Rezensionen

Britta Erickson/Nadine Barth (Hg.): Yahon Chang - Painting As Performance. Hatje Cantz

Das im eleganten Glanzleinen angebotene Buch, bietet eine angenehme Haptik und setzt damit für die Leser:innen den ersten von vielen positiven Akzenten. Yahon Chang (*1948) liebt die Kalligrafie und die Malerei noch mehr. Bei dem taiwanesischen Künstler trifft sich die Kultur des Westens mit jener des (fernen) Ostens. Geheimnisvoll, doch nie fremd, sondern jedem Blick verbunden zeigt sich diese besondere Ausdrucksform schon deshalb, weil der Maler stehend und mit riesengroßen Malutensilien seine Werke kreiert. Seine von kraftvoller Dynamik getragenen Werke dokumentieren die Expressivität einer Kunst, die zum Staunen einlädt. Melanie Obraz ist den Pfaden des expressiven Ausdrucks Yahon Changs gefolgt.

Cover © Hatje Cantz
Cover © Hatje Cantz

Die Performation steht bei Chang im Mittelpunkt. Das am National Taiwan Art College absolvierte Studium der Kalligrafie und Kunst, bietet die fundierte Grundlage seiner Ausdruckskraft. Seine Malerei, die an Aspekten der traditionellen chinesischen Kalligrafie orientiert ist, präsentiert er durch das dazu gehörige Material – die Tinte. Seine kalligraphische Malkunst bringt er in und mit der Performance zur Sprache. Auf diese Weise interagiert seine Malerei mit den Rezipienten:innen. Chang zelebriert seine Artefakte auch unter Einbeziehung der Musik – und das reich bebilderte Buch lässt die Leser:innen jene musische/akustische Besonderheit ahnen. Malerei und Bewegung gehen mit der Musik in eine Interaktion, die als ein zusätzliches Kunsterlebnis angenommen wird. Darüber hinaus lässt das Buch den Künstler zu Wort kommen. Einige Anmerkungen Changs ermöglichen den höchstpersönlichen Blick des Künstlers auf seine Werke, der durch Aufsätze herausragender Kunstexperten:innen optimiert wird, die das Essentielle der Arbeiten erklären und es dennoch bewusst den Lesern:innen überlassen, die individuelle Nuance des Künstlers selbstständig zu finden. Vor allem die Katze ist ein vielgeliebtes Motiv bei Chang. Sie verabschiedet auch die Leser:innen des Buches auf der letzten Seite.

Die Kunst des Yahon Chang mag an Jackson Pollock und dessen Action-Paintings erinnern, doch sind deutliche Unterschiede in der Art und Weise der Aktion bei Chang erkennbar. Seine Bewegungen mit dem Arbeitsutensil bilden eine Einheit mir der Musik und dem Arbeitsgerät zugleich und stehen in wechselseitiger Beziehung. Der Künstler ist von unterschiedlichsten Quellen beeinflusst, die einerseits weit in der chinesischen Kunsttradition wie auch in der religiös-buddhistischen Überlieferung verwurzelt sind und andererseits den Einfluss der westlichen Kunst Picassos oder der abstrakten Expressionisten andeuten. Hinsichtlich seiner Persönlichkeit ist auch erwähnenswert, dass Chang zum Katholizismus konvertierte.

