten seit 1810 nach einer vom offiziellen Kunstbetrieb abgewandten Lebensform und einer christlich inspirierten Kunst. Dabei spielte die Rezeption Raffaels eine enorme Rolle. In der Geschichte der deutschen Kunst fanden sich weitere Bezugspunkte, so etwa bei Dürer oder Cranach, wobei der letztere sogar in einem als ideal geschilderten Auftraggeber- Künstler-Verhältnis gezeigt wird. Die letzten großen Künstlergemeinschaften im hier betrachteten Zeitraum waren die „Brücke“ in Dresden und der „Blaue Reiter“ in München.

 

Der Künstler versteht sich, seit er aus der mittelalterlichen Rolle des bloßen Handwerkers herausgeschlüpft ist, als kreative, geniale, unverwechselbare Persönlichkeit. Sein Schöpfertum ist verbunden mit Einsamkeit, Isolation, Entbehrungen; doch diese tragen dazu bei, daß die Widerstandskräfte gestärkt werden. Der Künstler als auf sich gestelltes Individuum mit mönchischem Habitus in kärglicher Zelle – so wurde Caspar David Friedrich um 1812 von Kersting in seinem Atelier gesehen. Andere Atelierbilder zeigen hingegen, in welcher Fülle und Pracht mancher Künstler arbeitete. Weitere Topoi lassen sich dem Einsamkeitsthema hinzufügen. Nichts liegt für den Künstler so nahe wie sein eigenes Schicksal, nichts muß so häufig revidiert werden wie seine Perspektiven, Hoffnungen und Bilanzen: Die Kreativität birgt nicht nur die Verlockungen des Ruhms, sondern fordert auch ihren Preis. Das Leben eines Künstlers ist durchwoben von Selbstbefragung, Selbstdarstellung, Selbstverunsicherung oder Selbstbehauptung, von Selbstgenügsamkeit oder Selbstverleugnung, ist geprägt von Rivalitäten mit Mitstreitern oder Widersachern oder auch von neidischen, bewundernden oder gleichgültigen Blicken auf die Kunstwerke. Natürlich werden Ruhm, Legenden und Mythen ideal manifestiert in Form programmatischer Porträts.

 

Doch auch Ironie und Selbstironie bleiben nicht aus, wie etwa der Wiener Josef Danhauser mit seiner humoristischen Sicht belegt. Auch der Themenkreis des Paragone – des Wettstreits zwischen den Künsten als Gattungen – kann nicht fehlen, ging es doch dabei um die theoretische und anspruchsvoll diskutierte Frage, welche der Künste jeweils überlegen ist. Man findet in der Ausstellung jeweils kleine Werkgruppen zum Wechselverhältnis von Literatur und Malerei wie von Musik und Malerei.

 

Künstlerfürsten wie Lenbach und Stuck lebten in einer geradezu imperialen Anspruchshaltung und stellten sich demgemäß auch dar: Franz von Stuck unterwirft sich die Betrachter seines Selbstbildnisses, indem er sie in eine unteransichtige Perspektive zwingt. Anselm Feuerbach feierte sich selbst als einen Verkannten, der an der Schlechtigkeit der Welt leidet. Beherzt agierte Adolph Menzel, der seinen Fuß malte und darin sein isoliertes Ich, sein unabwendbares Altern, seine kurzwüchsige Körperlichkeit preisgab; er malte nie ein Selbstporträt, aber mit diesem eigenen Fuß ironisierte er alle Künstlermythen, allen Anspruch, alle Arroganz.

 

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