Ausstellungsbesprechungen

Mit Feuer und Flamme – Keramik in der Gegenwartskunst, Museum Villa Rot, Burgrieden, bis 5. Februar 2012

Das Wortspiel mit »Feuer und Flamme« ist an sich eine fast schon abgenutzte Tautologie und verweist im Kontext der keramischen Kunst mehr oder weniger nüchtern auf den Herstellungsprozess. Es steht jedoch im Allgemeinen für ein leidenschaftliches Interesse. Günter Baumann hat sich angeschaut, was zeitgenössische Künstler aus der alten Technik gemacht haben.

Wer kennt es nicht, das spezielle haptische Gefühl für gebrannte Erde – anders als Stein und Holz nimmt man die irdenen Produkte unmittelbarer wahr: Sind die anderen Materialien reine Natur, Baumaterial oder Kunst, ist Keramik immer gemacht, und zwar für den künstlerischen und alltäglichen Gebrauch. Außerdem ist der Ton in getrocknetem Zustand zerbrechlich; das trifft freilich auch auf Glas zu, doch kann die Empfindung beim Berühren kaum mit dem Reiz der Berührung einer keramischen Oberfläche mithalten. Das muss man sich vor Augen führen, wenn man etwa die Fotosequenz des chinesischen Künstlers Ai Weiwei betrachtet, auf der er eine Vase aus der Han-Dynastie betont unberührt vorzeigt und zu Boden fallen lässt. Es sei dahingestellt, ob es ein Replikat war oder eine alte, aber als Massenware gefertigte Arbeit – der Symbolgehalt spricht für sich: Eine rund 2000-jährige Kulturgeschichte geht hier zu Bruch. Man versetze sich in die Lage des Künstlers: Wären wir in der Lage, die Vase, die wir in der Hand halten, loszulassen?

Den Kunstwerken in der Ausstellung »Mit Feuer und Flamme – Keramik in der Gegenwartskunst« darf man getrost emotional begegnen, weil die bloße Vorstellung des Materials individuelle und kollektive Erinnerungen wachzurufen vermag: Es scheinen allein beim Titel bewusste und unbewusste Erfahrungen auf, Warnungen (»Spiel nicht mit dem Feuer«) genauso wie Anziehungsreize; und vor allem steht das Material für ein gutes Stück Menschheitsgeschichte - mit der Nutzbarmachung des Feuers kam die Keramik ins Spiel, sowohl als Basis für Alltagsgegenstände wie für Kunstwerke. Das Museum Villa Rot ist prädestiniert für Ausstellungen dieser Art, hat es sich doch ausdrücklich »der zeitgenössischen Rezeption historischer Volkskünste und der Erneuerung traditioneller Techniken an der Schnittstelle zwischen angewandter und freier Kunst« verschrieben. Man kann sich dieser Aufgabe akribisch streng stellen oder – wie hier – unter programmatischer Übertretung der Grenzen: Keramik im traditionellen Sinn ist nicht der vordergründige Inhalt der Schau, denn die Vorstellung davon bringt der Besucher mit, verbunden mit all seinen Erwartungen. Eine gute Ausgangssituation für jeden Kurator: Alles weitere ist eine Lust fürs Auge.

Die klassischen Felder der Keramik bleiben dabei nicht außen vor: Vasen, Teller usw. bieten eine Hand voll der ausgestellten Künstler. Anne Wenzel etwa drapiert Vasen zu barocken Memorial-Environments auf, in der Glasur noch veredelt. Ganz im Gegenteil dazu betont Norbert Prangenberg das erdnahe sinnliche Material, ohne allerdings auf die Glasur zu verzichten. Andrew Livingstone konfrontiert das herkömmliche Bild von der Keramik mit digitalen oder animierten Medien. »Freiere« Arbeiten streben andere Künstler an, die sich eher an der Pop Art oder am Comic orientieren. Louise Hindsgavl entwirft mutierte Mischwesen, während Leiko Ikemura rätselhafte, besonders weiblich-verletzliche Körper formt. Abstrakte Plastiken schaffen Anke Eilergerhard oder Richard Deacon, die von der materiellen Erscheinung der Keramit wegführen, sowie Uwe Karlsen, Markus Karstieß oder Bodo Korsig, die ein ganz eigenes Verhältnis zum Material entfalten. Ai Weiwei verpasst einer Han-Vase den Schriftzug von Coca Cola – eine hinreißende Verfremdungsarbeit. Ein Dutzend Künstler(innen) wurden für die schöne Schau ausgesucht, die aus Deutschland, Großbritannien, Dänemark, Italien sowie aus den USA, aus China und Japan stammen. Gemeinsam ist allen Arbeiten die Fragilität, das spürbare haptische Erlebnis. Als Betrachter empfindet man die Begegnung mit den modernen Variationen der keramischen Kunst als Abenteuer, das immer wieder augenblicksweise in unsere archaische Vergangenheit führt.

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