Ausstellungsbesprechungen

niederl. Kunst. Die Entdeckung der Landschaft – Meisterwerke der Niederländischen Kunst

Rund 120 Gemälde und Arbeiten auf Papier hat die Staatsgalerie zusammengetragen, die die Entwicklung der niederländischen Landschaftsmalerei im 16. und 17. Jahrhundert veranschaulichen soll.

Eine Ausstellung von diesem Umfang und Anspruch hat es bisher wohl noch nicht in Deutschland gegeben: Einkehr ins Stuttgarter Haus halten u.a. Jan van Amstel, Jan Brueghel d.Ä., Jan van de Capelle, Jacob und Salomon van Ruysdael, Esaias van de Velde und Cornelis Hendricksz. Vroom – selbst der Superstar Rembrandt van Rijn fehlt nicht (wenn auch nur mit zwei herrlichen Radierungen aus der hauseigenen Sammlung). Ziel der Schau ist die Darstellung des Themas in entwicklungsgeschichtlich relevanten Gruppierungen – von der Kulissenlandschaft zur echten Natur.

Im 16. und 17. Jahrhundert wuchs in den nördlichen Niederlanden, insbesondere Holland, die Nachfrage nach Kunst derart an, dass sich die kleine Provinz einer nie dagewesenen Künstlerdichte rühmen konnte. Flandern ging diesen Entwicklungen nur geringfügig hinterher. Das blühende Wirtschaftsleben beflügelte den Wunsch der Bürger, die eigenen vier Wände mit Kunst zu schmücken, und es waren im Norden weniger noch als im Süden die religiösen Motive, die sich in den Wohnzimmern breitmachten: es waren neben dem Stillleben vor allem die Landschafts- und die Genremalerei. Die Bibel und der Mythos gaben allenfalls noch Futter für die Staffage. Der reinen niederländischen Landschaft geht nun die Stuttgarter Staatsgalerie mit leisen, aber nachhaltigen Tönen auf den Grund (das Genrebild findet zur Zeit in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe seinen Meister: David Teniers d. J.). Fraglos gab es auch andernorts seit dem 15. Jahrhundert bedeutende Traditionslinien, die sich um die Entdeckung der Landschaft bemühten, mit wichtigen Impulsen für die folgenden Jahrhunderte – man denke an die venezianische Kunst oder an die Donauschule. Aber nirgends kam es zu einer derart ausdifferenzierten Vielfalt wie in den Niederlanden.

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Die Stuttgarter Ausstellung zur niederländischen und flämischen Landschaftsmalerei präsentiert erstmals exklusiv eine gemeinsame Genese der Gattung. Der Titel der Schau ist dabei durchaus wörtlich zu verstehen, geht es doch nicht um eine bloß abzuschreitende Überblicksveranstaltung, sondern um die allmähliche Entwicklung des gemalten Naturraums von der wuchtigen Weltlandschaft eines Joachim Patenir über die atmosphärischen Inszenierungen von Raum und Licht bei Jan van Amstel, Jan Brueghel d. Ä. und Joos de Momper bis hin zum realistischen Naturbild und schließlich zur poetisch verdichteten Seelenlandschaft bei Salomon van Ruysdael, Jan van Goyen und Jacob van Ruisdael, selbst die Übersee-Perspektive fehlt nicht durch die Präsenz der rousseauhaft naiven Sujets Franz Posts aus dem brasilianischen Urwald. Die Malerliste ließe sich um weitere bedeutende Namen ergänzen – es ist eine vorbildliche Auswahl. Mit rund 90 Gemälden und 33 Grafiken erwarten den Besucher Einblicke in die grandiosen Bildwelten zwischen den zaghaften Hintergrundmotiven der Spätgotik bzw. der Renaissance und der großen Tradition der porträthaft erfassten und interpretierten Landschaftsmalerei im 18. und 19. Jahrhundert.

Hierbei legt die Staatsgalerie mehr Wert auf das Verbindende der holländischen und flämischen Kunst als auf die Unterschiede (die gibt es selbstredend über die diametral entgegen gesetzten religiösen Bindungen: an die calvinistisch-bürgerlichen Ideale hier und die katholisch-hierarchische Tradition da). Am Rande wird der Betrachter sogar etwas von der Spezialisierung spüren, die der hochmoderne Kunstmarkt in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts forderte. All diejenigen, die sich in der Vielfalt dieses spannungsvollen Genres zu verirren fürchten, sei versichert, dass die tiefe Natur auch eine ganz andere Spannung zu vermitteln versteht: Mord und Totschlag, wie sie in Jan Brueghels wenig bekanntem »Überfall im Wald« aus dem Warschauer Muzeum Narodowe zu sehen sind. Doch das bleibt eine Rarität in der großen Epoche der niederländischen Landschaftsmalerei, die allein schon in der Darstellung der Wolken ein fein abgestuftes Stimmungsbarometer zu vermitteln vermag, von dramatisch aufgewühlten Unwettern bis hin zum wattebewölkten Sommeridyll, von der eiskalten Winterlandschaft bis zum heimeligen Nachtbild – wolkenlos ist der Himmel über Holland und Flandern fast nie.

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Elsbeth Wiemann, die Kuratorin, ist in der Staatsgalerie zuständig für die Altdeutsche und Niederländische Abteilung und zeichnete bereits zu Zeiten des vormaligen Chefs Peter Beye verantwortlich für die beachtliche Reihe der Raumführer zeichnete, zu denen natürlich auch die umfangreichste Präsentation der Niederländischen Abteilung gehört. Mit der sehr klugen Konzeption zur Ausstellung und dem exzellenten Katalog konnte sie offensichtlich die Früchte ihrer bisherigen Arbeit ernten. Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft der Niederländischen Botschaft und der Flämischen Repräsentanz in Berlin. 

 

Weitere Informationen

 

Öffnungszeiten
Dienstag–Sonntag 10–18, Donnerstag 10–21 Uhr (Staatsgalerie)

Eintritt
Erwachsene 10,- EUR / Ermäßigt  8,- EUR

Führungen
Samstag und Sonntag 15 Uhr
Donnerstag 15 und 17,30 Uhr
Kinderführung Sonntag 15 Uhr
Anmeldung unter Tel.: (0711) 47040-452/-453, oder Fax: (0711) 47040-457

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