Die Fotografien von Barbara Schmidt und Thomas Grimberg sowie die Glasobjekte von Anke Erlenhoff spiegeln mystische Natur und sterile Lebensmittel ebenso wie den ewigen Kreislauf des Lebens. Der kontrollierte Zufall ist schillernd und farbenfroh in Glas geätzt. Susanne Braun hat sich die Arbeiten angeschaut.
Die Fotografie galt Walter Benjamin in den 1930er Jahren als eine der Techniken, die der Kunst durch die Möglichkeit der vergleichsweise einfachen Reproduktion ihre einzigartige und an das Hier und Jetzt gebundene Aura nehmen würde. Barbara Schmidts und Thomas Grimbergs Fotografien stehen für das genaue Gegenteil. Sorgfältig und mit viel Liebe zum Detail arrangiert, haben die Bilder mehr von einem handwerklich anspruchsvoll hergestellten Landschaftsporträt oder einem mit tiefgründiger Symbolik aufgeladenen barocken Stillleben. Dass die Bilder mit analoger Technik fotografiert worden sind und sich daher nicht ohne Weiteres mit einem einzigen Mausklick unendlich häufig vervielfältigen lassen, verleiht ihnen im digitalen Zeitalter wohl etwas so Einzigartiges, wie es zu Anfang des 20. Jahrhunderts ein Gemälde hatte. Auch die aus mehreren Farbschichten in einem aufwendigen Verfahren hergestellten Glasobjekte von Anke Erlenhoff sind Unikate, wenn auch so häufig wie gewollt reproduzierbar.
Überwiegend steril in durchsichtige Plastikfolie verpackte Nahrungsmittel in einer auf makellosen Hochglanz polierten Umgebung bilden Fotografien aus der Serie »Look of Food« des Werbefotografen und Künstlers Thomas Grimberg ab. Nichts erinnert an Ursprung oder eigentlichen Verwendungszweck, es sind keine Menschen, Küchenutensilien oder sonstige Spuren der Verarbeitung zu sehen. Die Fotografie eines ästhetisch perfekt in Szene gesetzten rechteckigen Blocks aus rosarotem Lachsfilet auf einer silbrig glänzenden Spüle lebt vor allen Dingen durch die farblich interessant changierende Maserung des Fleisches, die durch die dicke Folie noch erkennbar ist. Genauso sind das weiße und braune Ei versetzt in einem grünen Karton oder die unterschiedlichen Grüntöne der Streifen einer ineinander verschlungenen Substanz in ihrem durchsichtigen Behältnis aus Plastik schön anzusehen. Ganz besonders hier wird eigentlich erst durch den Titel »Senfgemüse« klar, dass der grüne Inhalt des Plastikbeutels pflanzlichen Ursprungs ist. »Wir kaufen Lebensmittel heute nur noch über die Verpackung und wissen gar nicht, wie sie eigentlich aussehen«, beschreibt Thomas Grimberg seine Motivation. »Ich war mal auf einem Markt in China. Da liegen die Lebensmittel einfach so auf dem Tisch, da gibt es gar keine Verpackungen. Dort würde niemand ahnen, dass in so einer Plastikverpackung etwas Essbares sein könnte«.
Dazu bilden die Landschaftsaufnahmen, die Thomas Grimberg auf »0,06qm« präsentiert, einen starken Kontrast. Auch hier ist der Bildausschnitt offenkundig sorgfältig ausgewählt, doch insgesamt wirkt alles viel wilder und nicht so arrangiert. Im Mittelpunkt einer Fotografie etwa steht die Struktur von Grashalmen. Schemenhaft schimmern sie an einigen Stellen durch eine mal milchigere, mal durchsichtigere Eisdecke hindurch, wobei an anderer Stelle der farblich interessante Wechsel aus frischem Grün und modrigem Braun die entscheidende Bildkomponente darstellt. Der ewige Kreislauf des Werdens und Vergehens wird auch anhand der lila, gelb und blau schimmernden Pilze auf einem modrig-dunklen Holzstück oder eines kleinen Gerippes, das fast schon wieder in seiner Umgebung aufgegangen ist, farblich und strukturell anspruchsvoll dargestellt. »Ich gehe zunächst mit einer Digitalkamera durch den Wald und nehme interessante Motive auf«, erklärt Thomas Grimberg. »Dadurch, dass die Kamera mit GPS die genauen Koordinaten speichert, kann ich die Stelle wieder finden. Dann mache ich mich mit Hilfe eines Bildausschnittsuchers an die genaue Komposition der Fotografie«.
