Ausstellungsbesprechungen

Giorgio Morandi. Landschaft

Gegensätze ziehen sich an, weiß der Volksmund – warum auch nicht in der Kunst. Und über den Gemeinplatz hinausgehend muss man immer wieder betonen – etwa gegenüber denjenigen, die in der modernen Kunst den Untergang des Abendlandes sehen –: Nie war die Kunst vielfältiger, facettenreicher als im 20. Jahrhundert.

Als ginge es darum, die Probe aufs Exempel zu machen, ließen die Ausstellungsmacher von Bottrop und Bologna die Werke der Künstler Josef Albers (1888–1976) und Giorgio Morandi (1890–1964) in einen Dialog treten. Zu diesem Zweck präsentiert das Museo Morandi eine Albers-Schau, während das Josef-Albers-Museum Morandi zeigt, jeweils mit der Möglichkeit, beide so extremen wie extrem gegensätzlichen Werke aufeinander zu beziehen – und siehe da: zumindest in der Maxime »Weniger ist mehr« treffen sich der gegenständlich und der geometrisch-abstrakt (oder besser konkret) arbeitende Künstler. Morandis Arbeiten faszinieren in ihrer Reduktion auf das Wesentliche – zumal die Stillleben aus Flaschen, Kannen, Teller und anderen Gefäßen haben eine tief philosophische, existenzialistische Symbolik. Albers’ Werk stellt nicht minder faszinierend die Kunst in den Dienst der reinen, rationalen Mathematik. Huldigung des Gegenstandes in metaphysischer Vergeistigung auf der einen, Huldigung an das Quadrat und den dahinter stehenden Geist selber auf der anderen Seite. Nicht mehr, nicht weniger…

Diese museale Liaison gibt tiefe Einblicke in künstlerische Prozesse am spannendsten Rande des Leeren, wo die Nuance den Zugang zu einer ganzen Welt öffnet. Das allerdings ist noch nicht einmal das primäre Ziel der Bottroper Morandi-Ausstellung. Erstmals in Deutschland wird der Meister der einfachen Dinge in einer solchen Breite als Landschaftsmaler vorgestellt. Die 120 Gemälde, Aquarelle, Radierungen und Zeichnungen verzichten zwar nicht auf Morandis einzigartigen Stillleben, doch demonstrieren auch die Landschaften, dass die Sprache des italienischen Malers nach seinen eigenen Worten von »Formen, Farben, dem Raum und dem Licht« bestimmt wurde – nicht anders übrigens bei Josef Albers. Hierin erweist sich Morandi als Bruder im Geiste Paul Cézannes.

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Giorgio Morandi führte ein mönchisch zurückgezogenes Leben. So wie ihm die Gefäße in der eigenen Wohnung genügten, reichte ihm auch der Blick aus dem Fenster auf die Umgebung im Bergdörfchen Grizzana, das er im Sommer kaum verließ, wenn er nicht gerade in seiner Heimatstadt Bologna zu tun hatte. Aber er wollte ohnehin keine Landschaft »entdecken« oder nachzeichnen. Oft genug versperren fensterlose Hauswände die freie Sicht, die Architektur scheint weniger in die Natur integriert als eine Art Gefäß dieser – nach außen gestülpten – Natur zu sein: unzugänglich, fremd, zumeist mit dem unspektakulären Titel »Paessaggio« (parallel zu »Natura Morte«). Die Schemenhaftigkeit der tonig, fast monotonig gehaltenen Landschaften reflektieren den platonischen Schein der Wirklichkeit (Morandi: »Nichts ist realer als der Schein«), eröffnen einen Grad von Abstraktion, der zumindest denkbar fern von einer bloß abbildhaften Realität ist, ohne die Sachlichkeit zu verleugnen. »Ich glaube«, so Morandi, »dass nichts abstrakter, unwirklicher sein kann als das, was wir tatsächlich sehen.« Mehr noch als in den Gemälden, die in ihrer Entwicklung an Sprödigkeit zunehmen, wagte sich der Künstler in seinen Aquarellen an die abstrakte Kunst heran – sie nähern sich gelegentlich dem Werk Bissiers an. Die Zeichnung schließlich setzt das Bildprogramm mit einer ungeheuren Sensibilität um, die je nach Zugang Landschaft sinnlich erfahrbar macht oder ein abstraktes Zeichen davon setzt.

Das poetisch schöne Werk Giorgio Morandis wird von einem sehr ansprechenden Ausstellungskatalog begleitet (unter dem Vorbehalt, dass Morandis sparsame Farbigkeit nur schwer reproduzierbar ist). Er informiert umfänglich über die jeweiligen Gattungen, in denen sich der Maler mit der Landschaft auseinandersetzt.

 

 

Weitere Informationen

 

Öffnungszeiten
Dienstag–Sonntag 10–18 Uhr

Eintritt (nur Wechselausstellung)
Erwachsene  6,- EUR / Ermäßigt  3,- EUR

Führungen

Sonntags 11.30 Uhr

Führungen für Schulklassen
Informationen über Dr. Ulrike Growe (Tel. 02041-996-808)

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