Termin

Rudolf Steiner - Wandtafelzeichnungen

Ausstellung 10.01.2011–19.06.2011

Museum Appenzell, Appenzell, Schweiz

Rudolf Steiner (1861-1925), zunächst als Goetheforscher, Philosoph und Literaturkritiker, später als Anthroposoph, Schulgründer und Sozialreformer, aber auch als Inspirator für Künstler seiner Zeit (Kandinsky und Mondrian) bekannt geworden, hat während seiner mehr als 5000 frei gehaltenen Vorträge immer wieder die Tafel benutzt, um entweder in der Manier eines Lehrers einen Begriff, einen Namen oder eine Jahreszahl hervorzuheben oder aber um einen komplexen Sachverhalt aufzubauen und zu entschlüsseln, oder auch nur, um einen Gedanken durch eine zeichnerische Geste wie zu beleben. Häufig wurden zunächst schlicht angelegte Skizzen im Laufe der Rede immer weiter ausgestaltet, so dass schliesslich ein ‚imaginativ, farbig fliessendes Gesamtbild’ (Assja Turgenieff) entstand.

Die Vielfalt der behandelten Themen ist auf den ersten Blick überwäl­tigend, doch lässt sich beim näheren Hinsehen schon bald eine deutliche Zielrichtung ausmachen: Immer ging es Steiner um das Verstehen der Einheit von Mensch und Kosmos, von Form und Leben, von Geist und Materie und der wieder herzu­stellenden Einheit von Kunst, Wissenschaft und Religion. In der Rückbesinnung auf die Ursprünge des Seins, in der kritischen Reflexion der Gegenwartsverhältnisse, seien sie wissen­schaftlicher, künstlerischer oder auch politischer Natur, entwickelte er immer zugleich auch innovative Vorwärtsstrategien, nicht selten gegen den herrschenden Geist der Zeit, immer aber quer zu den gegenwärtigen Denkgewohnheiten. Steiner liebte die Durchlässigkeit der Gedanken und setzte vor allem auf deren Vermittlungskraft: Von der Philosophie hin zur Naturwissenschaft, vom Menschen zum Kosmos, von der Religion zur sozialen Wirklichkeit. «Der Labortisch wird zum Altar werden müssen», so lautet eine seiner Devisen, die er immer wieder seinen Zuhörern zurief und die mehr als ein halbes Jahrhundert später Joseph Beuys mit seinem viel zitierten Ausspruch: «Die Mysterien finden am Hauptbahnhof statt» neu belebt hat.

Dass mehr als 1000 Tafel-Bilder erhalten geblieben sind, ist der Initiative einer Zuhörerin von Steiners Vorträgen, Emma Stolle, zu verdanken, auf deren Veran­lassung hin man etwa ab 1916 damit begonnen hatte, die Tafeln mit schwarzem Papier zu bespannen. Vielfach standen dem Redner zwei oder gar drei auf diese Weise präparierte Tafeln zur Verfügung. War die Rede beendet, wurden die mit weisser oder farbiger Kreide ausgeführten Zeichnungen auf dem Papier fixiert, datiert und aufbewahrt.

Seit der ersten Ausstellung ausserhalb der Archivmauern im Sommer 1992 in der Kölner Galerie Monika Sprüth sind Steiners Tafel-Zeichnungen in vielen bedeutenden Museen weltweit zu sehen gewesen, unter anderen: Lenbachhaus München, Albertina Wien, Kunstmuseum Bern, Narodni-Galerie Prag, Museum of Contemporary Art Watari-Um Tokyo, University Art Museum in Berkeley, Kunsthaus Zürich, im Museo Nacional de Bellas Artes in Buenos Aires und Santiago de Chile, National Gallery of Victoria Melbourne.

Es ist wohl die geistige Präsenz der Tafelzeichnungen und die Unmittelbarkeit ihrer Bildwirkung, die diese späte Entdeckung Steiners für und durch die heutige Kunstwelt möglich machten und die nicht selten auch Irritationen auslösten, die der Kunstkritiker Günter Metken vielleicht am treffendsten deutete mit der Bemerkung: «Das Auftauchen dieser siebzig Jahre alten, doch ganz frischen und in sich stimmi­gen Denkbilder gehört vermutlich zu den Anstössen, deren unser orientierungslos gewordenes Fin de siècle bedarf.»

Im Museum Liner wird die Auswahl von ca. 40 Wandtafelzeichnungen Rudolf Steiners, die um das Thema „Imagination – Intuition – Kreativität“ kreisen, durch ca. 50 Photographien des St. Galler Photographen Otto Rietmann (1856 – 1942) begleitet, der über mehrere Jahrzehnte Schaffen und Leben Rudolf Steiners nicht nur dokumentierte, sondern mit dem technischen Medium kongenial interpretierte.

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