Mit einer hellen Palette, einer lockeren Pinselführung, Motiven aus dem modernen Stadtleben und des Freizeitvergnügens in der Natur schrieben Renoir und seine impressionistischen Künstlerkollegen Kunstgeschichte. Das Baseler Kunstmuseum richtet nun seinen Blick erstmals auf das Frühwerk Renoirs. Günter Baumann hat sich in die Werke vertieft.
Pierre-Auguste Renoir (1841–1919) dürfte zu den wenigen Weltstars der Kunst zählen, dessen Name auch da bekannt ist, wo man kaum mehr als fünf Künstler nennen kann. Und in Kunstkalendern, die gern den Im- und Expressionismus abdecken, hat er ein Abonnement. Dabei war seine Position nie unumstritten (sieht man einmal von der ungebrochenen Begeisterung der Amerikaner für die affirmativ-süßliche Ästhetik Renoirs ab): sein Heile-Welt-Bild fügt sich nicht recht in die Umbruchszeit zur europäischen Moderne.
Im impressionistischen Dreigestirn Monet – Manet – Renoir war Monet der visionärste Maler, der weit über den Stil hinausdachte, und Manet (der Renoirs Arbeiten eher gering schätzte) rettete den Realismus dank eines neuen Anstrichs ins 20. Jahrhundert. Renoir setzte zwar persönlich, aber kaum historische Maßstäbe, die Welt um ihn her schien ihn wenig oder nur oberflächlich als Farbenreiz zu interessieren. Doch der gelernte Porzellanmaler hatte mehr Potenziale, als man dem reifen Künstler, dem Meister der heiteren Sommerausflugsmotive, zutrauen würde. Anders wäre es auch wohl kaum zu erklären, dass Picasso oder Matisse sich auf Renoir, auch noch auf den späten, beriefen. Das Kunstmuseum geht mit ihrer Schau gleich ins Volle, hält sich sozusagen nicht mit einer Zergliederung in den Nebenräumen auf, sondern präsentiert ihn in einigen zugkräftigen Themenkomplexen.
Mit rund 50 Arbeiten kämpft das Baseler Kunstmuseum gegen die Klischees an, die Renoir im positiven wie negativen Sinne vereinnahmt haben. Ein Blick in seine Vita zeigt den Künstler in derselben, insbesondere finanziellen Misere wie seine (Leidens-)Genossen, die die geordneten Bahnen der akademischen Kunst verließen, um Neuland zu entdecken. Es war auch nicht ungewöhnlich, dass ihm hierbei ein weibliches Modell nicht nur bei der Arbeit zur Hand ging. So lernte Renoir Lise Tréhot kennen, die er als Motiv schätzen und als Frau lieben lernte – von den vielen Resultaten ist das Gemälde »Frau auf einer Wiese«, um 1868 entstanden, eines der schönsten: Wohl kündigte sich die helle Palette des reifen Werks schon an, aber die Strahlkraft des wie in Flammen stehenden Kleids ist derart kühn und doch noch so weit entfernt von dem ins Kitschige abgleitenden Farbauftrag, dass man in dem Bildnis des etwa 20-jährigen Mädchens eines der stärksten Werke des Frühimpressionismus feiern könnte.
Ein anderes Gemälde aus demselben Jahr zeigt Lise Tréhot »Im Sommer«, in einem einfachen gestreiften Kleid, das die Schwangerschaft nicht verbirgt. Zum Familienglück führte die Liaison nicht, die Geliebte verließ Renoir nach dem zweiten unehelichen Kind. Wer bislang den Eindruck hatte, unter Renoirs Pinsel würden sich alle Motive in ein gleiches Weichzeichnerbild verwandeln, der hat das frühe Schaffen des Malers nicht recht vor Augen. Basel gibt da Abhilfe mit der Werkschau, die in ihrer überzeugenden Auswahl die Bandbreite der Themen, die Weltvertrautheit mit der Außenwelt und die innovativen malerischen Ideen des jungen Renoir vorstellt. Ob Landschaft, Porträt oder Stillleben, Renoir beherrschte alle künstlerischen Genres. Noch legt sich der Maler nicht fest auf den später typischen Pinselauftrag, auch wenn dieser schon auftaucht, Mitte der 1870er Jahre. Es mag sein, dass Pierre-Auguste Renoir ein sonniges Gemüt verewigen wollte in seinen Bildern – viele nannten ihn den Maler des Glücks. Dass ihnen auch meist ein nachdenkliches In-sich-gekehrt-Sein zu entnehmen ist, zeugt von einer tatsächlichen Verinnerlichung des Motivs, die mit dem puren Idyll nichts zu tun hat.