Ausstellungsbesprechungen

Piet Mondrian: Natur und Konstruktion, Museum Wiesbaden, bis 17. Februar 2019

Klare schwarze Linien und strenge Geometrie in Weiß, Grau, Rot, Blau oder Gelb - das sind im Wesentlichen die Attribute, die meist mit dem Maler Piet Mondrian in Verbindung gebracht werden. Doch der Mitbegründer der de Stijl-Bewegung hat auch ein umfangreiches gegenständliches Werk hinterlassen. Die Ausstellung „Natur und Konstruktion“ im Museum Wiesbaden zeichnet den Weg des niederländischen Malers von der naturalistischen Landschaftsmalerei zu seinen berühmten abstrakten Gemälden nach. Susanne Braun hat erstaunliche Ähnlichkeiten mit der Malerei van Goghs, Monets und Cézannes sowie aktuellem Games-Design entdeckt.

Aus einem Abstand von gut einem Meter wirken die Gemälde durch und durch gegenständlich. Sie erscheinen filigran und detailreich gestaltet, auch wenn dem Pinselstrich oft ein schwungvoll-expressionistischer Gestus innewohnt. Mondrian hat sich in seinen frühen Arbeiten auf Motive beschränkt, die typisch für die niederländische Landschaftsmalerei sind: Windmühlen, eine idyllische Weidelandschaft oder Wälder. Dabei verwendet er eine durchaus variantenreiche Farbpalette, von grell-expressiv bis hin zu düster-melancholisch.

Tritt man näher an die Werke heran, beginnen die Bildinhalte langsam, aber stetig zu verschwimmen. Jetzt wird die Maltechnik erkennbar, durch die der Maler das Abbild und die Illusion der Wirklichkeit erzeugt. Die Gemälde sind oft sogar mit relativ breitem Pinsel gestaltet. Gekonnt betont Mondrian dabei offenbar die für die menschliche Wahrnehmung entscheidenden Kompositionselemente des Bildes. Aus unmittelbarer Nähe wird manchmal ganz und gar rätselhaft, wie sich aus diesem Wust an unterschiedlichen, ineinander gemischten Farben überhaupt irgendetwas erkennen lassen kann. Und dennoch: Entfernt man sich von dem Gemälde, nehmen die Konturen wieder Form an und das Abbild wird wieder in all seinen Facetten und Details wahrnehmbar.

Mondrian war durchaus experimentierfreudig. Gemälde wie „Bauerngehöft mit Weiden am
Gein, 1902-04“ weisen sowohl Ähnlichkeit mit dem Impressionismus Claude Monets als auch der Haager Schule auf, die den aus dieser niederländischen Stadt stammenden Maler offensichtlich phasenweise sehr geprägt hat. Die leuchtenden Farben in „Oostzijder Mühle am Abend 1907/08“ lassen Ähnlichkeit mit der Malerei Paul Cézannes oder Vincent van Goghs erkennen. Die abstrakten Bilder „Komposition Bäume“ 1 und 2 sowie „Die Komposition im Oval mit Farbfeldern 2, 1914“ tragen eindeutig kubistische Züge und verweisen mit ihren strengen schwarzen Linien bereits deutlich auf Mondrians Malstil der de Stijl-Zeit, der ihn so berühmt gemacht hat.

In der Ausstellung wird auch auf die theosophische Lehre verwiesen, die Mondrians Werk entscheidend geprägt hat. An mehreren Stellen lassen sich Zitate aus dem schriftlichen Werk Mondrians finden, mit denen er selbst den Anspruch an seine Malerei definiert. In Kombination mit den Gemälden wird deutlich, wie Mondrian die Zusammenhänge zwischen Himmel und Erde, Mensch und Natur oder auch Sichtbarem und Verborgenem erkundet. Hans Janssen attestiert ihm dabei im Katalog zur Ausstellung eine gewisse Nähe zur Ideenlehre Platons, warnt aber auch davor, zu viel in die Bilder hineinzuinterpretieren.

Eine Erklärung für Mondrians Weg in die Abstraktion liefern auch die Gemälde eines weiteren Mitglieds der de Stijl-Bewegung: Bart van der Leck. Sie werden in Wiesbaden als Ergänzung zu den Werken Piet Mondrians gezeigt. Van der Leck zergliedert eine eigentlich gegenständliche Szene in ihre rein geometrischen Grundelemente. Letztlich wird die dargestellte Handlung - ein Mann lässt seinen Hund einen Karren ziehen - auf einige wenige Grundstränge reduziert abgebildet. Die abstrakte Konstruktion weist zwar keine unmittelbare Ähnlichkeit mehr mit dem gegenständlichen Werk auf, es wird aber eindeutig als deren Grundlage erkennbar gemacht. An dieser Stelle werden außerdem Parallelen zum Design früher computerbasierter Anwendungen wie Games besonders sichtbar. Sie waren vor allen Dingen in der Anfangszeit ebenfalls darum bemüht, auf extrem reduzierte Weise ein Abbild der Wirklichkeit zu bieten. Diese Art der Bildgestaltung lebt bis heute in Games-Klassikern wie Tetris oder Minecraft fort.

Besonders beeindruckend ist es, die berühmten Werke Mondrians im Original zu sehen. Die Gemälde weisen lange keine so perfekte Oberfläche auf, wie man sie von den Postkarten oder sonstigen Massenerzeugnissen kennt, die auf Mondrians Werke Bezug nehmen. Auf den Bildern im Original sind die Korrekturen des Künstlers sichtbar geblieben. Mal hat er offenbar eine Linie später doch etwas tiefer angesetzt und die Fläche darüber übermalt. Oder er hat sich im Nachhinein für eine großflächigere Gestaltungsweise entschieden, wobei sich die frühere Unterteilung der Fläche aber nach wie vor unter der Farbschicht erahnen lässt. Es ist fast so, als ob man Mondrian bei seiner Arbeit noch ein wenig über die Schulter schauen könnte.

Die Wiesbadener Ausstellung ist die erste Mondrian-Retrospektive im Rhein-Main-Gebiet. Sie eröffnet nicht nur einen in Deutschland eher ungewohnten Blick auf das Werk des Malers, sie lässt auch Parallelen zu zeitgenössischen Malern wie Ger van Elk oder Jaap van den Ende erkennen. Beide Maler verwenden ebenfalls traditionelle Motive der niederländischen Landschaftsmalerei und verändern sie etwa durch eine pixelige Darstellung des Motivs oder ergänzen sie durch weitere abstrakte Elemente. In dem sehr empfehlenswerten Katalog zur Ausstellung wird Mondrian zu anderen Künstlern seiner Zeit, namentlich Kasimir Malewitsch und Wassily Kandinsky, in Beziehung gebracht. Begleitet wird die Ausstellung von einem umfangreichen Workshop-Angebot, das sich sowohl an Kinder als auch Erwachsene richtet.

Hinweis: Auch in Düsseldorf können die Einflüsse Mondrians auf seine Nachfolger weiterverfolgt werden. Noch bis 15. März 2019 sind Werke Winfred Gauls in der Galerie Ludorff zu sehen.

Katalog zur Ausstellung:

Roman Zieglgänsberger (Hg.)
Piet Mondrian – Natur und Konstruktion
Wienand Verlag 2018, ISBN: 978-3-86832-463-1, Ladenpreis: 36,00 €

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