Ausstellungsbesprechungen

Max Ackermann. Die Suche nach dem Ganzen

Auch fernab der großen Kunstzentren – zudem in einem Museum, das man eher mit den Glanzlichtern der Technikgeschichte in Verbindung bringt als mit der Kunstgeschichte – lassen sich noch große Bild-Entdeckungen machen.

Das Zeppelin-Museum in Friedrichshafen hat sich nicht nur zum Ziel gesetzt, eine Retrospektive zum Werk Max Ackermanns (1887–1975) zu präsentieren, sondern mit dem Katalog auch noch eine Monografie vorzulegen, die sich als Standardwerk über einen bislang eher stiefmütterlich behandelten Meister auf dem Weg zur Abstrakten Kunst bezeichnen lässt.

Der Kurator der Ausstellung und Leiter der Kunstabteilung des Zeppelin-Museums, Dirk Blübaum, hat das Ganze des Künstlers ins Visier genommen, und das heißt: 1. er zeigt den »ganzen« Ackermann über alle Entwicklungsphasen eines rund 70-jährigen Arbeitslebens, 2. zeichnet er Ackermanns Bemühungen um das Gesamtkunstwerk nach, und er und seine Kollegen stellen 3. dessen Kunst in einen Kontext, der deutlich macht, dass Ackermann zu den wichtigen Wegbereitern der Moderne zählt. Das ist nicht wenig, denn auf dem Weg von Kandinsky über Baumeister bis hin zu den amerikanischen Abstrakten schien seither der Name Ackermann allenfalls einem Mitläufer zu gehören.

 

Um diesen Eindruck zu bekommen, bietet Max Ackermann unbeabsichtigt eine Grundlage: Er hat so ziemlich alle Stile auf seinem persönlichen Weg zwischen etwa 1904 und 1974 aufgenommen und sozusagen auf deren Kompatibilität mit dem eigenen Werk geprüft, er hat sich zumindest auf seinem Streben nach dem Gesamtkunstwerk Wagnerscher Dimension verrannt, und er hat sich wohl oft genug eher kauzig-verschroben als offen gegeben, während seine Kunst in hymnischen Tönen die Freude propagiert – schon das machte ihn zeitweilig verdächtig.

 

 

Bereits während seines Studiums inspirierten ihn Henry van de Velde, Adolf Hölzel und Hans von Marées – unterschiedlicher hätte dies nicht ausfallen können. Dazu kamen in den frühen Arbeiten eine Hinwendung zu den kosmisch-schwülstigen Wandervogelbewegtheiten der Jahrhundertwende um 1900/12, eine kurze Etappe im Lager der Neuen Sachlichkeit und sogar eines Kubofuturismus, bevor sich Ackermann mit Willi Baumeister auseinandersetzt – es folgen die langen Jahre der »Ernte« seit den 50er-Jahren, mit plötzlich aufbrechender Farbigkeit, die mit der Popart liebäugelt. Doch betrachtet man die Bilder genauer, merkt man schnell, dass sich Ackermann die Kunst seiner Zeitgenossen zwar einprägt, aber zugleich anverwandelt, sich regelrecht zu eigen macht. Bei aller Vielfalt geht er mehr oder weniger zielstrebig – als Initialzündung mag man die Gemeinschaftsausstellung im Stuttgarter Kunsthaus Schaller 1928 mit Grosz und Kandinsky ansehen, bei der er seine realistischen Ausflüge in Frage zu stellen begann – auf seine abstrahierte Formensprache zu, die ihn auf die Höhe des Informel und vergleichbarer Strömungen trägt. In so manchem Bild hat Ackermann seiner Zeit vorgegriffen, und selbst zwischen den gegenständlichen Phasen der 20er- und 30er-Jahre taucht hie und da unvermittelt eine abstrakte Komposition auf, die schon auf das reife Werk hinweist.

