Ausstellungsbesprechungen

Gefeiert und verspottet. Französische Malerei 1820-1880, Kunsthaus Zürich, bis 28. Januar 2018

Wer im Pariser Salon ausstellen durfte wurde gefeiert, wer nicht verspottet. Schnell ging es um Salonmaler vs. Realisten vs. Impressionisten. Viele Künstler sind heute wieder vergessen. Den ins Abseits Geratenen widmet sich nun die Zürcher Schau. Mit Erfolg. Eine Kontroverse fehlt trotzdem, findet Rowena Schubert-Fuß.

Bis 1880 bestimmte der staatlich organisierte Salon de Paris, was Kunst war und was nicht. Eine ausgewählte Jury entschied über Annahme oder Ablehnung eingereichter Werke. Bevorzugt wurden Paul Delaroche, Thomas Couture, Ernest Meissonier, Alexandre Cabanel, Jean-Léon Gérôme, Eugène Giraud oder William Adolphe Bouguereau. Heutige Größen wie Monet, Manet, Degas, Courbet oder Delacroix waren eine Randerscheinung. Ihre Kritiker haben sie dennoch überlebt. Ob sich Albert Wolff deswegen unruhig in seinem Grab wälzt? Man hat zumindest noch nichts dergleichen gehört.

Insgesamt etwa 100 Werke von 57 französischen Künstlern setzen in Zürich den Neuanfang ins Bild, den Siegeszug der modernen, anti-akademischen Malerei nämlich. Die klare Gliederung und eine spezielle Hängung der Gemälde machen komplexe Bezüge sichtbar.

Zuerst steht das Ranking der Gattungen im Fokus (Historie, Porträt, Genre, Landschaft, Stillleben). So löste Meissoniers Darstellung eines Frankreichfeldzugs Napoleons bei der Jury des Salons von 1864 große Erregung wegen seiner geringen Größe aus. Man muss sich vorstellen, dass eine solche Szene üblicherweise auf 3 x 5 Meter gemalt wurde, nicht auf 43,5 x 76 Zentimetern.

Doch betrifft der sich abzeichnende Bruch nicht nur die Maße der Werke. Dem Primat der Farbe kommt nun die entscheidende Bedeutung zu. Vorreiter ist Delacroix. Im Orient, der seit Napoleons Ägyptenfeldzug wieder verstärkt ins Blickfeld der Künstler rückt, lernt der Franzose die Besonderheiten und Herausforderungen des grellen Sonnenlichts kennen. Seine Basar- und Straßenbilder lassen wunderbar erahnen, wo die Entwicklung hingehen wird. Denn schon steht man bei den Malern von Barbizon im Wäldchen von Fontainebleau. Ganz unscheinbare Motive wählten sie für ihre Bilder. Ganz nah rückt ein Baumstumpf bei Théodore Rousseau an den Betrachter heran. Wie abgebrochen steht er in der wüsten Ödnis der umgebenden Berglandschaft.

Unweit hängen ein wilder Gebirgsbach vor dem Hintergrund eines dräuenden Gewitters und ein überfluteter Bergweg, wo der dynamische, pastose Farbauftrag dazu führt, dass man als Betrachter Angst hat, sich am braunen hochspritzenden Matsch schmutzig zu machen. Drip Painting avant la lettre. Ruhiger wird es dann bei Charles-François Daubigny. Unter einem tiefen Horizont, der an die alten Niederländer angelehnt ist, fließt die Oise friedlich dahin. Es ist früh am Morgen, der Himmel zeigt noch eine zarte Röte, die Vögel zwitschern.

Skandalös ist anders, möchte man meinen. Und doch sorgt einer immer wieder für Aufsehen. Gustave Courbet, der Parvenu vom Lande, organisierte 1855 auf eine Zurückweisung hin seinen eigenen »Salon«, ließ mit seinen Steineklopfern 1849 nicht nur die soziale Frage in ein Bild einfließen, sondern zeigte 1866 auch ganz unverhohlen eine Nahansicht des weiblichen Geschlechts. Kritiker, Salonjury und Öffentlichkeit waren in Aufruhr. Für nachfolgende Künstler wie auch Ausstellungsbesucher ist aber dann doch etwas Anderes interessant. Je nachdem, wo er den Blick hinlenken will, malte Courbet natürliche Schranken wie etwa Felswände, die unser Auge auf den Vordergrund richten, wo etwa ein Ruderboot inmitten des Flusses dümpelt. Durch die verschiedenen Farbnuancen des Wassers und Schattenverläufen der Wand sowie überhängender Äste von Bäumen am Ufer des »Oraguay-Felsen, Tal bei Maisières, Doubs« hätte man dies beinahe übersehen. Mit einem Spachtel hat er hingegen die rohe Kraft des Wassers in »Die Quelle der Loue« (1863) dargestellt. Karikaturisten verspotteten ihn in Zeitschriften wie Le Charivari daraufhin als Maler mit der Maurerkelle.

Apropos. In Paris wie auch andernorts fanden zu der Zeit ganz reelle Abbrucharbeiten statt. Sie sollten die hygienischen Zustände verbessern sowie eine moderne Infrastruktur schaffen. Dies fand natürlich seinen Niederschlag in der bildenden Kunst. Besonders interessant ist die Trias aus Caillebotte, Stevens und Giraud. Während Alfred Stevens eine von der Polizei eskortierte Bettlerfamilie zeigt, hat sich Caillebotte dem Thema Eisenbahn und Prostitution an Bahnhöfen gewidmet – ganz versteckt, natürlich. Wer würde den im hellen Sonnenschein spazierenden Flaneuren auf der Eisenbahnbrücke schon Frivolitäten unterstellen? Diese sind wiederum bei Eugène Giraud Zentrum der fröhlich feiernden Schar eines Maskenballs.

Ist nun am Ende alles gut? Kritiker und Kritisierte ausgesöhnt? Jein. Es ist schwierig den Streit um die moderne Malerei nachzuvollziehen. Man klebt in Zürich zu sehr am Historischen. Ein aktueller Bezug in Form einer Diskussionsreihe wäre belebend gewesen. Wie sehen beispielsweise zeitgenössische Künstler Kritik von Seiten der Museen, Presse etc.? Was halten sie von Jurys bzw. vice versa?

Weitere Informationen
Der Katalog zur Ausstellung macht als Souvenir etwas her. Er bündelt in vier Essays die Geschichte des Salons, den Niedergang der Gattungshierarchien und beschreibt malerische Neuentwicklungen. Großformatige Abbildungen sämtlicher Werke und Biografien aller Künstler runden die Darstellung ab.

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