Kataloge

Stiegemann, Christoph (Hrsg.): Byzanz – Das Licht aus dem Osten. Kult und Alltag im Byzantinischen Reich vom 4. bis 15. Jahrhundert, Philipp von Zabern, Mainz 2001.

Byzanz - dieser Name eines untergegangenen, zwar nicht vergessenen aber weitgehend unbekannten Kaiserreiches löst vermutlich bei den meisten Vorstellungen exotischer goldprunkender Pracht und eines strengen höfischen Zeremoniells aus.

Nicht von ungefähr bezeichnet man mit »Byzantinismus« einen komplizierten Beamtenapparat und/oder äußerst umständliche Umgangsformen und Höflichkeitsfloskeln. In der allgemeinen Auffassung steht Byzanz für eine starre Kultur, die sich während ihres etwa 1000jährigen Bestehens kaum verändert hat und die maßgeblich in Klöstern und in der kaiserlichen Residenz geprägt wurde. Vielleicht wissen noch manche, dass Byzantion der antike Name der Stadt Konstinanopel war, die seit 1930 Istanbul heißt, eine Stadt, nach der später auch das beträchtliche Herrschaftsgebiet Byzanz genannt wurde.

Licht in dieses historische Dunkel bringt eine Byzanz-Ausstellung im Erzbischöflichen Diözesanmuseum Paderborn, »Licht aus dem Osten« lautet denn treffenderweise auch der Untertitel dieser Präsentation. Dass im Osten die Sonne aufgeht, weiß nicht nur der Kinderreim; die Bezeichnung »Orient« als Sammelname für exotische Länder und Völker geht auf die lateinische Vokabel für »aufgehend« zurück und lebt u.a. im Begriff der »Orientierung« weiter.

Gerade in Paderborn existiert ein Stück des architektonischen Erbes des byzantinischen Reiches etwa in Gestalt der Bartholomäuskapelle, die im frühen 11. Jahrhundert von »griechischen Bauleuten« errichtet wurde.

Den umfangreichen Katalog gab Christoph Stiegemann im Verlag Philipp von Zabern heraus, ein Buch, das sich ebenfalls als sehr erhellend erweist. In mehreren Essays werden »Kult und Alltag im Byzantinischen Reich vom 4. bis 15. Jahrhundert« vorgestellt und dabei manche Vorurteile ausgeräumt: Peter Schreiner unterscheidet drei Sphären, die je eigene Kulturen hervorgebracht haben, so dass es falsch sei, von einer byzantinischen Kultur zu sprechen: Kaiser und Hof - Volk - und Kleriker/Mönche. Aufgrund der stark zentralistischen Herrschaftsstruktur gab es z.B. so gut wie keine ausgeprägten regionalen »Provinzkulturen«, was für Nachlebende den Eindruck einer kontinuierlich kaiserlich dominierten, während 1.000 Jahren kaum veränderten Kultur weckte, zumal Mitglieder des Kaiserhauses (im Gegensatz zur übrigen Elite) häufig selbst literarisch aktiv waren. Daneben bestand jedoch auch eine Volkskultur der Rhomäer genannten »Ureinwohner« des Reiches, die sich im religiösen, häufig auch abergläubischen Alltag manifestierte. Die Freizeit verbrachten v.a. die Bewohner der Hauptstadt

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Konstantinopel/Byzantion im Hippodrom, einem weithin berühmten Zirkus, oder auf ländlichen Feste oder jahrmarktsähnlichen Versammlungen (panegyris).

Sowohl die kaiserliche als auch die Volkskultur wurden von Kirche und Mönchtum stark beeinflusst, nachdem es Klerikern seit dem 9. Jahrhundert gelungen war, die Staatsgeschäfte mitzubestimmen. Vorrangig galt es, die wahre Lehre, die sprichwörtliche Orthodoxie einzuhalten; zu den berühmtesten theologischen Auseinandersetzungen gehörte der sogenannte Bilderstreit, die Frage ob Christus, Engel und Heilige im Bild dargestellt werden dürften oder nicht. Der Konflikt lief schließlich auf ein wahres Bildergebot hinaus, also die Aufforderung Sakral- und Privatgebäude mit aufwändigen Figurenprogrammen zu schmücken, die das Denken in irdischen und himmlischen Hierarchien visualisierten und die rituell verehrt werden sollten.

