Die Wissenschaften gelten gewoehnlich als objektiv, der Wahrheit verpflichtet und rational, die Kunst als subjektiv, spielerisch und irrational. Das auch die Wissenschaften sich auf aesthetische und vor allem kuenstlerische Praktiken stuetzen, ist gegenueber der strikten Opposition zwischen beiden vielfach bemerkt worden, u. a. in den 1970er Jahren durch den Wissenschaftstheoretiker Paul Feyerabend oder den Semiotiker Umberto Eco. Andererseits hat schon in den 1950er Jahren der amerikanische Kunstwissenschaftler Kenneth Clark das Gegensatzpaar Kunst und Wissenschaft dadurch unterlaufen, dass er in beiden zwar unterschiedliche, aber gleichwertige Erkenntnismethoden erblickte. Seit ca. zwei, drei Jahrzehnten haben zudem viele Kuenstler wie Eduardo Kac u. a. begonnen, wissenschaftliche Verfahren wie das Experiment oder die Recherche zu adaptieren oder Visualisierungspraktiken systematisch unter Reflexion zu stellen. Seither untersteht der scheinbar selbstverstaendliche Antagonismus von Kunst und Wissenschaft einem permanenten destabilisierenden Platztausch. Der Vortrag geht einerseits auf eine Reihe kuenstlerischer Wissenschafts-Experimente ein, andererseits sucht er die Relationen beider neu auszuloten und ins Verhaeltnis zueinander zu setzen.

Dieter Mersch, seit 2004 Lehrstuhl fuer Medientheorie und Medienwissenschaften an der Universitaet Potsdam.Studium der Mathematik und Philosophie in Koeln, Bochum und Darmstadt, zwischen 2000 und 2004 Gastprofessur f�r Aesthetik und Kunsttheorie an der Muthesius-Kunsthochschule Kiel, 2006 Max-Kade-Professur an der University of Chicago, 2008 Gastprofessor an der Technischen Universitaet Budapest, 2009/10 Fellow am IKKM Weimar. Publikationen (Auswahl): Was sich zeigt. Materialitaet, Praesenz, Ereignis, Muenchen 2002, Ereignis und Aura. Untersuchungen zur einer Aesthetik des Performativen, Frankfurt am Main 2002, Medientheorien zur Einfuehrung, Hamburg 2006, Hg. Kunst und Wissenschaft, Muenchen 2007, Hg. m. M. Heuler:Logik des Bildlichen. Zur Kritik ikonischer Vernunft, Bielefeld 2009, Posthermeneutik, Berlin 2010.