Grundlage für Barbara Schmidts Fotografien sind Materialien überwiegend natürlichen Ursprungs wie Zweige, Moos, Sand, Knochenteile, Vogeleier oder Schmetterlingsflügel. Ihre Fundstücke arrangiert sie zu kleinen Miniaturen, die dann als Vorlage für die Fotografien dienen. »Ich arbeite meist wochenlang an diesen Aufbauten, mache mehrere Fotos und verändere sie so lange, bis das Ergebnis auf dem Foto mir perfekt erscheint«, beschreibt Schmidt ihre Arbeitsweise. Die Atmosphäre auf den Bildern ist meist sehr düster, einige Gegenstände wirken auf den Fotografien so extrem vergrößert oder sind in einen anderen Kontext eingefügt, dass der ursprüngliche Gegenstand kaum mehr identifizierbar ist. Indem sie mit den Sehgewohnheiten des Betrachters spielt, zwingt sie ihn gleichzeitig, sich ihrer bewusst zu werden und sie zu hinterfragen. Eine Fotografie zeigt beispielsweise einen dichten Wald, auf dessen dicken braunen Stämmen sich ein dunkles Spiel von Licht und Schatten bildet. An manchen Stellen scheinen die leeren schwarzen Augen eines totenkopfartigen Schädels durch die dicken Stämme zu schimmern. Insgesamt weisen viele Fotografien Parallelen zu barocken Stillleben auf, die klassischerweise ebenfalls Licht und Schatten mit leb- und reglosen Sachen in Szene setzen und die Vergänglichkeit des Lebens thematisieren. Ein anderes Bild könnte auf das Lied »Maria durch ein Dornwald ging« anspielen, indem es ein überdimensioniertes blaues Ei zeigt, das zerbrochen inmitten dicker Stämme voll riesiger Dornen liegt, in diesem Zusammenhang ein Sinnbild für Unfruchtbarkeit. »Ich lasse mich zum Beispiel auch immer wieder von der Bibel inspirieren«, erklärt Barbara Schmidt. »Ripa VIII« hingegen, zeigt eine Komposition, die im ersten Moment an das Innere eines Aquariums erinnert. Erst bei genauerer Betrachtung lässt sich erahnen, dass die »Fische« aus Schmetterlingsflügeln oder etwa die Steine aus knorrigen Holzstücken bestehen könnten. »Jeder sieht in den Bildern etwas Anderes«, beschreibt Barbara Schmidt die Reaktionen auf ihre Arbeiten.
Diesen Stil verfolgt sie auch in ihren Landschaftsaufnahmen. Die Bilder sind vor allen Dingen im Vergleich zu den vorigen sonnendurchflutet, farbenfroh und fröhlich. Indem Barbara Schmidt etwa die Schärfe des Bildes an eine ungewohnte Stelle legt und damit nicht den bunten Vordergrund des Bildes in die Mitte rückt, sondern einen Punkt, der räumlich gesehen weit dahinter liegt, irritiert sie und fesselt den Blick des Betrachters. In einem anderen Fall greifen offenbar Naturphänomene und Aufnahmetechnik ineinander. Auf einer sehr hellen, sehr sonnigen Fotografie ist vor einer verschwommenen grünen Kulisse eine Art Regenbogen zu sehen, die vermutlich durch die Brechung des Lichts im Kameraobjektiv verursacht worden ist und nicht durch das Wetter. Alle Bilder haben etwas Vertrautes und Fremdes zugleich und verführen dazu, sie eingehend zu betrachten, um ihr Rätsel zu lösen.
Neben den Arbeiten von Grimberg und Schmidt zeigt das Kunsthaus Wiescheid Glasobjekte von Anke Erlenhoff. Ihnen liegen mehrere kleinformatige mit Öl- oder Acrylfarbe sowie Lack hergestellte Bilder zugrunde, die letztlich übereinander geschichtet und in eine Glasplatte geätzt werden.