Ausstellungsbesprechungen

Cupboard Love. Der Schrank, die Dinge und wir, Gewerbemuseum Winterthur, bis 22. April 2018

Durch den berühmten Schrank im Zimmer von Professor Digory Kirke sind schon viele nach Narnia gegangen. Über 100 Millionen Leser, um genau zu sein. In Winterthur öffnet sich Interessierten die Tür zu einem gar nicht so uninteressanten Möbel. Rowena Schubert-Fuß weiß mehr.

Der Schrank. Für viele ist er der klassische Lagerraum für Teller, Tassen, Bettdecken, Tennisschläger, Bücher und weiteren Krimskrams. Für einige wird er zum Versteck. Für manche zum Fantasieraum. Der irische Schriftsteller Clive Staples Lewis machte das Möbel schließlich zum Tor in eine andere Welt.

Irgendwo dazwischen ordnet sich Julia Grönings Fotografie »Schrank1« ein. Die Nahaufnahme eines massiven hölzernen Geschirrschranks offenbart Rätselhaftes. Denn direkt unter dem Fach mit edlen Gläsern und feinem Silbergeschirr liegt jemand. Aus einem ledernen Gewand lugt ein Bein hervor. Offenbar gehört es einer Frau. Was macht sie dort? Schläft sie etwa? Steckt sie fest?

Julia Gröning lässt uns an diesem Punkt allein. Die Auflösung scheint sich außerhalb des Bildausschnittes zu befinden, doch kommen wir dort nicht hin. Hier wie auch bei anderen Arbeiten der Ausstellung ist es dem Besucher des Winterthurer Museums freigestellt, was er in den ausgewählten Stücken sehen möchte.

Designklassiker, Neuinterpretationen und Raumskulpturen zeigen nicht nur gestalterische Herausforderungen auf. Die Schränke erzählen auch aktuelle Zeitgeschichte rund um Mobilität, Minimalismus, Besitztum oder Sozialstatus.

Regina Baierl macht ihre Schrankvariation zu einer Heimstatt im Miniformat. Es traut sich zwar niemand, aber wenn man sich hineinsetzen würde, könnte man auf einem flauschigen Pelz sitzen. Eine gegenüber hängende Lampe beleuchtet das Bild eines Hasen. Der Blick aus dem um 90 Grad gedrehten dreiteiligen Sprossenfensters ist trüb. Und doch regt er zu einem Gedankenspiel zum Thema Wohnraum an. Wie wenig man tatsächlich braucht, zeigen die Wohnröhren in großen Bahnhöfen Japans, die v.a. Geschäftsleute und Pendler nutzen. Studenten und Flüchtlingen in Wien dient hingegen seit 2016 der ausgestellte »Hawi« von TnE Architects als temporäre Behausung. Das Ein-Raum-Möbel vereint Schrank, Bett und Schreibtisch.

Neben den Möbeln selbst zeigt die Schau auch Filme und Videos, in denen Schränke eine mehr oder weniger skurrile Rolle spielen. Für die Bandmitglieder von The Cure wird ein ziemlich hässlicher brauner Wandschrank beinahe zum Verhängnis. Im Musikvideo zu »Close to me« (1985) sitzen sie dort fest, musizieren mit Haarkämmen und spielen mit Puppen. Irgendwann wird es zu heftig und der Schrank fällt von der Klippe, auf der er steht, ins Meer. Äußerst dramatisch, so scheint es. Doch nutzen die drei Eingeschlossenen das einsickernde Wasser, um eine gelbe Gummiente schwimmen zu lassen. Endzeithochstimmung könnte man dies nennen. Und irgendwie passend in dieser Schau, die seltsam und außergewöhnlich zugleich ist.

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