Ausstellungsbesprechungen

Rothko

Sie sind wieder vereint und bereiten Gänsehautfeeling: die „Seagram murals“ (1958-59) von Mark Rothko (1903-1970).

Warum sie nun in der Tate Modern in London, im Kawamura Memorial Museum of Art in Japan und in der National Gallery of Art in Washington hängen und nicht, wie ursprünglich bestimmt, im exklusiven Restaurant des Four Seasons Hotels in New York City, ist immer noch ein Geheimnis. Es gibt viele Geschichten und Spekulationen, doch Tatsache ist, dass Rothko, aus welchen Gründen auch immer, dieses Restaurant unpassend fand für seine Kunstwerke. Nun stehen sie im Mittelpunkt der faszinierenden Ausstellung eines des großartigsten Künstlers des 20. Jahrhunderts, Mark Rothko. „In so far as I have always maintained that if I should be given an enclosed space which I could surround with my work it would be the realization of a dream that I have always held.“ Für einen Teil seiner Werke ging sein Traum in Erfüllung. Kurz vor seinem Tod übergab Rothko neun der „Seagram murals“ der Tate Gallery mit dem Wunsch, dass sie immer zusammen in einem Raum präsentiert werden sollen. Der 25. Februar 1970, der Tag, an dem sie in London ankamen, war ein trauriger Tag, denn Mark Rothko war tot.

Fast vierzig Jahre später finden 15 von den ursprünglich 30 Werken wieder zueinander und präsentieren hier die erste Serie des Künstlers. „In this context they seem like new paintings“ so der Kurator der Ausstellung, Achim Borchardt-Hume. Jedes Bild steht in direktem Dialog zu seinem Gegenstück; nur die Farben der schwebenden Rahmen, deren Hintergrund sowie die verschiedenen Oberflächen unterscheiden sie voneinander.
Wie ein offenes Buch, das unendliche Geschichten enthält, erscheinen einige dieser Rechtecke, besonders diejenigen, die unterteilt sind wie „Sketch for Mural No. 4“ oder „Sketch for Mural No.6“. Die Oberflächenstruktur, die Rothko in den „Seagram murals“ kreierte, resultiert aus überlappenden, durchscheinenden und undurchsichtigen Farben, die ein kontinuierliches interaktives Spiel zwischen Hintergrund und der Figur bilden. Die Beleuchtung, ob natürlich oder künstlich, spielt bei diesen Werken eine große Rolle. Besonders bei den reflektierenden Murals wie bei „Red on Moroon“, ist das innere Licht deutlich zu erkennen, bei zu viel Beleuchtung wäre die Möglichkeit der Verzerrung gegeben. Um ein Wechselspiel dieser charakteristischen Oberflächen zu erlangen, musste Rothko seine eigene Technik finden. Und es wäre äußerst spannend, mehr darüber zu wissen. Doch er mochte es nicht, wenn man ihm bei der Arbeit zuschaute, nicht mal seine Studioassistenten kamen in den Genuss. Erst in den letzten zwei Jahren kam man dem Geheimnis näher; mit Hilfe von speziellem Licht kann man seine Lagentechnik erkennen und bestimmte Stellen sehen, die er übermalt hat. Rothko war Perfektionist, deshalb stellte er genaue Bedingungen über die Höhe der Hängung, die Hintergrundwandfarbe und natürlich die Beleuchtung.

„If a thing is worth doing once, it is worth doing over and over again - ...“ so Rothko. Es sind die Serien, die im Zentrum der Ausstellung stehen und sein Werk zwischen 1958 und 1970 dominierten. Der komplette Bruch mit seinen Werken aus den 50er Jahren, bei denen es noch leuchtende Rot-, Pink-, Blau- oder Grüntöne gibt, erfolgt mit der „Black-Form“-Serie (1964), einer faszinierenden neuen Art, die Farbe schwarz einzusetzen.

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Auf den ersten Blick erscheinen alle Bilder komplett schwarz, erst langsam werden Strukturen durch die unterschiedlichen Schwarz-Töne sichtbar. Eine seiner vielen Techniken war, glänzendes und mattes Schwarz miteinander zu verarbeiten, so kann die Oberfläche Licht absorbieren und reflektieren. Die Dunkelheit ist fordernd und das Auge muss sich zuerst auf die schwarzen Töne einstellen. Diese Bilder erfordern Konzentration und Zeit. Die bekanntesten Werke dieser Art hängen in einer Kapelle in Houston, doch fünf davon sind in der Ausstellung präsent, darunter ein sehr bekanntes: „No 5“ (1964), eine dramatische Komposition eines schwarzen Feldes auf einem dunkelbraunen Hintergrund. Die Ränder sind hier klar definiert, was untypisch ist für ein Rothko-Bild.

Die Veränderungen sind auch bei den nachfolgenden Serien zu erkennen. Die wohl prägnanteste Charakteristik der „Brown on Gray“ und „Black on Gray“ Serien ist, das sie nicht wie „Rothkos“ aussehen: Keine schwebenden Rahmen mit farbigen Feldern und somit auch kein Blick dahinter. Stattdessen zwei horizontale Felder in braun, schwarz oder grau, mit einem weißen Rahmen und mit dünnen Pinselstrichen gemalt, die auf der Oberfläche klar sichtbar sind. Besonders bei diesen Werken ist die extreme Reduktion erkennbar, alles ist reduziert: Farbe, Kontrast, Material und sogar der Rand. Das Bild besteht nur noch aus zwei Teilen, einer helle Seite und einer dunklen mit einer horizontalen Grenze, die relativ einfach und verloren wirkt. Durch die Zweiteilung gibt es nur noch Pro und Kontra, Leben und Tod, himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Das Schwebende, das Vielleicht, der Kompromiss wird ausgeschlossen, Distanz und direkte Konfrontation dominieren. Als er die „Black on Gray Paintings“ einigen seiner Freunden zeigte, meinten diese „they don’t look like Rothkos“, womit sich der Künstler bestätigt sah. Er wollte den direkten Dialog zwischen Bild und Betrachter. Um die Wahrnehmung seiner Bilder richtig zu stellen, sagte er von sich selbst „I’m not an abstractionist. I’m not interested in relationships of colour or form or anything else. I’m interested only in expressing basic human emotions – tragedy, ecstasy, doom and so on – and the fact that lots of people break down and cry when confronted with my pictures shows that I communicate those basic human emotions.“ Die „Black on Gray“-Serie (1969-70) sind seine letzten Werke und drücken möglicherweise seinen eigenen melancholischen Gemütszustand aus.

Sein Sohn Christopher, der seinen Vater viel zu früh verlor, jedoch aber mit seinen Werken umgeben aufwuchs, meinte speziell über die vereinten Seagram murals „In this context they seem like new paintings“. Für einige Monate nun sind sie Teil einer faszinierenden Ausstellung, doch auch „allein“ bilden sie einen ganz besonderen Raum: „The Tate’s Rothko room“, Teil der permanenten Ausstellung und ein Ort, den man immer und immer wieder besuchen kann und wenn man sich auf Rothko eingelassen hat – auch will.
 

 

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