Daniel Canogar – Internationaler Star der Medienkunst wird 60. Internationale Projekte und Ausstellungen würdigen das Ausnahme-Talent

Gegen seinen berühmten Vater, den informellen Maler Spaniens, Rafael Canogar (* 17. Mai 1935 in Toledo), musste er schon früh rebellieren, um seinen Weg in die heutige Medienkunst zu finden. Im Alter von 60 Jahren ist er dort angekommen, wo der jüngst verstorbene langjährige Leiter des Karlsruher Zentrums für Kunst und Medien (ZKM), Peter Weibel, ihn bereits früh sah. Nämlich in den bedeutenden internationalen Museen, Galerien und auf den großen Kunstmessen, wie zuletzt auf der Arco in Madrid mit seiner Galerie Anita Beckers aus Frankfurt, die ihm noch bis zum 6. April mit „At any given hour“ in ihren Räumen am Frankfurter Römer eine vielbachtete Solo-Präsentation ausrichtet. Der internationale Kunstkritiker Sebastian C. Strenger warf einen Blick in die ungewöhnliche Ausstellung und sprach mit dem Künstler am Rande der Arco in seiner Heimat Madrid über die Inhalte seiner Arbeit.

Der Künstler Daniel Canogar in der Ausstellung „At any given hour“ bei Anita Beckers. Copyright: SCS Bildarchiv, Berlin
Der Künstler Daniel Canogar in der Ausstellung „At any given hour“ bei Anita Beckers. Copyright: SCS Bildarchiv, Berlin

Geht man durch die hohen Galerieräume bei Anita Beckers, entdeckt man vier generative Kunstwerke, die sich in Echtzeit entwickeln. Wie der Künstler sagt, „erforscht die Ausstellung Dichotomien von Gegenwart und Vergangenheit, Stillstand und Bewegung und damit verkörpern die Werke auch die Natur von Transformation und Informationsverarbeitung“. In einem farbenfrohen Zusammenspiel digitaler Pinselstriche untersucht „At Any Given Hour“ die heutige schnelllebige Realität und regt dazu an, sich mit den komplexen Rhythmen zu beschäftigen, die unsere täglichen Erfahrungen bestimmen. Hinter allen gezeigten Kunstwerken steht eine Vielzahl von maßgeschneiderten Algorithmen, die Daten aus verschiedenen Quellen auswählen und sie als dynamische Kompositionen auf leuchtenden Bildschirmen neu interpretieren. Diese Verschmelzung verwandelt die Daten in Objekte der Betrachtung und regt gleichzeitig zum Nachdenken über aktuelle politische und künstlerische Debatten an.

Die Rothko-Chapel bei Anita Beckers in Frankfurt durch Daneil Canogar installiert. Copyright: SCS Bildarchiv, Berlin
Die Rothko-Chapel bei Anita Beckers in Frankfurt durch Daneil Canogar installiert. Copyright: SCS Bildarchiv, Berlin

Innerhalb des Ausstellungsraums gibt es zwei Werkblöcke. Auf der einen Seite erkundet Daniel Canogar mit Effulgence und Wayward das Erbe der Künstler des 20. Jahrhunderts aus einer digitalen Perspektive. Effulgence ist ein generatives Projekt, das abstrakte Kompositionen schafft, die an die Gemälde eines der bedeutendsten Vertreter der New York School erinnern: Mark Rothko. Hier installativ präsentiert als Analogie zur Dauerpräsentation mit Gemälden des Meisters in der Tate Modern in London. Bei Beckers wird die Arbeit in Form einer kontemplativen Installation im Raum zeitgemäß mit drei Bildschirmen präsentiert. Dem gegenüber ist Wayward inspiriert von den Künstlern der Nachkriegszeit, die begannen, Pressefotos zu verwenden, wie Andy Warhol, Martha Rosler, Robert Rauschenberg und Wolf Vostell. Auf dem Bildschirm des Kunstwerks werden Bilder aus den tagesaktuellen Nachrichten mit visuellen Effekten digital bearbeitet, die an analoge und fotochemische Techniken der Vergangenheit erinnern. Beide Projekte setzen auf Fluidität und Transmutationen, verweben Striche aus vergangenen Zeiten, verwandeln Pigment in Pixel und laden den Betrachter zu einer digitalen Synthese aus Tradition und Innovation ein.

Unverkennbarer Einfluss von Rothko auf den Spanier Daniel Canogar durch seine Arbeit Effulgence. Copyright: SCS Bildarchiv, Berlin
Unverkennbarer Einfluss von Rothko auf den Spanier Daniel Canogar durch seine Arbeit Effulgence. Copyright: SCS Bildarchiv, Berlin

Als Beispiel eines zweiten Werkblocks erforscht Phloem die deutsche Energielandschaft, indem es Echtzeitinformationen über die Stromerzeugung des Landes nutzt, um ein sich ständig veränderndes digitales Textil zu schaffen. Ein weiteres Beispiel ist Túnica 2 und ist ein generatives digitales Gewebe, das die Namen verstorbener zeitgenössischer Künstler verwebt, inspiriert von Bestattungstüchern aus der präkolumbianischen Kultur. Dieses Kunstwerk ist eine Hommage an die enge Beziehung zwischen Informationstechnologie und Textilien, beginnend mit dem Jacquard-Webstuhl im frühen 19. Jahrhundert, der von vielen Historikern als der erste Computer angesehen wird. Dieses Werk, das sowohl die künstlerische Tradition als auch den technologischen Fortschritt erforscht, dient als Brücke zwischen den verschiedenen Bereichen der Ausstellung. Zusammenfassend besteht „At Any Given Hour" aus einer Auswahl von Werken, die in den vergangenen zwei Jahren des Schaffens des Künstlers entstanden sind und seine persönliche Sicht auf den Status Quo der Welt im Umgang mit geopolitischen Themen darstellt.

