Die Arbeit eines Kurators ist gar nicht so einfach. Schnell den eigenen Bildfundus durchgehen: Ist ein Bild dabei, das zum Ausstellungsthema „Babel ist überall“ passt? Mist! – Warum habe ich bloß kein Bild, das einen Turm zeigt? Jetzt hilft nur noch Kreativität weiter: Aber wie erkläre ich meinen Mitspielern, dass ein Blumenstillleben unbedingt in diese Ausstellung muss? Werden sie es mir abkaufen, wenn ich ihnen erkläre, dass mein Bild einen ruhigen Gegenpol zur babylonischen Sprachverwirrung darstellt?
Belsers „Spiel mit Kunst“ fordert, wie diese kleine Szene zeigt, dazu auf, bekannte und unbekannte Meisterwerke unter ganz neuen Gesichtspunkten zu betrachten. Es ist eines der wenigen Kunstspiele, an denen auch Kunsthistoriker ihren Spaß haben werden und nicht unterfordert sind. Denn was tut ein Kunsthistoriker anderes, als Bilder miteinander zu vergleichen und sein Auge zu schulen? Aber auch, wer eher wenig kunstgeschichtliches Vorwissen mitbringt, ist nicht benachteiligt, denn mitunter kann eine griffige und – warum nicht? – auch witzige Formulierung mehr Punkte einbringen als eine streng wissenschaftliche Deutung eines Bildes.
300 Bildkarten, die fünf großen Kunstepochen (Altertum, Mittelalter, Renaissance, Barock und Neuzeit) entstammen, bilden die Grundlage des Spiels. Erfreulicherweise beschränken sich die Bilder – sämtliche Beispiele sind im Besitz der Staatlichen Museen von Berlin – nicht auf Europa, sondern umfassen auch außereuropäische Kunstwerke. Auf den Rückseiten dieser Karten befinden sich Fragen, die manchmal ganz schön kniffelig, aber in den meisten Fällen auch ohne Kunststudium zu beantworten sind. Drei Antwortmöglichkeiten werden vorgegeben. Wer richtig tippt, darf zur Belohnung fünf Felder auf dem Spielplan vorrücken. Wer mit seiner Antwort daneben liegt, zum Trost immerhin noch ein Feld. Denn gewürfelt wird nicht in diesem Spiel, zumindest nicht, um seine Figur vorwärts zu bewegen. Das ist ungewohnt und vermutlich nicht unbedingt die beste Lösung.
Das Spiel – und darin liegt seine große Stärke – beschränkt sich nicht auf die erwähnten Quizfragen. Kommunikation wird großgeschrieben. Es warten Aufgaben wie „Auf den Punkt gebracht“, „Enthüllungstafel“ oder „Ausstellung“ – wer hier am besten abschneidet, darf ebenfalls auf dem Spielplan weiter vorrücken. Bei „Auf den Punkt gebracht“ geht es darum, dass sich jeder Spieler zu einem vorgegebenen Bild eine besonders pointierte Formulierung einfallen lässt, die dessen Wesen am besten erfasst. Anschließend wird abgestimmt, wer diese Aufgabe am besten gelöst hat (für die eigene Antwort darf dabei nicht gestimmt werden). Spielt man nur zu dritt, kommt es oft zu Punktegleichstand. Nicht nur deshalb macht das „Spiel mit Kunst“ mit mehr Spielern auch noch mehr Spaß. Die „Enthüllungstafel“ ist eine wirklich originelle Spielerei, die ein bisschen an „Dalli-Klick“ aus der legendären Fernsehshow erinnert. Ein Bild wird abgedeckt und zwei Spieler treten gegeneinander an, um möglichst schnell zu erraten, was dargestellt ist. Mit Hilfe eines 20-seitigen Würfels werden nach und nach kleine Ausschnitte des Bildes freigelegt. Wird zuerst der oft nur wenig aussagekräftige Bildrand aufgedeckt, bleibt einem oft nichts anderes übrig als zu raten. Drei Ausstellungen finden im Laufe des Spiels statt. Nun gilt es, die angesammelten Bildkarten (bei jeder richtigen Antwort vergrößert sich das eigene Bilddepot) zu einer Ausstellung zu gruppieren, die – bei verschiedenen vorgegebenen Themen – die Mitspieler am besten überzeugt. Auch hier wird, nachdem jeder sein Ausstellungskonzept und seine drei Bilder, die die Ausstellung bilden, vorgestellt hat, abgestimmt, wer am überzeugendsten argumentiert hat. Es zählen Einfallsreichtum und Überzeugungskraft, denn manchmal wollen die eigenen Bildkarten auf den ersten Blick so gar nicht zum Ausstellungsthema passen.
Wer zuerst das Zielfeld erreicht, hat gewonnen. Bis es soweit ist, sind in der Regel eine gute Stunde bis 90 Minuten vergangen. Eine weitere überaus gelungene Spielkomponente, bei der eine gute Beobachtungsgabe gefragt ist, bleibt noch nachzutragen. Zum Anfang des Spiels zieht jeder Spieler eine Bildkarte, deren Motiv er sich in zwei Minuten möglichst genau einprägen muss. Danach wird die Karte in einen verschlossenen Umschlag gelegt. Im Laufe des Spiels werden einem dann nach und nach fünf Fragen zu diesem Bild gestellt, die man – selbstverständlich ohne das Bild erneut ansehen zu dürfen – beantworten muss. Hier kommt es nicht auf kunstgeschichtliches Wissen an, sondern auf ein gutes Bildgedächtnis.
Belsers „Spiel mit Kunst“ ist ein höchst abwechslungsreiches Spiel, das auch nach mehrmaligem Spielen nicht langweilig wird und auf unterhaltsame Weise einen spielerischen Zugang zur Kunst sucht, beim dem man sogar noch etwas lernen kann. Hinzu kommt das hervorragend ausgestattete Spielmaterial. Kurzum: Äußerst empfehlenswert.