trasumanar - Transhumane Kunst in unmenschlichen Zeiten. Die Künstlerin Simone Haack bei Gebr. Lehmann in Dresden

Noch bis zum 13. Januar 2024 führt Galerie Gebr. Lehmann in Dresden in der Ausstellung »trasumanar« die Besucher:innen erstmals in die Bildwelten der Künstlerin Simone Haack ein. Dort werden die transhumanen Modifikationen zunehmend zur Realität, die Menschen hören schließlich auf, Menschen zu sein, wie Haacks gleichnamige Ausstellung eindrücklich zeigt. Es sind Bilder, in denen die Figuren und Elemente mit ihrer Umgebung korrespondieren und in Einklang stehen. Ein Text von Sebastian C. Strenger.

Die Künstlerin Simone Haack in »trasumanar« mit ihren Galeristen Ralf und Frank Lehmann; Copyright: SCS Bildarchiv, Berlin; Courtesy: Galerie Gebr. Lehmann, Dresden
Die Künstlerin Simone Haack in »trasumanar« mit ihren Galeristen Ralf und Frank Lehmann; Copyright: SCS Bildarchiv, Berlin; Courtesy: Galerie Gebr. Lehmann, Dresden

Nach Haacks Vorstellungen entfalten sich neue Formen organischen Lebens, aus der Neuordnung der Helix scheinen neue mit Haaren beziehungsweise Fell verbundene oder verschmolzene Kreaturen und Naturphänomene zu erwachsen, die weder durch das Alter verwelken und vergehen, noch durch Krankheiten verwundbar anmuten. Damit nähert Haack sich ebenso Dante Alighieri im ersten »Canto del Paradiso« seiner »Göttlichen Komödie« an. Denn er prägte im Geiste eines Transhumanismus hier das Wort »trasumanar«, was so viel bedeutet wie »die menschliche Natur überschreiten bzw. über die menschliche Natur hinausgehen«.

Blick in die Ausstellung. Hier Haarlandschaften als beherrschende Bildmotive. Copyright: SCS Bildarchiv, Berlin; Courtesy: Galerie Gebr. Lehmann, Dresden
Blick in die Ausstellung. Hier Haarlandschaften als beherrschende Bildmotive. Copyright: SCS Bildarchiv, Berlin; Courtesy: Galerie Gebr. Lehmann, Dresden

Dabei sind ihre Bildwelten Zufluchtsorte. Haacks farbenfrohe Figurationen sind offene Embleme geradezu jeder Art von Angst. Sie erscheinen quasi als Abstraktionen der Ängste eines jeden Betrachters und zeugen von dem unabdingbaren Verlangen der Künstlerin, zu einer Ebene der Klarheit zu gelangen, die größer ist als unsere eigenen Wahrnehmungssysteme. Es sind Bilder von bekannten Unbekannten. Die menschliche Wahrnehmung ist begrenzt, und wir wissen, dass es viel zu erschließen gibt, was wir mit unseren Sinnen nicht unmittelbar zu erfassen vermögen. Jenseits rationaler Kategorien bewegen sich auch ihre neuen Werke mit Haaren und Fell.

»Wetlands« als behaarte Moorlandschaft mit biogrfischen Verweis auf die Künstlerin. Copyright: SCS Bildarchiv, Berlin; Courtesy: Galerie Gebr. Lehmann, Dresden
»Wetlands« als behaarte Moorlandschaft mit biogrfischen Verweis auf die Künstlerin. Copyright: SCS Bildarchiv, Berlin; Courtesy: Galerie Gebr. Lehmann, Dresden

Während Haacks Arbeit bereits mit »Theater« von 2021 die Hinwendung zum Haar-Thema zeigt, ist es Jahre später schon eine ganze behaarte Mangroven- oder Moorlandschaft wie in »Wetlands«, die noch dazu einen biografischen Verweis der Künstlerin, die in der norddeutschen Moorlandschaft »Teufelsmoor« aufwuchs, zulässt. Viele ihrer aktuellen Gemälde können dem Thema der Haarlandschaften zugeordnet werden. Dabei handelt es sich um Bilder, die oft einen makroskopischen Blick auf das werfen, was im Kern Identität ausmacht.

Offenbaren das Diptychon »Cowl« sowie das Portrait »Furry« von 2023 durch das Spiel mit Verhüllung und Enthüllung zunächst eine Suche nach menschlicher Identität, reichen Großformate wie »Waves (3)« weiter und fokussieren ausschließlich das Haar. Diese Auseinandersetzung mit Identität knüpft dabei an einen wesentlichen biologischen Aspekt an: Jedes gemalte Haar besitzt bereits den Nimbus einer ganzen Persönlichkeit, die im DNA-Strang eines jeden Haares eingeschrieben ist. Doch es bleibt nicht bei menschlicher Identität, denn seien es Haarporträts, Haarlandschaften oder Felldarstellungen – Haack erschafft in ihren Bildwelten auch eine veränderte transhumane Spezies. So auch muten die Frauen in »Milky Way« von 2022 wie scheinbar überlegene Wesen mit erweiterten Sinnen und perfektionierten Körpern an, deren Genom geformt wirkt und sie offenbar von der natürlichen Evolution befreit.