Lioba Theis widmet sich der Architektur und liturgischen Ausstattung byzantinischer Kirchen und insbesondere ihren Beleuchtungsmöglichkeiten. Da die ,rechtgläubigen\' Christen im byzantinischen Reich die heidnisch-antike Tempelarchitektur zur Nachahmung ungeeignet fanden, entwickelten sie mit der hallenartigen, teilweise mehrschiffigen Basilika einen eigenen Baukörper zur Abhaltung von Gottesdiensten und Gerichtsversammlungen. Neben den typischen Längsbau trat der Zentralbau, dessen prachtvoll mosaizierte Kuppeln den Himmel abbilden sollten. Das bekannteste Beispiel ist die später zur Moschee umgewidmete Hagia Sophia in Istanbul. Die Licht- und Erleuchtungstheologie der Ostkirchen wurde im Zeitalter der Gotik auch von westeuropäischen Baumeistern übernommen und in der diaphanen Architektur der Kathedralen, vor allem aber in ihrem Fensterschmuck weiterentwickelt.

Michael Kunzler stellt die z.T. in einigen Ostkirchen heute noch praktizierte Liturgie vor, die in heilige Schauspiele integriert ist. Wörtlich bedeutet Liturgie: Werk für das Volk (bzw. Werk des Volkes), und so vermitteln diese Schauspiele anstelle der in Mittel- und Westeuropa üblichen Wortgottesdienste sinnlich eindrucksvoll die Herrlichkeit des Himmels, zumeist in Prozessionen, deren Ausstattungsgegenstände wie z.B. tragbare Kreuzaufsätze in Paderborn gezeigt wurden. In akustischer Hinsicht ist der Verzicht auf Instrumente zugunsten eines ausschließlichen Einsatzes der menschlichen Stimme charakteristisch. Kunzler erläutert auch die Rolle des Popen, der mit seiner Familie stärker in die Volksgemeinschaft integriert als westliche Priester oder Pfarrer.

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Arne Effenberger untersucht Kunst und Alltag in Byzanz und vertieft die Thematik des Bilderstreits, die für zahlreiche theologische Differenzen bis in die Neuzeit hinein problematisch bleiben sollte.

Der Katalogteil ist analog zum Textteil gegliedert, was es ermöglicht, die vorgestellten Objekte den Themen leicht zuzuordnen, zumal in den Essays auch immer wieder auf die Exponate eingegangen wird. Das übersichtliche Glossar eröffnet dem Leser dankenswerter Weise einmal mehr die doch etwas fremde Welt in den wichtigsten Begriffen.
Die detaillierten Objektbeschreibungen tragen sehr zum Verständnis der Gegenstände bei, deren Funktion dem heutigen Betrachter sonst verschlossen bliebe. Die hohe Wiedergabequalität, lässt das Durchblättern insgesamt zum Genus werden, allerdings hätte manche Objektabbildung durch Freistellung mehr Brillanz erhalten können. Dies gilt zumal für Zierobjekte und Schmuckgegenstände, die vor dem etwas tristen Unter- bzw. Hintergrund wenig Strahlkraft aufweisen.
Erfreulich hingegen die ganzseitigen Detailabbildungen z.B. aus Illuminationen, die jedem Themenkomplex vorangestellt sind: besonders sinnfällig wird das Kapitel über Lampen und Leuchten mit einem Ausschnitt aus einer frühmittelalterlichen Handschrift eingeleitet, der einen Bediensteten beim Anzünden einer Laterne zeigt. Im Katalogteil werden historische Illuminationen zwar recht großformatig reproduziert, leider jedoch nie blattfüllend.

Etwas zu bedauern ist lediglich, dass kein Ausblick gewährt wird: so erfährt man fast nichts über das Fortbestehen des byzantinischen Zeremoniells an westlichen Fürstenhöfen oder das Überdauern zahlreicher Kulturmerkmale in der frühen russischen Hofkultur. Auch der spektakuläre Untergang des Reiches im Jahre 1453 und das erforderliche Exil der intellektuellen Elite, die einen Kulturtransfer nach Italien bewirkte, kommen entschieden zu kurz. Auch hätten einzelne Kurzbiographien der bekanntesten Kaiser und Kaiserinnen oder genealogische Übersichten der Dynastien den Katalogbestand sinnvoll ergänzen können.

Bibliographische Angaben

Erzbischöflichen Diözesanmuseum Paderborn: Stiegemann, Christoph (Hrsg.): Byzanz – Das Licht aus dem Osten. Kult und Alltag im Byzantinischen Reich vom 4. bis 15. Jahrhundert, Dezember 2001 bis März 2002, Philipp von Zabern, Mainz 2001.
2001 Katalog-Handbuch, 412 Seiten mit 550 Farb- und 52 Schwarzweißabbildungen
ISBN 3-8053-2837-0
ISBN 978-3-8053-2837-1

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