Daniel Canogar wurde 1964 in Madrid als Sohn einer amerikanischen Mutter und eines spanischen Vaters geboren. Sein Leben und seine Karriere verliefen von jeher zwischen Spanien und den USA. Obschon die Fotografie das erste Medium seiner Wahl war und er 1990 am International Center of Photography der New York University (NYU) einen Master of Arts machte, interessierte er sich schon bald für die Möglichkeiten des projizierten Bildes und der Installationskunst. Es war die Zeit einer technologischen Revolution vom Analogen ins Digitale und durch die Einführung des massenhaften Internets im Jahre 1993 nahm seine Karriere an Fahrt auf.

Túnica 2 und ist ein generatives digitales Gewebe von Daniel Canogar mit Namen verstorbener zeitgenössischer Künstler. Copyright:  SCS Bildarchiv, Berlin
Túnica 2 und ist ein generatives digitales Gewebe von Daniel Canogar mit Namen verstorbener zeitgenössischer Künstler. Copyright: SCS Bildarchiv, Berlin

In der heutigen Medienkunst zählt der Künstler mit seinen weltweiten Großprojekten zu den Künstler:innen der Superlative. Zu seinen permanente Kunstinstallationen mit LED-Bildschirmen zählt mit Pulsation sein erstes digitales Kunstwerk für den Außenbereich, das speziell für das Serena-Williams-Gebäude am Nike-Hauptsitz (Oregon, 2023) geschaffen wurde. Mit Brushstrokes erschuf er in 2022 mit seinem 10-köpfigen Team ein permanentes LED-Bildschirmkunstwerk für die Lobby des neuen DeKa-Bank-Hauptsitzes in Frankfurt. Soeben präsentiert sich der Künstler mit großem Auftritt in seiner Heimatstadt Madrid auf der diesjährigen Kunstmesse Arco. Zuletzt hatte er für den spanischen Pavillon auf der Expo Dubai 2020/21 sein ortsspezifisches audiovisuelles Projekt Dynamo realsisiert. Weitere Großprojekte waren Currents, ein hängendes Kunstwerk im Atrium der renovierten Evangelischen Bank (Kassel, 2020); Aqueous, bei The Sobrato Organization im Mountain View in Kalifornien (2019); Pulse, im Zachry Engineering Education Complex der Texas A&M University (2018); sowie Cannula, Xylem und Gust II in der BBVA Bank Headquarters in Madrid (2018) sowie Tendril, im Tampa International Airport in Florida (2017).

Blick in die Ausstellung mit digitalen Kunstwerken (Wayward lks.) und Malerei von Daniel Canogar. Copyright:  SCS Bildarchiv, Berlin
Blick in die Ausstellung mit digitalen Kunstwerken (Wayward lks.) und Malerei von Daniel Canogar. Copyright: SCS Bildarchiv, Berlin

Öffentlich monumentale Kunstwerke in verschiedenen Medien schuf er ebenso, wie Scrawl, ein generatives Kunstwerk, das auf die Fassade des Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía (Madrid, 2023) projiziert wird oder mit Amalgama El Prado (2019), generative Videos, die auf die Fassaden der Phillips Collection in Washington und dem Museo Nacional del Prado in Madrid projiziert wurden und mit den Gemäldesammlungen beider Institutionen entwickelt wurden. Aber es war auch bereits 2010 das größte Fotomosaik Europas, das für zwei Fußgängerbrücken über den Manzanares-Fluss im Rio-Park von Madrid geschaffen wurde (2010) und Asalto, eine Reihe von Videoprojektionen, die auf verschiedene symbolträchtige Monumente wie die Arcos de Lapa (Rio de Janeiro, 2009), die Puerta de Alcalá (Madrid, 2009) und die Kirche San Pietro in Montorio (Rom, 2009) projiziert wurden, denen sich der Künstler mit Sitz in Los Angeles gewidmet hat und zu dessen Serie auch Storming Times Square, das auf siebenundvierzig LED-Plakatwänden am New Yorker Times Square (2014) zu sehen war.
Seit 2010 ist Daniel Canogar außerordentlicher Professor am Architekturprogramm der Universität IE in Madrid. Er unterrichtet und erforscht die dynamische Überschneidung von Architektur, Technologie und künstlerischer Innovation. Er ist zudem tätig an der Universität von Navarra im spanischen Pamplona sowie der Kunstfakultät der Francisco Victoria Universität in Madrid. Der Künstler wird am 22. September 60 Jahre alt.

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