© Yahon Chang
© Yahon Chang

Seine Arbeiten entstehen aus dem Moment heraus und bezeugen eine Direktheit und damit auch Ursprünglichkeit, an welcher das Publikum eine unmittelbare Teilhabe erlangt. Das Gestische steht neben dem Malerischen und unterstreicht damit die komprimierte Ausdrucksweise. Das Originäre der Kunst als eine besondere Zeiteinheit wird daran verdeutlicht. Das Buch gibt diesbezüglich brillante Einblicke in schwarz-weiß wie auch mit Bildern, die eine großartige Farbtiefe zeigen. So kann das Publikum, in den auf diese spontane Weise entstandenen Kunstwerken, die spezielle Aussage in den eigenen Interpretationen wieder erkennen. Etwas völlig Losgelöstes und Neues entsteht. Chang macht keine Vorgaben und kommuniziert vordergründig nicht mit dem Publikum.
Die Interaktion gelingt dennoch, da Chang starke Emotionen wie Schmerz, Leid, existenzielle Bedrohungen und den Tod in seiner Kunst verhandelt . Im Besonderen zeigt sich seine Empathie darin, mit welcher er die Augen darstellt, die angsterfüllt oder gar bedrohlich aus seinen Werken herausblicken. So ist auch seine Interpretation des Gesichtes von Marilyn Monroe bemerkenswert.

© Yahon Chang
© Yahon Chang

Neben der Bild-Ikone Marilyn Monroe, dokumentiert Chang seine christlich religiöse Auffassung in den Messiah Series, wo man auch Bildnisse der Madonna mit Kind und Portraits Jesu findet. Weitere Aspekte offenbaren seine Installationen und weisen auf Probleme hin, die sich mit der Erde als unserem Heimatplaneten auseinandersetzen. Spezielle Visualitäten des Buddhistischen und Christlichen sind daher auch hier entscheidend für die Darstellung seiner Bilder. Chang kreiert das vielschichtige Programm seiner Arbeit direkt aus dem Lebendigen und damit auch aus dem, was Menschen in ihrer Alltäglichkeit umgibt. Doch stets kommt es ihm darauf an, die spirituelle Euphorie zu spiegeln, um darin die Freude zu bekunden, die letztendlich seine Werke nicht nur in dunklen, sondern auch in hellen und zuversichtlichen Tönen offerieren. Die Unsicherheit des Menschen in der Welt und die noch bevorstehenden Herausforderungen sind hier ebenso ein Thema wie der positive Ausblick auf das Leben im Allgemeinen.

Damit ist die Kunst Yahon Changs eine Ausdrucksform, die auf göttliches Vertrauen hinweist und seinem Publikum eine positive Sicht auf alles Lebendige und das Leben an sich vermittelt. Namhafte Expert:innen und Künstler:innen wie RoseLee Goldberg, Britta Erickson, Maria Rus Bojan, Manu Park, Maya Kóvskay und Antony Gormley werfen in den begleitenden Texten den Blick in mannigfaltige Richtungen und führen die Leser:innen durch die von Empathie und Spiritualität getragene Ebene Changs. Seine Kompositionen der Malerei erhalten damit eine zusätzliche Aura und das Publikum spürt sogleich den weitreichenden Aspekt einer einzigartigen Kunstperspektive.

© Yahon Chang
© Yahon Chang

Chang ist auf der internationalen Bühne der Kunst ein Muss für jene Menschen, die mehr als nur ein Interesse an bildnerischen Ausdrucksformen haben, sondern ein sich in der Kunst abspiegelndes Gefühlsleben als Originalität erfahren möchten. Die Publikation erscheint in englischer Sprache und bietet auch Leser:innen, die des Englischen nicht kundig sind, einen gehaltvollen Einblick auf die künstlerische Sichtweise des Yahon Chang.
Das umfangreiche Buch ist sehr klar gestaltet und gibt den Lesern:innen einen Überblick in Form eines historischen Zeitablaufs und der Biografie des Künstlers.

Titel: Yahon Chang
Painting As Performance
Hrsg.: Britta Erickson, Nadine Barth
Autor:innen: Maria Rus Bojan, Britta Erickson, Antony Gormley, Maya Kóvskaya, Manu Park, RoseLee Goldberg
Gestaltung: Julia Wagner
Glanzleinenband
320 Seiten mit 370 Abbildungen (schwarz-weiß und farbig)
In englischer Sprache
Verlag: Hatje Cantz
Berlin 2022
ISBN: 978-3-7757-4919-0

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