Das Herzog Anton Ulrich-Museum präsentiert anlässlich des 300. Geburtstages von Pascha Johann Friedrich Weitsch (1723–1803) eine Sonderausstellung, die den herausragenden Naturdarstellungen des Künstlers gewidmet ist. Das künstlerische Talent von Pascha Weitsch wurde zufällig entdeckt, autodidaktisch bildete er sich zu einem der bedeutendsten deutschen Landschaftsmaler der Aufklärung heran. Vor allem Motive aus seiner Heimatregion zwischen dem Harz und dem Braunschweiger Land prägen das Werk des Malers – er gilt als künstlerischer Entdecker des Harzes. Konrad Donhuijsen hat die Ausstellung besucht.
Naturtalent: ein wuchtiger Titel im doppelten Sinn, der zweimal ins Schwarze trifft, das natürliche Talent des Malers und sein ausgeprägtes Talent zur Natur. Pascha (Pascalis) Weitsch, Sohn eines Dachdeckers, schmiss die Lateinschule und streunte lieber durch die Wälder des Vorharzes. Er taugte zum Soldaten, wurde bald Regimentsschreiber und fiel durch sein Zeichentalent auf. Als „blutiger Anfänger“ kopierte er für seine Vorgesetzten unerschwingliche Gemälde holländischer Landschaften. Der Braunschweiger Herzog Carl I. benötigte für seine neue Porzellanmanufaktur in Fürstenberg, Weser Miniaturmaler. Weitsch gewann den Wettbewerb um den Großauftrag eines sehr umfangreichen fürstlichen Tafelservices. Dies sollte alle Städte, Dörfer und Flecken des Herzogtums Braunschweig wiedergeben. Und in der Tat, Weitsch bewältigte diese Aufgabe bravourös. Zahlreiche seiner über 200 Zeichnungen von den Ortschaften, auf zweijähriger Wanderschaft erstellt, sind neben den kunstvoll bemalten Tellern, Tassen und Schüsseln zu sehen. Ein Teil des Services fand den Weg in die Sammlung des britischen Königshauses.
Gleichzeitig widmete sich der bereits 36-jährige Weitsch der Ölmalerei, die er autodidaktisch erlernte und durch Kopien von Landschaftsbildern in der herzoglichen Gemäldegalerie (Dubois, Ruisdael, Wouwerman u.a.) entwickelte. Bald schon konnte er eigene Bilder von Harzlandschaften über einen befreundeten Händler in Paris verkaufen. Harz und Vorharz waren sein Hauptsujet. Zudem entsprach er mit Tierbildern, Heidelandschaften und Memorialbildern dem Geschmack der Zeit.
Unter den vielfältigen Landschaftsmotiven sind zwei Gruppen besonders hervorzuheben und in der Ausstellung präsentiert: Fasziniert war der wandernde Maler vom wilden Bodetal, dessen tiefe Schlucht einen der landschaftlichen Höhepunkte Norddeutschlands darstellt und schon von Matthäus Merian in seinem Atlas von 1654 festgehalten wurde. Die sog. „Rosstrappe“ dort mit einer 250 Meter hohen senkrechten Wand aus Granitgestein malte er als bildbeherrschende graue Fläche, die die Betrachter:innen mit einem krassen Perspektivbruch überrascht, sie sozusagen vor eine Wand laufen lässt. Winzige Staffagefiguren im Vordergrund betonen die Tiefe der Schlucht und die Gefahr eines Absturzes.
Weitschs frühe Bilder zeigen noch italienische Traumlandschaften. Bald aber malt er das, was er sieht. Kein Arkadien, keine romantische Überhöhung, sondern Natur wie er sie wahrnimmt, seien es Landschaften, Bäume, Felsblöcke, Karsthöhlen oder Bachläufe mit Wasserfällen und Brücken: sachlich, korrekt, analytisch, naturalistisch exakt, beinahe brauchbar für militärische Zwecke. Seine Landschaftsbilder vom Brocken, als Zeichnung und Gemälde mehrfach ausgestellt, künden von zahlreichen Wanderungen (das Gipfelbuch des Brocken mit fünf Eintragungen von Weitsch ist ausgestellt) und reflektieren den besonderen kulissenreichen Landschaftscharakter als „Toskana des Nordens“.
