Ausstellungsbesprechungen

David Shrigley – Lose Your Mind, Centre of Contemporary Art Christchurch, bis 28. Mai 2017

David Shrigley ist bekannt für seine Cartoons, schafft aber auch seit einigen Jahren Installationen und Skulpturen, die seinen schwarzen Humor mindestens ebenso gut ins Bild setzen wie seine Zeichnungen. So persifliert er schon einmal das Schaffen des Gegenwartskünstlers oder zeigt einen kopflosen Vogel Strauß. Berenike Knoblich hat sich in Christchurch seine Werke genauer angesehen.

Der britische Künstler und 2013 für den Turner-Preis nominierte David Shrigley ist für seinen besonderen, oft schwarzen, britischen Humor bekannt. Seit vergangenem September ziert ein riesiger erhobener Daumen die vierte Plinthe vor der Londoner National Gallery auf dem Trafalgar Square: »Really Good« als ein Zeichen des Optimismus.

Seit Februar 2016 wiederum tourt die Wanderausstellung »David Shrigley: Lose Your Mind« des British Council durch die Welt. Bevor sie nach Neuseeland gekommen ist, wurde sie bereits in Mexico, Chile und Südkorea gezeigt. Christchurch ist nun die letzte Station dieser Ausstellung und kommt bei den Besuchern bisher sehr gut an. Eines der beliebtesten Werke ist dabei »The Artist« von 2014: Hierbei handelt es sich um einen batteriebetriebenen Kopf mit Perücke und zwei Filzstiften in den Nasenlöchern. Dieser körperlose Künstler fährt scheinbar planlos auf einer Leinwand umher und zieht so seine farbigen Linien und Kreise. Diese ergeben nach einer gewissen Zeit verschiedene Muster in unterschiedlichen Farben. Auch wenn dieser Roboter-Künstler im ersten Moment etwas skurril erscheinen mag, lassen sich doch schnell Bezüge zur Realität finden, selbst wenn keine Hände, sondern nur der Kopf als Sitz der Ideen zu sehen ist. Diese Art des automatischen Malens erinnert an die Methoden des Surrealismus, selbst wenn der Roboter in diesem Fall keine spontane Kunst zustande bringt. Sie erinnert aber auch an das stetige Arbeiten eines Workaholic, der erst dann zur Ruhe kommt, wenn die Batterien leer sind. Der ein oder andere erkennt in »The Artist« vielleicht auch den Künstler selbst, schließlich ist er für seine ruhelose Produktion im eigenen Studio bekannt. Doch im Grunde bleibt der Besucher auch mit der Frage zurück, wer hier der eigentliche Künstler ist – »The Artist« kann doch genauso gut malen wie Shrigley.

Wer Shrigleys Kunst kennt, weiß, dass er eine Affinität zu ausgestopften Tieren hat. Auch wenn er inzwischen einen Hund hat und seitdem keine Lebewesen mehr präpariert, werden diese Werke nach wie vor gerne ausgestellt und mit ihm in Verbindung gebracht. Im CoCA sieht man sich in der Ersten Etage einem riesengroßen ausgestopften Vogelstrauß aus dem Jahr 2009 gegenüber. Er ist das größte Tier, das Shrigley je präpariert hat. Dem Strauß fehlt allerdings der Kopf und das unterscheidet ihn von jenen Präparaten, die in Naturkundemuseen ausgestellt werden. Immerhin könnte das Tier seinen Kopf nicht einmal in den Sand stecken! Aufgeben ist also keine Option? Shrigley weiß um die Eigenartigkeit ausgestopfter Tiere und lässt den Besucher in amüsanter Weise über Leben und Tod nachdenken. Der präparierte Strauß spricht für sich – selbst ohne Kopf. Hier hat schon jemand seinen Verstand verloren und bildet damit das Herzstück der Schau.

Ein weiteres Werk, bei dem man sich fragen kann wer hier eigentlich der Künstler ist bzw. war, heißt »The Spectre« (dt. der Geist) von 2014. Der Titel verweist auf eine geheimnisvolle Skulptur, die nicht mehr existiert und demnach nicht mehr ausgestellt werden kann. Das Werk wurde 2014 in der Münchner Pinakothek der Moderne in einem abgeschlossenem Raum für 10 Tage vor der Eröffnung ausgestellt, allerdings nur für geladene Gäste. Es war Shrigleys erste Einzelausstellung in Deutschland. Er lud 100 Personen ein – Kinder, Erwachsene, darunter auch Künstler – um Zeichnungen von dieser Skulptur zu entwerfen. Das Werk selbst durfte nicht fotografiert werden und wurde nach dieser Zeichenrunde zerstört. Geblieben sind lediglich 298 Zeichnungen, die unterschiedlicher nicht sein können und dokumentieren, was die Beteiligten gesehen haben. Wer sich »The Spectre« im CoCA ansieht, wird also eine leerstehende Plinthe entdecken, sowie die zahlreichen Abbildungen an den Wänden, die auf das ursprüngliche skulpturale Werk verweisen. Alle im DIN-A2-Format, bunt, schwarz-weiß, mit Kreiden oder Aquarellfarben gestaltet. Shrigley ist an Prozessen interessiert, nicht daran, Kunst zu einer Art Manifest zu machen. Genau deshalb wurde er 2013 für das Werk »Life Model« für den Turner Preis nominiert. Er schuf dafür eine Installation eines nackten Mannes, dessen Körper wahrlich unproportioniert gestaltet war. Wie ein Jahr später in München, lud er Personen ein, die diese Figur abmalen sollten und deren Zeichnungen später in der Ausstellung zu sehen waren. Shrigley ging es dabei auch um den Fakt, dass viele Menschen nicht malen oder zeichnen, weil sie Angst davor haben, dass das Endergebnis nicht der Vorlage entspricht. Ihn habe das nie aufgehalten Kunst zu machen und er ist selbst davon überzeugt, dass er immer noch wie Sechsjähriger malt. Und was sieht der Besucher nun auf den Blättern in der Wanderausstellung? Es sind die Abbilder eines Skeletts, das nicht mehr existiert.

Nachdem er sein Studium der Kunst abgeschlossen hatte, überlegte Shrigley Comiczeichner zu werden. Das CoCA zeigt in dieser Schau unzählige solcher Comiczeichnungen, die der Künstler zwischen 2004 und 2010 anfertigte. Sie werden unter dem Titel »Untitled Drawings« zusammengefasst und verkörpern eine Gemengelage aus Zynismus, sehr schwarzem Humor, Feststellungen und Erklärungen des Alltags. Eine Maus, die einer Katze dankt nicht von ihr gefressen zu werden oder ein Abbild des schiefen Turms von Pisa mit der Unterschrift: It’s okay. Wer auf diese Art von witzigen Lebensbeschreibungen steht, sollte sich die Ausstellung auf keinen Fall entgehen lassen. Und wer es bis zum 28. Mai nicht nach Christchurch schafft, dem sei zumindest Shrigleys Buch »Weak Messages Create Bad Siuations« empfohlen, das einige solcher großartigen, lebenserklärenden Zeichnungen beinhaltet.

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