Ausstellungsbesprechungen

Chris Bruder. Werkschau der fränkischen Künstlerin Chris Bruder

Blicke unter die Oberfläche. Die dunklen Hintergründe der Figuren von Chris Bruder haben nichts, aber auch gar nichts mit Depressionen oder gar Weltschmerz zu tun. Dafür sind die Protagonisten viel zu lebendig, absolut präsent. Ihr stolzer Blick trifft den Betrachter direkt ins Herz: Schau mich an! Mein Gesicht hat Falten, aber sie sind ehrlich erworben. Die dunklen Malgründe sind eher Schutz, Höhle, Mutterleib.

Dem Menschen ist das Tier als Weggefährte beigeordnet. Die verwandte Kreatur, wie wird sie von uns behandelt? Mit Sinn versehen, als Freund bezeichnet, um Eigenschaften beneidet, die wir selbst gerne hätten, aber auch gejagt, erschossen, geschlachtet und das Fell über die Ohren gezogen. Es geht um Verletzlichkeit von Mensch und Tier, um das Leben, um unsere dünne Haut, um Würde und Stolz. Sensibilität und Brutalität liegen dicht beieinander: Eine dicke Frau hat sich und ihr Schoßhündchen in einen riesigen Pelz gehüllt. Die nackte Schläferin hat sich zusammengerollt unter einer zweiten Haut, die ihr Schutz und Wärme bietet. Sie nehmen den Tod einer Kreatur für ihre Zwecke in Kauf, sind ja selbst so verletzlich und dünnhäutig.


Das „Schätzchen“ ist ein wilder Punker, der eine martialische Irokesenfrisur als Zeichen seiner Unangepasstheit trägt und dem Betrachter stolz entgegenblickt. Aber irgendwo scheint auch seine Verletzlichkeit, seine Unsicherheit hindurch. Sie schimmert durch die Haut seines nackten Oberkörpers, spielt um die harten Konturen seines Mundes. Ecce homo, in den Clubs und Kneipen der Großstadt, in den Villen der Reichen wie an den Straßenecken, im Atelier der Künstlerin. Chris Bruder, 1946 in Fürth geboren, spricht nicht gerne über ihre Bilder. Die Bilder sind ihre Sprache. So wie die Konturen der Gestalten sich oft im Dunkel verlieren, so bleibt bei jedem Bild ein weiter Raum für Assoziationen und Entdeckungen. Das Sich-Verlieren der Figuren steht in frappierendem Gegensatz zur fotogenauen Wiedergabe vom Fell eines Pavians, dem Gefieder eines Falken, den Augen eines Geparden. Es entspricht der Natur des Menschen, immer nur Teile von sich zu zeigen, niemals das Ganze.


Dazwischen auch Humor und feine Ironie. Der „Letzte Versuch“ zeigt Mann und Frau, bereits gealtert, aber noch immer lebenshungrig. Der Blick des Mannes geht gedankenvoll in die Ferne, wo ist die Jugend geblieben, die Frau blickt den Betrachter direkt an. Zwischen beiden der Granatapfel, altes Symbol der Fruchbarkeit. In der Bildersprache des Hohenliedes Salomos wird die runde Form des Granatapfels mit der Schönheit der Frau verglichen. Sein köstlicher roter Saft ist der Nektar der Liebenden, der Duft seiner vielen Blüten ist der Inbegriff des erwachenden Frühlings in seiner Lieblichkeit. Hier werden erschlaffte Brüste dargeboten. Was ist daran verkehrt, ihr Lieben?


Die Ausstellung mit 120 Gemälden, Grafiken und Skulpturen ist ein Appell an die Toleranz, den Respekt vor dem Leben, dem Individuum. Die in drei Jahrzehnten entstandene Kunst von Chris Bruder ist aus einer lebensbejahenden, optimistischen Haltung heraus moralisch und in Kombination mit technischer und ästhetischer Perfektion sehr sehenswert.

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