Porträts

Kunst gegen Kommerz

Die Karlsruher Künstler der Initiative „Kunst an der Plakatwand“ wollen zur unvermittelten Kunstbegegnung animieren und treten dabei in den wagemutigen Wettstreit zu Werbebotschaften.

Ihre Methode ist außergewöhnlich, denn in direkter Nachbarschaft zu großformatigen Reklameplakaten stellten die Mitglieder dieser Gemeinschaft von 1988 an ihre künstlerischen Werke zur Schau – ohne jene Privilegien, die Kunstwerken in Museen zuteil werden. In der Intention der Künstler liegt es dabei, innerhalb der mit Bildern überladenen Städte einen Kontrapunkt zur Konsumstimulierung zu setzen.

Mit ihrer großformatigen Präsenz im Stadtbild will „Kunst an der Plakatwand“ im öffentlichen Dialog mit dem Betrachter die Hemmschwelle zur Auseinandersetzung mit Kunst senken. Es soll ein Anreiz zum Verweilen geschaffen werden, die Klischees der Werbestrategien werden konterkariert. In dieser Konstellation holen die Künstler ihre Kunst bewusst „vom Sockel“, um Teil im Alltag des Publikums zu werden. Die Werke sind äußerst unterschiedlich, gemeinsam ist ihnen aber – außer dem identischen Format – die ungewöhnliche Präsentationsstätte: ungeschützt unter freiem Himmel am Straßenrand.

Die inzwischen siebzehnjährige Geschichte dieses Projekts beginnt in Karlsruhe-Neureut, am Wohnort der Malerin Angela Junk-Eichhorn. In unmittelbarer Nachbarschaft ihres Hauses existierten zwei großformatige Plakatwände. Die profanen Werbeslogans ständig vor Augen, reifte in der Künstlerin der Wunsch, eine der kommerziell eingesetzten Stellwände für die Präsentation von Kunst zu nutzen. Nach Verhandlungen mit Ortschaftsrat und Werbeagentur einigte man sich darauf, Kunst und Plakatwerbung in Dialog zu einander zu setzen. Die erste Kunstwand stammte von der Karlsruher Malerin Eva Schaeuble und trug den Titel „Gar schöne Spiele spiel’ ich mit dir!“. In regelmäßigen Abständen von sechs Monaten folgten Vernissagen für neue Werke.

Die Gruppe bildete sich zunächst aus Künstlern, die sich seit der gemeinsamen Studienzeit an der Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe kannten. Heute beteiligen sich – auf Einladung der Gruppe – auch Künstler aus dem Ausland an der Ausstellungsfolge. Das beschauliche Neureut ist nach wie vor Angelpunkt des Projekts geblieben, denn die Gestaltung dieser „Pilotwand“ kommt einer Art Aufnahmeprüfung zur Integration gleich. Jedes Bild wurde zusammen mit dem jeweiligen Reklamependant dokumentiert. Inzwischen ist die kommerziell genutzte Wand allerdings aus ökonomischen Gründen entfernt worden.

Mittlerweile tourten die Plakatwände durch Europa – mehrere Wände waren zum Beispiel in Paris, Oxford und Prag zu sehen. Dank Mundpropaganda und persönlichen Kontakts wächst der Bekanntheitsgrad, und es treffen immer wieder Anfragen bei „Kunst an der Plakatwand“ ein, die zu Ausstelllungen führen – trotz des für die Künstler enormen Arbeitsaufwands.

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Risiken birgt das Projekt stets und die Künstler tragen sie zumeist selbst: Neben den Unbilden der Witterung gehören dazu möglicher Vandalismus oder sogar Diebstahlsdelikte. Dementsprechend fällt den Künstlern der Abschied von den Werken mitunter schwer.

Derzeit ist „Kunst an der Plakatwand“ mit mehr als 40 Werken in einer großen Ausstellung an der Hildapromenade in Karlsruhe zu sehen – ein „Heimspiel“. Die Freiluft-Schau trägt den Titel „Go West“. Vergleichbar mit wagemutigen Siedlern erobern sich derzeit die bunten Bildplatten die grüne Wiese und trotzen jeglicher Gefahr … hier allerdings ohne den Widerpart der Werbung!

Dieses Porträt entstand im Rahmen der von Dr. Kirsten Claudia Voigt geleiteten Übung „Künstler im Porträt, eine Schreibwerkstatt“ des SS 2005 am Institut für Kunstgeschichte der Universität Karlsruhe.

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