Ausstellungsbesprechungen

Bodo Korsig, Where can I buy a new brain?

Was so mancher von uns schon öfters als Frage vorformuliert und doch nie zu sagen für angemessen erachtet hat – »Oh Herr, lass Hirn ra«, heißt ein schwäbischer, fast schon ›geflügelter‹ Seufzer, der wohl übrig blieb –, stellt Bobo Korsig (geb. 1962) an den Beginn seiner ethisch hinterfragbaren Kunst, die der Dualität von Geist und Körper, Identität und Persönlichkeit nachspürt und auf dem Grat zwischen Abstraktion und Figuration eine Antwort für unsre Alltagserfahrungen und die neurobiologische Erkenntnisse sucht.

Wenn diese Antwort sich mit der Straßenwalze auf großformatigen Leinwänden drucken lässt, darf man aufhorchen: sie wird sich in Chiffren über allzu kesse Sprüche hinwegsetzen, die man angesichts der Frage »Where can I buy a New Brain?« ohnehin kaum erwarten wird.

 

In der Tat sucht Korsig in seinen scheinbar abstrakten Bildzeichen eine Schnittstelle zwischen Philosophie und Naturwissenschaft: Motivisch dreht sich sein skulpturales, sprachlich-poetisches wie sein Holzschnitt- und Linolschnittwerk um die existenziellen Themen Liebe und Tod, Erinnerung und Vergessen unter neurobiologischen Aspekten – so entpuppen sich die dargestellten Chiffren als mikroskopische Synapsenwelten und geheimnisvolle Nervenbahnen. Die im Titel ausgewiesene Werkgruppe beschäftigt Korsig seit 1999 – und da eine allseits zufriedenstellende Antwort auf sich warten lässt, wird sie noch weiter gedeihen müssen. Faszinierend ist es zu beobachten, wie Korsig seine verschlüsselten Zeichen aus der monumentalen Druckgrafik heraus ins Dreidimensionale transferiert und über die Materialien Holz, Aluminium oder Keramik weiterdenkt.

 

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Die organisch abstrahierten und mikrobiologisch anmutenden Monumentaldrucke werden irritierend schön durch ihre Verbindung mit der Schrift bzw. Sprache – die zum einen die Hoffnung erwecken, eine Antwort auf (alle möglichen) Fragen zu erhalten, zum anderen zumindest die Synapsen mächtig in Wallung bringen. »I do without«, »My Soul is dirty«, »saures Aufstossen!« oder nicht zuletzt »Du verwirrst mich!« werfen erstmal Fragen auf und lassen ganze Assoziationsfelder mitschwingen, »Lovecancer«, »Ich Blut« und anderes mehr geben einer solchen Schwingung auch eine Richtung, die Leid und Liebe, Zärtlichkeit und Zerstörungslust im Zielbereich haben. Und wie steht es nun mit der merkantilbiologischen Gretchenfrage? Nüchtern betrachtet bietet Korsig in seinem Holzschnitt »Headtransplant« immerhin die Möglichkeit einer Lösung aus dem Gedankenknoten.

 

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An dieses letztgenannte Bild schließt im vorzüglichen Katalog ein theoretischer Teil an, in dem Christoph Kellendonk vom Zentrum für Neurobiologie und Verhaltensforschung (Columbia-Universität, New York) mit Korsig »die Grenzen von Philosophie und Wissenschaft« erkundet, indem »Fragen über unsere eigene Identität und deren biologische Grundlage« gestellt werden. »Ein Head transplant könnte einige Probleme lösen, z.B. schlechte Erinnerungen auslöschen… oder sich eines lebensgefährlichen Gehirntumors entledigen. Aber die meisten Biologen würden übereinstimmen, dass wir unser Gehirn nicht austauschen können, und zwar aus einem einfachen Grund: Wir sind unser Gehirn« – Geist, Identität und Gefühl: alles eins und alles. Und Korsig produziert einen Widerspruch in sich selbst, spielt mit unserer Faszination für die Wechselbäder der Gefühle und des Denkens, und seine Kunstwerke »machen diese Faszination anschaulich und begreifbar«.

Weitere Informationen

Öffnungszeiten

Di–Fr 14–18, Do 14–20, Sa/So 11–18 Uhr

 

Weitere Ausstellungstermine

Kunstraum Potsdam, Waschhaus e. V., 21.10.–17.12.2006

Leonhardi-Museum Dresden, Januar/Februar 2007

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