Ausstellungsbesprechungen

Robert Motherwell

Häufig sind es Kleinigkeiten, die einen großen Wurf nach sich ziehen: 50 Jahre ist es her, da zeigte das Museum Morsbroich drei Bilder von Robert Motherwell (1915–1991), die allerdings in der Gemeinschaftsausstellung »Internationale Sezession 1954« unter anderem auftauchten.

Immerhin: Nur zehn Jahre zuvor, 1944, hatte das Museum of Modern Art in New York seinen ersten Motherwell erworben, und die Peggy Guggenheim Galerie präsentierte eine Einzelausstellung des Künstlers – der Beginn einer großartigen Karriere. Sein Siegeszug durch Europa fand jedoch erst später statt: 1965 in der vom New Yorker MOMA initiierten Retrospektive in Amsterdam, London, Essen und Turin, dann 1976 eine Ausstellung in Karlsruhe, Düsseldorf und Stockholm. Heute kann Gerhard Finckh, der Leiter des Leverkusener Museums in Erinnerung an die unscheinbare Präsenz des Künstlers anno 1954 eine Werkschau ausrichten unter dem lapidaren Titel »Motherwell« – nach der ganz unbescheidenen Prämisse: Wo Motherwell draufsteht, ist auch Motherwell drin. Geben wir ihm freudestrahlend recht – der künstlerische Mitstreiter von Marc Rothko und Lehrer von Cy Twombly ist ein Urgestein des Abstrakten Expressionismus, und für sich betrachtet: Motherwell zu sehen ist ein Genuss. Allein die Bilder aus seinem Zyklus »Elegie für die Spanische Republik« gehören zu den Glanzstücken der Kunst im 20. Jahrhundert.

Die relative Popularität Motherwells in Europa hat seine guten Gründe. Wie kaum ein anderer amerikanischer Malerkollege hat er hier seine Wurzeln gesucht, gefunden und – im Mantel der amerikanischen gestischen Abstraktion – wieder an Europa zurückvermittelt. Überraschen ist es aber schon, dass man ihm ein Vierteljahrhundert keine größere Ausstellung mehr gegönnt hat. So sollte man die rund 40 Gemälde sowie etliche Collagen, 30 Tuschearbeiten und 25 Zeichnungen nicht verpassen – wer weiß, wann wieder die Versicherungssumme für diese erstklassigen Kunstwerke aufgebracht werden wird.

Was ist das Besondere der Motherwellschen Kunst? Seine Bilder sind farbegewordene Poesie, was er selbst so unterschrieben hat: er sei »mainly a lyrical artist, a poet«: Texte von Baudelaire, Alberti, Garcia Lorca, Beckett, Paz, T. S. Eliot sind es, die ihn inspiriert haben, und immer wieder James Joyce, dessen »Ulysses« Motherwells Hausbibel wurde. Dabei geht es dem Maler nicht darum, bloß zu illustrieren, und die abstrakten Werke widersetzen sich sowieso der Vorlage. Wie der außerordentlich profunde Katalog nachweist, führte Motherwelll einen »Trialog von Bild, Sprache und kreativem Prozess«.

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Er wollte eine malerische Parallelwelt zur erdichteten Wirklichkeit, bezog als theoretisch versierter Philologe und Philosoph die Psychoanalyse Sigmund Freuds oder den Zen-Buddhismus in seine Kunst mit ein. (Nebenbei bemerkt trägt eine von Motherwell ins Leben gerufene Stiftung den nach Joyces Protagonist benannte Stiftung den Namen »Dedalus Foundation«, die den Nachlass des Künstlers verwaltet und eine Menge der ausgestellten Werke zur Verfügung gestellt hat.)

Darüber hinaus hat Motherwell mit der »Elegie für die Spanische Republik« einen Zyklus geschaffen, der zur Chiffre für das Leid im Spanischen Bürgerkrieg in den 30er-Jahren geworden ist – mehr als zehn Jahre nach dem schrecklichen Ereignis, das Picasso in seinem Monumentalbild »Guernica« auf ganz andere Weise verarbeitet hatte. Vordergründig ging es Motherwell darum, ein abstraktes Äquivalent zur historischen Realität zu schaffen und band in freier Assoziation die Symbolkraft der Farbe mit ein: einerseits wies er den Ockerfarbton der kargen Erde zu wie das Grün dem Feld oder das Blau dem Himmel; andrerseits wollte er das dominante Schwarz und das gegenüberliegende Weiß als eigenständige Farben einführen und sie obendrein mit Trauer und frohem Mut in Verbindung bringen. Doch im Hintergrund schwang in den elegischen Bildern die Fahne der einzufordernden Menschlichkeit mit. Zugegeben, ein derartiges Pathos nimmt sich etwas fremd aus in Zeiten der gegenwärtigen, eher unterkühlten, beobachtenden Malerei. Aber zwischendurch tut auch die große Geste im Dienste des Humanismus sehr gut. Den Ausstellungsmachern in Leverkusen ist zu danken, dass sie daran erinnern.

 

 

Weitere Informationen

 

Öffnungszeiten
Do 11–21 Uhr
Mi–So 11–17 Uhr

Führungen
Gruppenführung nach Vereinbarung
Tel.: (0214) 85556-0

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