Ausstellungsbesprechungen

Licht – Bilder. Fotokunst von Man Ray und Sigmar Polke

Einen Anlass gibt es eigentlich nicht, das fotografische Werk des amerikanischen Surrealisten Man Ray (1890–1976) gemeinsam mit Fotos des hochdotierten deutschen Malers Sigmar Polke (geb. 1941) zu präsentieren, ganz abgesehen davon, dass es keinerlei persönliche Beziehungen zwischen ihnen gibt. Auch beider Verhältnis zur Lichtbildnerei ist grundverschieden und doch liegt genau da der Reiz einer Doppelausstellung, die nicht künstlich zusammenführt, was nicht zwingend zusammengehört, sondern parallel führt, was an Experimentierfreude zweifach Neugierde weckt. Günter Baumann gibt einen Rückblick zur kürzlich zu Ende gegangenen Ausstellung in der Städtischen Galerie, Karlsruhe.

Man Ray, der vielleicht eher aus Protest gegen seine Eltern zur Kunst kam und als 30-Jähriger den Spuren Marcel Duchamps folgte, gilt als Erfinder der Rayografie, die »Fotos« ohne Kameras ermöglichte. Sigmar Polke steckte zunächst in der Malerei sein Terrain ab, als Fotograf blieb er lange ein Geheimtipp, was ihm die Freiheit gab, einen phantasievollen Dilettantismus zu pflegen, den er schließlich spielerisch und nicht ohne Witz in ernsthafte Beiträge zur Fotografien umzuformulieren wusste, wobei ihm der Zufall nützliche Dienste leistete. Erfrischend ist es, von Man Ray zu lesen, was genauso auf Polke zutreffen könnte: »Ein gewisses Maß an Verachtung für das angewandte Material ist unabdingbar für die reinste Realisation der Idee«. Und siehe da, soweit sind beide Werke gar nicht auseinander.

Das klingt nun dennoch fast despektierlich – aber beide Künstler können dem potentiellen Vorwurf des allzu Spontanen und nahezu Unprofessionellen gelassen entgegen sehen. Man Ray hat Meisterwerke von exemplarischer Größe geschaffen: »Glastränen« (um 1930), »Solarisation« (1931) als fast ikonische, hochgradig ästhetische Höhepunkte der Fotogeschichte, oder unsterbliche Porträts wie das von Max Ernst (1935), Pablo Picasso (1933) und anderer mehr; dazu kommen noch erotische Highlights der Gattung, die spüren lassen, mit welcher Hingabe Man Ray dem weiblichen Körper huldigte. Nicht von ungefähr hat Ray – der eigentlich Emmanuel Radnitzky hieß – den Bogen von der freien Kunst zur Werbung gefunden, ohne sich untreu zu werden. Polke hat sicher keine Ikonen der Fotografie vorzuweisen, aber seine Übermalungen wie die Fotokopier-Experimente haben die Gattung zumindest mit neuem Leben erfüllt – frisch, frei, frech. Mit seinen »Himmelsbildern« (um 2006) sind ihm zumal monumentale Aussagen über eine Welt gelungen, die ohne Mitte, aber dafür mit globalem Pathos in Erscheinung tritt – was man kritisch oder auch mit Genugtuung sehen kann.

An der Entstehung der Schau haben zwei Sammlungen mitgewirkt: Renate und L. Fritz Gruber haben ihre Man-Ray-Archive geöffnet, die Sammlung von Ute und Eberhard Garnatz hat die Polke-Arbeiten beigetragen. Insbesondere die Freundschaft Grubers zu Man Ray hat wichtige Etappen der Fachgeschichte begleitet, man denke an die Photokina in Köln in den 1960ern. Der Foto-Enthusiast, Organisator und schreibender Sachwalter seiner Ideen Fritz Gruber, der 2005 fast hundertjährig starb, lebte für das Medium: »Die Photographie macht das Leben so viel interessanter.« Die Arbeiten im Besitz Garnatz gehen freilich weit über einzelne Beziehungen hinaus: Die Sammlung, die in der Städtischen Galerie Karlsruhe dokumentiert ist (Buchpublikation in 2. Auflage 2003), umfasst Bilder von Baselitz, Bernd/Hilla Becher, Dahn, Förg, Fritsch, Höfer, Immendorff, Katz, Kirkeby, Lüpertz, Penck, Rainer, Ruff u.a.m. – und eben auch von Sigmar Polke. »Jedes einzelne Kunstwerk«, so Eberhard Garnatz über seine Polke-Fotos, »hat uns herausgefordert, über die Jahre begleitet, neue Sichtweisen vermittelt und unseren Alltag oft zum Feiertag werden lassen.« Die Ausstellung in Karlsruhe zeigt einmal mehr, wie wichtig die private Sammeltätigkeit für die Kunst ist. Darüber hinaus darf man freilich die Zusammenarbeit mit der Photographischen Sammlung in Köln nicht zu gering einschätzen, die dieser beeindruckenden Schau wichtige Impulse gegeben hat.

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