Das wichtigste Sujet in Weitschs Oeuvre ist die Eiche, sei es als Einzeldarstellung oder als Gruppe. Mindestens 19 großformatige Ölbilder schuf er zum Thema des Eichenwaldes. Diese Gemälde waren sehr begehrt, wurden europaweit verkauft, mehrfach ausgestellt und brachten Weitsch die Mitgliedschaften der Kunstakademien in Düsseldorf und Berlin. Eine Professur in Düsseldorf lehnte der naturverbundene Maler trotz guter Bezahlung ab.
Für die dichtstehenden Laubbäume der Eichenwälder entwickelt Weitsch eine besondere Perspektive, die er „Luftperspektive“ nennt. Eine spezielle Lichtführung nimmt die Betrachter:innen mit unter das luftig gemalte Laubwerk zwischen die knorrigen alten Bäume, deren Brüche, abgestorbenen Teile und Narben von vielen Stürmen berichten. Zunehmend nimmt er eine Beseelung der Natur durch Staffagefiguren vor (Hirten, Mägde, Tiere und ein Selbstbildnis). Insofern ist eine ambivalente Einordnung des Malers als später Aufklärer bzw. Vorromantiker gerechtfertigt. Seine Kontakte zu Dichtern und Gelehrten wie G. E. Lessing, J. A. Leisewitz und J. W. L. Gleim sind gesichert, Beziehungen zum Göttinger Hainbund und F. G. Klopstock, der ein neues intensives Naturgefühl anmahnte, wahrscheinlich.
Anlässlich der Ausstellung wurden einige Gemälde Weitschs mit neuer digitaler Infrarot- und Röntgentechnik untersucht. Überraschend fand sich unter einem Nachtstück mit brennendem Haus ein übermaltes Seestück mit Wrack und Riff.
300 Jahre nach Weitsch ist in der Ausstellung ein eigener Raum für aktuelle Landschaftsfotografie reserviert. Digital bearbeitete effektreiche Inszenierungen der Harzlandschaft und des umweltbedingten Waldsterbens kontrastieren mit den ausgewogenen Darstellungen des 18. Jahrhunderts. Spät erst (1789) wurde Weitsch Direktor der herzoglichen Gemäldegalerie, in deren hochrangige Sammlung sein Gemälde „Rosstrappe II“ schon zwanzig Jahre früher gelangte.
Sein Sohn Friedrich Georg Weitsch (1758-1828) wurde nach einer Ausbildung bei J. H. Tischbein, Kassel einer der gefragtesten Porträtmaler Berlins. Seine sprechenden großformatigen Porträts seines Vaters Pascha Weitsch eröffnen und beschließen die Jubiläumsausstellung. Begleitet wird diese durch ein Büchlein, das besonders den Porzellanarbeiten und den Zeichnungen Raum gibt.
Leider fehlt jeder Hinweis auf ein weiteres Tätigkeitsfeld Pascha Weitschs. So erarbeitete der Maler in kleinen und mittleren Formaten detailreiche Landschaftsbilder für die sehr renommierte Stobwasser Lackwaren-Manufaktur (Braunschweig, Berlin). Diese fehlen zwar im Museumsbestand, sind im Umfeld aber verfügbar. Zudem hätte der Rezensent eine Relativierung der „deutschen Eiche“ erwartet, ist sie doch ubiquitär verbreitet und weithin geschätzt. Beispielsweise schreibt im Juli 1870 der französische Dichter Victor Hugo: „Ich habe in meinem Garten eine Eichel gepflanzt, aus der die Eiche hervorgehen soll, die ich auf den Namen taufe: Eiche der vereinten Staaten von Europa“.
Naturtalent. 300 Jahre Pascha Weitsch
Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig
Ausstellung vom 8. 12. 2023 -7.4. 2024
Kuratorinnen: Martina Minning, Silke Gatenbröcker
Der zeitgemäße Blick junger Fotograf*innen auf den Harz im Wandel der Zeit wird begleitend als Ergebnis eines Social Media-Wettbewerbs in einem dritten Raum unter dem Titel #WeitschReloaded – HARZ. FOTOGRAFIE. HEUTE präsentiert.