»Milky Way« ist in der Galerie-Ausstellung musealen Käufern vorbehalten. Copyright: SCS Bildarchiv, Berlin; Courtesy: Galerie Gebr. Lehmann, Dresden
»Milky Way« ist in der Galerie-Ausstellung musealen Käufern vorbehalten. Copyright: SCS Bildarchiv, Berlin; Courtesy: Galerie Gebr. Lehmann, Dresden

Diese hier gezeigten »optimierten« Nichtmenschen stehen im Widerspruch zu dem von Harmonie bis Kitsch geprägten Sujet. Auch in diesem Bild ziehen die Haare den Blick der Betrachter:innen auf sich. Haacks Malerei wirkt durch ihre Pinselstriche wie angewandte Nanotechnologie, die molekulare Strukturen manipuliert und die eine Umgestaltung mikroskopischer Systeme ermöglicht oder sie gleich im Sinne Haacks »verbessert«. Gemälde wie »Milky Way« lassen dabei mitunter den Betrachter an komplexe Zellen glauben, die in der Lage zu sein scheinen, Infektionen zu eliminieren und die physischen Auswirkungen des Alterns rückgängig zu machen.

Ihre Bildsprache weist die Künstlerin als Wegbereiterin eines aufkommenden Neuen Magischen Realismus aus. In ihrer Malerei legt sie symbolhaft die Fragilität des menschlichen Wesens offen. Dabei erzählen ihre Werke immer auch von den Spannungen physischer und psychischer Existenz, die bei ihr die malerische Psychoanalyse durchlaufen. Und immer auch nach ihrem Credo: Mit den Mitteln des Realismus zu arbeiten, aber keine Realität abzubilden.

Blick in die Ausstellung der Künstlerin Simone Haack bei Gebr. Lehmann in Dresden. Copyright: SCS Bildarchiv, Berlin; Courtesy: Galerie Gebr. Lehmann, Dresden
Blick in die Ausstellung der Künstlerin Simone Haack bei Gebr. Lehmann in Dresden. Copyright: SCS Bildarchiv, Berlin; Courtesy: Galerie Gebr. Lehmann, Dresden

Die in Rothenburg/Wümme geborene Haack lebt und arbeitet heute in Berlin. Sie studierte Freie Kunst an der Hochschule für Künste in Bremen bei Katharina Grosse und bei Karin Kneffel, der Unitec School of Design in Auckland, Neuseeland sowie an der Pariser Ècole Nationale Superieure des Beaux-Arts in der Klasse von Pat Andrea. Die Meisterschülerin von Karin Kneffel wurde zuletzt mit dem Willi-Ottmanns-Preis für Malerei ausgezeichnet.

Die Künstlerin Simone Haack in ihrem Berliner Studio Copyright: SCS Bildarchiv; Courtesy: The artist
Die Künstlerin Simone Haack in ihrem Berliner Studio Copyright: SCS Bildarchiv; Courtesy: The artist

Die 45-Jährige Haack ist derzeit zudem in verschiedenen bedeutenden institutionellen Ausstellungen zu sehen. Diese sind: »Dix und die Gegenwart« in den Hamburger Deichtorhallen noch bis zum 01. April, Städtische Sammlungen Schloss Burgk in Freital noch bis zum 10. April mit »Missy Pink – Dame in Rot«, auf Schloss Randegg, Exilort von Otto Dix, in der Ausstellung »Exil« noch bis zum 15. Februar sowie ab 19. Januar in »From the Edge« in New York´s Berry Campbell Gallery. Vom 22. Februar bis zum 26. Mai ist sie in ihrer Ausstellung »Untangling the Strands« in der Abgusssammlung Antiker Plastik der Staatlichen Sammlungen von Berlin mit Unterstützung ihrer Galerie Droste, Düsseldorf und Paris zu sehen. Mit »Journaux de Rêves« wird Simone Haack bis zur Messe Art Basel Paris+ dort ab dem 31. August zu sehen sein. Zudem bestreitet sie zwei institutionelle Ausstellungen mit »Dissonance« Anfang März bis Mitte Mai in der Stadtgalerie Kiel sowie Oktober/November im Nationalmuseum Budapest.

Aktuell findet ein Artist-Talk mit der Künstlerin und Museumsdirektorin Kristin Gäbler am Dienstag, den 9. Januar um 19 Uhr in den Städtischen Sammlungen auf Schloss Burgk in Freital statt.

www.simone-haack.de

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