 

Getragen wurde Ackermann von einem tiefgehenden Humanismus und von der Musik. Kein Wunder, dass er sich für seine Gesamtkunstwerk-Utopie Anleihen bei Richard Wagner holte. Geblieben sind von dieser Idee die Pforten- und Turmmotive, die im Ackermannschen Schaffen immer wiederkehren, sowie die einzigartigen und unverwechselbaren Bilder von überbrückten Kontinenten – an den Titeln, die diese Motive benennen, ist abzulesen, dass der Künstler Zeit seines Lebens dem Gegenstand nicht abgeschworen hat. Max Ackermann sah sich auch nicht als Avantgardist, sondern als »Vollender«, und er stand zeitlebens zu seinen Wurzeln und Vorbildern.

 

 

Ackermann strebte danach, in seiner Kunst ein übergreifendes Ganzes zu schaffen. Diese Suche nach dem Gesamtkunstwerk, das er mit »Sozialistenhallen, Centralem Kultbau, Geburtstagstempel oder Heiterkeitskapelle« umschrieb, zieht sich wie ein roter Faden durch sein Werk wie durch diese Ausstellung. Sein Gesamtkunstwerk, für das er nicht nur neben der Malerei die Zeichnung und Graphik, sondern auch die Architektur einspannte, sollte Ackermann nicht finden. Aber bekanntlich ist ja auch der Weg das Ziel, was in diesem Fall einem Reigen an Sensationen gleichkommt: Konsequent lenkt die Ausstellung den Besucherblick auf die atemberaubende Entwicklung vom Jugendstil zur abstrakten, letztlich gar konkreten Kunst. Eingebettet wird die Tour d’Art in musikalischer Untermalung – hierin Ackermanns Vorliebe für die Musik folgend.

 

Der hervorragende Katalog ist in mehrere Abschnitte aufgeteilt. Im ersten Teil stehen Beiträge von Dieter Hoffmann und Roland Geiger, die Weggefährten Ackermanns waren und das Werk wie den Menschen Ackermann von einer persönlichen Warte aus beschreiben. Die anschließenden Artikel beleuchten erschöpfend das Gesamtwerk unter verschiedenen Fragestellungen. Die Untersuchungen gelten der Frage nach dem »Absoluten« in seiner Kunst, der Wechselwirkung zwischen Musik und Malerei und schließlich der Frage nach dem Begriff des »Gesamtkunstwerks«. Außerordentlich informativ sind die Vergleiche von Ackermann-Werken mit Beispielen aus dem Schaffen Baumeisters und Nays, die nicht nur die gemeinsamen Ansätze, sondern auch die Welten kenntlich machen, die zwischen diesen großen Malern liegen.

 

Leihgeber der Ausstellung sind neben zahlreichen Privatsammlern die Galerie Neue Meister in Dresden, die Pinakothek der Moderne in München und die Staatsgalerie Stuttgart. Kennerinnen und Kenner des Ackermannschen Werks können somit bislang unbekannte Werke sehen. Die Ausstellung entstand mit Unterstützung des Max-Ackermann-Archivs in Bietigheim-Bissingen.

 

Weitere Informationen

Friedrichshafen, 29. Oktober 2004 – 23. Januar 2005
Bayreuth, 13. November 2005 –15. Januar 2006

 

Öffnungszeiten:

Dienstag–Sonntag 10–17 Uhr

 

 

Eintritt (nur Wechselausstellung)

Erwachsene         4,- EUR

Ermäßigt         2,- EUR

 

 

Führungen:

Länge 45–60 min., max. Teilnehmerzahl 20 Personen

Kosten: 35,- EUR

Buchung: Frau Knapp, Tel.: \"\"\"\"\"\"\"\"\"\"\"\"\"\"\"\"\"\"\"\"\"\"\"\"07541/3801-25\"\" (knapp@zeppelin-museum.de)

 

 

Katalog:
Dirk Blübaum: Max Ackermann. Die Suche nach dem Ganzen. Hrsg. von Wolfgang Meighörner (Zeppelin Museum Friedrichshafen) und Marina von Assel (Kunstmuseum Bayreuth). Lindenberg: Fink, 2004. 352 Seiten. 35,- EUR.
ISBN 3-89870-192-1

 

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