Was hat eine Mohnblüte mit der Parole „Go West“ zu tun? Eigentlich nichts. Sabine Brand Scheffel richtet sich mit ihrem Beitrag nicht nach dem Motto das die Künstlergruppe „Kunst an der Plakatwand“ für ihre Ausstellung gewählt hat.
Vielmehr bezieht sie sich direkt auf den Ausstellungsort unter freiem Himmel, die grüne Wiese der Hildapromenade. Die natürlichen Farben des langgezogenen Grünstreifens, der als Ausstellungsareal dient, sollen in ihr Bild hinein getragen werden und es harmonisch umfangen.
Ihre Wirkung entfaltet die Arbeit der Künstlerin erst auf die Entfernung. Das Bild wird durch die riesige rote Fläche einer Blüte dominiert, die sich leuchtend von einem hellgrünen Untergrund abhebt und von den Seitenrändern der Plakatwand angeschnitten wird. Ihre Konturen sind teilweise aufgebrochen und unscharf. Die strahlende Kraft des Rotes bündelt sich in einem fast schwarzen Bereich am rechten unteren Bildrand, der das Herz einer Mohnblüte darstellt. Gleichzeitig scheint es, als würde sich die rote Fläche von diesem Punkt aus mit der eruptiven Gewalt eines Vulkanausbruches ausdehnen. Der bewusst ausschnitthafte Charakter verstärkt die Monumentalität der dargestellten Pflanze. Sie wirkt wie ein nahsichtiges Detail aus einer weiten, vom Wind sanft bewegten Wiese. Die Vielzahl der Rottöne ruft den Eindruck von Räumlichkeit und Plastizität hervor.
Trotz der Reduzierung auf Wesentliches und der monumentalen Vergrößerung erkennt der Betrachter sehr schnell das florale Sujet. Sabine Brand Scheffel überlässt es allerdings der freien Assoziation, was wir mit dem dargestellten Motiv verbinden möchten.
Tritt man näher an das Gemälde heran und erreicht den Abstand, den die Künstlerin während seiner Entstehung dazu einnahm, erschließt sich eine Welt der abstrakten Farbflächen und Strukturen. Auch lassen sich Aspekte des Malprozesses erahnen. Sabine Brand Scheffel verwendet hauptsächlich verdünnte Acrylfarbe, die sie in vielen sich überlagernden Schichten aus großen Eimern über die am Boden liegende Plakatwand gießt. Der zuvor blendend weiß vorbehandelte Untergrund lässt die Farben in ihrer stärksten Leuchtkraft erstrahlen. Dabei erscheinen die Schichten trotz ihrer Deckkraft oft leicht und fast transparent. Auffällig ist der stark bewegte Pinselduktus, mit dem die Farbströme gelenkt werden und einzelne Elemente eine stärkere Gewichtung erhalten. Farbspritzer und ausgefranste Konturen zeugen von einer dynamischen Gestik. Die Arbeit auf dem Boden ermöglicht es der Künstlerin, mehr Abstand vom Motiv zu nehmen.
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Ohne Zweifel weist das Bild einen hohen Grad an Abstraktion auf. Trotzdem ist die Malerei Sabine Brand Scheffels gegenständlich und ist somit ihren künstlerischen Wurzeln treu geblieben. Sie studierte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe bei Peter Dreher, dessen Malerei sie besonders in seiner Glas-Serie „Tag um Tag ist guter Tag“ bewunderte.