Ausstellungsbesprechungen

Was bleibt. Peter Loeding im Schlutuper Kulturfrühling, Schaakhaus, Lübeck, bis 1. Mai 2016

Den Lübecker Ortsteil Schlutup werden nicht viele außerhalb der Hansestadt kennen. Früher allerdings war das anders, denn Schlutup-Selmsdorf war der nördlichste Grenzübergang zwischen den beiden Deutschlands, und so kam zumindest gelegentlich der ehemalige Fischerort auch in den bundesdeutschen Nachrichten vor. Heute bemüht sich der Bildhauer Winni Schaak zusammen mit seiner Frau Andrea Finke-Schaak darum, das Kulturleben etwas in Schwung zu bringen, und veranstaltet in jedem Jahr in seinem eigenen Haus einen Kulturfrühling. Stefan Diebitz war vor Ort.

Den Lübecker Ortsteil Schlutup werden nicht viele außerhalb der Hansestadt kennen. Früher allerdings war das anders, denn Schlutup-Selmsdorf war der nördlichste Grenzübergang zwischen den beiden Deutschlands, und so kam zumindest gelegentlich der ehemalige Fischerort auch in den bundesdeutschen Nachrichten vor. Heute bemüht sich der Bildhauer Winni Schaak zusammen mit seiner Frau Andrea Finke-Schaak darum, das Kulturleben etwas in Schwung zu bringen, und veranstaltet in jedem Jahr in seinem eigenen Haus einen Kulturfrühling. Stefan Diebitz war vor Ort.

Das Schönste an Schlutup ist die auf dem Hochufer über dem Hafen gelegene St. Andreas-Kirche aus dem 15. Jahrhundert, die mit einer farbenfrohen Kanzel des Lübecker Schnitzers Hans Silmann von 1649/50, einem spätgotischen Altar sowie einem gotländischen Taufstein aus dem 13. Jahrhundert immer einen Besuch wert ist. Direkt unterhalb der Kirche wohnt seit einigen Jahren Winni Schaak, ein gelernter Schmied, der in Aachen Bildhauerei studierte und nun mit abstrakten, außerordentlich genauen und sorgfältigen Arbeiten aus Metall Erfolg hat. Eine seiner Plastiken hat es sogar bis in das litauische Kaunas geschafft. In den krummen Gassen Schlutups fühlt sich der Künstler außerordentlich wohl.

Der diesjährige Kulturfrühling sollte eigentlich Arbeiten der Hamburger Künstlerin Ellen Sturm zeigen, aber sie selbst schlug vor, ihre Arbeiten mit denen ihres verstorbenen Mannes zu kombinieren, des Holzschneiders, Grafikers und Malers Peter Loeding (1936 – 2013). Eine Kombination erwies sich aber als wenig praktikabel – soviel Platz war einfach nicht im »Schaakhaus«, und deshalb wird jetzt allein Loeding ausgestellt. Zu seinen Lebzeiten hat dieser Künstler vielleicht nicht direkt im Verborgenen gewirkt, aber seine Arbeiten standen doch nie so im Rampenlicht, wie sie es eigentlich verdient hätten. In den Worten von Thomas Gädeke, extra für das Grußwort aus Schleswig angereist, war er ein »Weltklassedrucker«, und entsprechend war auch seine Klientel. Herausragend unter den von ihm betreuten Künstlern war zweifellos Horst Janssen.

Loeding hatte 1958 bis 1960 in Paris bei Johnny Friedlaender (1912 – 1992) studiert und kam dank einer umfassenden und soliden Ausbildung mit allen Drucktechniken und Stilen zurecht. Obwohl er also auch das Filigrane beherrschte, konzentrierte er sich in seinen eigenen Arbeiten auf plakative Formen mit meist leuchtenden und kräftigen Farben. Spontan fühlt man sich an die Zwanziger Jahre erinnert, besonders an die Holzschnitte der Expressionisten.

Es war der Hamburger Feuersturm von 1943, der Loeding offenbar sein Leben lang beschäftigte, und es ist ihm gelungen, den Schrecken dieser Bombennächte in einprägsamen Bildern von gelegentlich fast archaischer Gewalt einzufangen. »Ich haue in Holz meine Angst, meine Trauer, meine Geschichte.«, lautet deshalb das Motto dieser Ausstellung. Das angesprochene Triptychon trägt einen Titel, der an die Bombennächte erinnert: »Wacht auf Brüder – es brennt« sind die linke und die rechte Tafel unterschrieben, die mittlere Tafel heißt »Wir spielen den Tod ach einfach nur so – es sterben die Andern – Ach Gott irgendwo«.

Am Himmel kreisen kleine Flugzeuge, es brennen Häuser, und selbst die Fische sind gestorben, aber viel eindrucksvoller (und nicht allein, weil sie so viel größer sind) sind die Vogelgestalten, die an die Abbildungen der Pest erinnern oder auch an die Figuren des Venezianischen Karnevals. Ellen Sturm hat aber in einem Interview verraten, dass Loeding derartige Masken in der alemannischen Fassenacht kennengelernt hat. Die spitzen, maskenhaften Vogelgesichter sind jedenfalls von einer beängstigenden Ausdruckskraft – vielleicht nur wegen ihres starren Blicks.

Janssen bescheinigte den Bildern seines Druckers einen »bäuerlichen Zugriff« – damit traf er eine Tendenz, die offenbar an die russische Volkskunst anknüpfte, obwohl Loeding gar keine persönlichen Beziehungen zu Russland pflegte. Einen volksliedhaften Ton besitzen aber auch viele Bildunterschriften; die zitierte Unterschrift unter der mittleren Tafel etwa hätte von Clemens Brentano sein können.

Trotz der außerordentlich hohen Qualität der Drucke – manche sehen aus, als wären sie gemalt – ist es ein gebrauchter, später bemalter Holzstock, der mir mit seinen kräftigen und tiefen Farben, aber auch mit seiner rätselhaften Ikonografie am besten gefallen hat. »Ankunft« zeigt einen Mann mit Narrenkappe, der einen Fisch im Arm hält und noch dazu einen Hahn im Boot hat. Die Sonne geht erst gerade unter (oder geht sie auf?), und trotzdem stehen die Sterne schon oder noch am Himmel. Ist es die Ankunft eines Narren oder die Ankunft der Nacht oder der Aufgang der Sonne? Die unterschiedlichen Blickrichtungen von Hahn und Narr helfen uns auch nicht weiter.

Von einem besonders interessanten Projekt erfuhr ich ganz beiläufig. Winni Schaak arbeitet an einer Sonnenuhr für den Schleswiger Barockgarten, und es wird eine ganz besondere Uhr sein – nämlich keine, die mit einem Schattenstab die Stunde anzeigt. Vielmehr wird das das durch einen Spalt hindurchfallende Licht tun, das uns im Schatten die Uhrzeit gibt – also genau andersherum wie sonst. Wahrscheinlich wird diese Uhr im nächsten Jahr aufgestellt werden.

Öffnungszeiten: Sonntag, der 24. April, und 1. Mai 11:30 bis 17 Uhr, und nach telefonischer Vereinbarung.

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