Ausstellungsbesprechungen

f/stop. 6. Festival für Fotografie Leipzig, Spinnerei Leipzig, bis 15. Juni 2014

Mit dem Thema »Get lucky!« widmet sich das Festival den Versprechungen von Glück in der Leistungsgesellschaft und untersucht, wie diese in der zeitgenössischen Fotografie sichtbar gemacht werden. Was Würstchen damit zu tun haben, weiß Rowena Fuß.

Seit der Travestiekünstler Conchita Wurst den Eurovision Song Contest 2014 gewonnen hat, scheint es nur noch um dieselbige zu gehen. So auch auf dem diesjährigen Fotografiefestival. »Sausage Power« nannte Beni Bischof seine Fotoprints von Magazincovern, die er mit Bockwürsten oder seinen Wurstfingern garniert hat. Sie durchstechen die Augen von Kate Moss oder popeln sich durch die Nase der Schauspielerin Scarlett Johansson – immer beobachtet von der Psychokatze mit fünf Augen in der Mitte der wandübergreifenden Bildcollage.

Das Thema Essen bleibt auch weiterhin interessant. Denn nur wenige Schritte von der »Sausage Power« sehen wir in Halle 12 extra cremige Aufnahmen aus der Schokoladenproduktion. Und Gérard Depardieu wetzt in Halle 14 auch schon die Messer. Der französische Schauspieler und Neu-Russe ist bekanntlich bekennender Hobby-Koch. Da muss man natürlich schnell mit seinem Roller über Feldwege zum Bauern des Vertrauens flitzen, um so ein gutes Stück Rindfleisch zu ergattern, wie es ein paar Aufnahmen weiter vor ihm liegt. Ob Depardieu daraus schließlich Steaks oder Suppe gemacht hat, wird jedoch nicht geklärt.

Essen macht glücklich. Diese Binsenweisheit spiegelt auf genüssliche Weise das diesjährige Thema des Festivals: »Get lucky!« Insgesamt präsentieren 45 Fotografen und Künstler ihre Arbeiten über die Verheißungen und Tyrannei des Glücks. Besonders hintergründig ist dabei Florian van Roekel. Dieser zeigt zahlreiche Aufnahmen aus dem Büroalltag. Der Amsterdamer Fotograf hat dafür 15 Monate lang den Alltag niederländischer Angestellter in fünf verschiedenen Unternehmen dokumentiert. Die zahlreichen Nahaufnahmen Einzelner scheinen sie klassifizieren zu wollen. Neben sie treten schablonenhafte Detailaufnahmen der Büroeinrichtung, die den ansonsten anonymen Mikrokosmos auch zu einem Ort macht, in dem menschliches Miteinander stattfindet. Ob »How Terry likes his Coffee« jedoch den Weg zum persönlichen Glück skizziert oder eher in die andere Richtung weist, darf der Betrachter natürlich selbst entscheiden. Co-Kurator Thilo Scheffler würde sich jedenfalls über spannende Diskussionen freuen.

Wie sehr Arbeit und Glück aneinander gekoppelt sind, zeigt auch Sebastian Komnick auf dem Billboard außerhalb der Halle 12. Dort sitzen syrische Tagelöhner an einem Kreisverkehr und warten darauf, dass ihnen jemand eine Beschäftigung anbietet. Sechs Monate lang hat er sie bei dieser Tätigkeit fotografiert, sagte Komnick.

Bleiben zuletzt Newtons Big Nudes in der Verkleidung von Sturmtruppen Darth Vaders. Nein, eigentlich sind es ein paar Models, die Daniel Josefsohn auf dieselbe Weise inszeniert hat. Der bekannte Werbe- und Magazinfotograf provoziert damit natürlich. Die bei Helmut Newton als Schild eingesetzte Nacktheit der Models, von der man einfach abprallt, wird bei Josefsohns »Lieber Helmut, lieber Daniel, ich wollte auch mal mit der Eisenbahn spielen« noch um einen zusätzlichen Helm erweitert. Das ist natürlich lustig, aber wie passt das zum Festivalthema? Antwort: Einfach dadurch, dass Humor zum Glücksichsein dazugehört. Machen Sie sich selbst ein Bild, der Besuch lohnt sich!

Weitere Informationen

Neben insgesamt fünf Ausstellungen auf dem Gelände der Leipziger Baumwollspinnerei zeigen die dort ansässigen Galerien und neun f/stop Satelliten im gesamten Leipziger Stadtraum Ausstellungen zum Festivalthema.

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