Ausstellungsbesprechungen

Otto Dix - Dialog West-Ost, bis 11. Juli

Die Ausstellung zeigt Lithografien und Radierungen aus dem Nachlass des Dresdner Druckers Roland Ehrhardt, die weitgehend unbekannte Facetten von Otto Dix offenbaren. Ergänzt um Höhepunkte aus Dix' Mappe „Mätthäus Evangelium“ und um Blätter aus der Mappe „Totentanz von Basel“ von HAP Grieshaber.

Die Grafik von Otto Dix (1891–1969), zumal die spätere, ist weniger im kunsthistorischen Bewusstsein verankert als dessen Malerei. Es ist sogar so, dass sein Nachkriegswerk pauschal nicht allzu hoch geschätzt wird – doch gerade das ist zumindest im Fall der Lithografien und Radierungen ein vorschnelles Urteil (in der Malerei liegt der Fall komplexer). Über 40 Jahre kann der Besucher der Galerie Schlichtenmaier durchmessen und feststellen, dass der kraftvolle Strich noch 1966 – in diesem Jahr datiert die Farblithografie »Katze und Hahn« – ungebrochen ist. Freilich, statt den Irrsinn des Kriegs, der sich in Gestalt von Versehrten und sozial Verelenden in veristischer Drastik in Dix’ Bildwelt wiederfand, musste sich der Maler am Bodensee andere Themen in einer anderen Sprache erarbeiten. Dass die Landschaft romantischer wurde, kann man ihm nicht einmal verdenken – das »schwäbische Meer« ist verlockend genug –, doch versteigt er sich im Menschenbild in keiner Sozialromantik: Religiöse Motive wie die Mappenfolge zum Matthäus-Evangelium spüren der existenziellen Tragik nach, Porträthaftes mischt er in anderen Blättern mit dem Flüchtigen des Zeitgeistes, in karnevalesken Maskenbildern blitzt der alte Dix der schrägen Gesellschaftsbeobachtungen auf usw.

Doch geht es den Schlichtenmaier-Brüdern nicht um eine Rehabilitierung des Künstlers, dazu hat Dix längst einen viel zu sicheren Platz in der Kunstgeschichte, als dass er dies nötig hätte. Spannender ist hier der Ost-West-Bezug, den Dix nach 1945 aufrechterhielt, als der Kalte Krieg tiefe Gräben aufriss. »Ich mal weder für die noch für die«, meinte er dazu, hierin übrigens ein Bruder im Geiste von HAP Grieshaber (dessen in Leipzig gedruckter »Totentanz«-Zyklus auch ausschnittweise gezeigt wird). Beide pflegten Kontakte nach Dresden bzw. Leipzig, wo sie ihre grafischen Arbeiten drucken ließen. »für Herrn Erhardt, dem Meister der Drucker», »für Roland Ehrhardt«, dann »für Roland« steht unter den meisten gezeigten Grafiken in der Ausstellung: als Zeichen der Anerkennung sind sie den Dresdner Druckern Alfred und Roland Ehrhardt gewidmet. Aus dem Nachlass des Vaters stammen die Arbeiten, die nicht nur von der hohen Kunst der technischen Vervielfältigung zeugen, sondern auch von der Qualität eines teilweise noch zu entdeckenden oder neu zu bewertenden Spätwerks von Otto Dix.

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