Ausstellungsbesprechungen

bildschön – Schönheitskult in der aktuellen Kunst. Städtische Galerie, Karlsruhe, bis 7. Juni 2009

Die Schönheit steht mehr denn je auf dem Prüfstand. Die Ästhetik des Hässlichen hat zwar schon im 19. Jahrhundert die Koordinaten verschoben, und die verschiedenen Ismen der Moderne haben gezeigt, dass der Begriff des Schönen so vielfältig ist, wie es künstlerische Positionen gibt. Doch heute muss sich die reale Schönheit – die eben kaum noch definierbar ist – mit einer virtuellen Schönheit messen lassen: in Casting-Shows, beim Schönheitschirurgen, unter der Solarienzelle. Nicht mehr der Mensch wird als Maß aller Dinge zum Vor-Bild, nein: In Zeiten, wo man am PC eine Barbiewelt zum Leben erwecken kann, rückt das Ideal-Bild in unerreichbare Ferne, die nur noch mit der Chemie und dem Skalpell in Angriff genommen werden kann. Die Städtische Galerie in Karlsruhe geht dem Thema »bildschön« nach und beleuchtet den »Schönheitskult in der aktuellen Kunst«, und man kann hinzufügen: auch den Körperkult.

Es überrascht nicht, dass der Titel doppelbödig ist: »bildschön« ist wie »blitzsauber« usw. eine Floskel, die spontan die Erscheinung meist eines Menschen hervorhebt. Aber er geht weiter, weil »Bild« hier einmal das künstlerische Bild meint, zum anderen aber auch das Abbild, sozusagen das Still aus einer Parallelwelt des schönen Scheins. Oder des schönen Wahns? Die Schönheit wird hier in der Ausstellung nicht nur zelebriert, sie wird auch kritisch, ironisch und zuweilen auch polemisch hinterfragt. Dafür sorgen die Künstler(innen), wobei an dieser Stelle eigentlich die männliche Form des Wortes in Klammern stehen sollte, wenn es denn grammatikalisch ginge – offenbar haben die Frauen in der Frage nach der Schönheit mehr zu sagen, wie die Liste der Teilnehmenden zeigt: Marina Abramović, Sandra Ackermann, Sonja Alhäuser, Julie Allen, Nina Lola Bachhuber, Heike Kati Barath, Vanessa Beecroft, Daniele Buetti, Marlene Dumas, VALIE EXPORT, Hans-Peter Feldmann, Gelitin, Patrycja German, Nan Goldin, Isabell Heimerdinger, Ilona Herreiner, Ottmar Hörl, Keti Kapanadze, Immo Klink, Stephanie Kramer, Marie-Jo Lafontaine, Inez van Lamsweerde & Vinoodh Matadin, Josephine Meckseper, Harding Meyer, Gabriela Oberkofler, ORLAN, Martin von Ostrowski, Bernhard Prinz, Pipilotti Rist, Giovanni Rizzoli, Corinna Schnitt, Marina Schulze, Cindy Sherman, Tinka Stock, Caro Suerkemper, Ivonne Thein, Rosemarie Trockel.

Die Künstlerinnen und Künstler haben fast ein leichtes Spiel. Von jeher ist das schöne Bild – und sei es in seiner Deformation – Thema der Kunst. Dazu geben die Illusionisten der Werbung und die digitalen Segnungen eines Second Life Steilvorlagen, die sowohl für die Malerei, Fotografie, Plastik, Installation wie die Videokunst geradezu eine Spielwiese für alternative Darstellungen, kritische Spiegelbilder und ernüchternde Dokumentationen entfalten. Ob der Schönheit nun mit dem Mythos (Hörl, Valie Export) oder dem Modeklischee (Boetti, Goldin, Kapanadze) beizukommen ist, kann letztlich nur der Betrachter – für sich – entscheiden, meist scheint jedoch ein Schuss Ironie unvermeidlich zu sein. Dass dem einen oder anderen dabei auch mal die Gesichtszüge entgleisen, kann man angesichts der völlig ungeschönten Alten von Ilona Herreiner beobachten – im klassischen Medium der Holzskulptur präsentieren sie sich selbstbewusst und doch inmitten der Ausstellungsfläche wie vorgeführt, wohl wissend: Schönheit mag anders sein, aber sie ist vergänglich. Das wird freilich schon in den irritierenden Fotoporträts von Marie-Jo Lafontaine und Cindy Sherman deutlich.

Die Ausstellung wurde von Melanie Ardjah mustergültig kuratiert, und man muss hinzufügen: Dem Thema gemäß, hat Constanze Greve mit ihrem Grafik- und Kommunikationsteam einen handlichen Katalog erstellt, dem man nur wünschen kann, dass er seinen Weg in die Listen der Schönsten Bücher findet.

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