Frauen werden wohl eher selten mit den großen Entwicklungen der Computertechnik in Verbindung gebracht. Und dennoch: Der erste Programmierer, pardon: die erste Programmiererin überhaupt war eine Frau! Ada Lovelace ist daher die Patin der Ausstellung, die zeigt, das Frauen sehr wohl einiges mit Rechenmaschinen und künstlicher Intelligenz am Hut haben. Susanne Braun hat sie sich angesehen.
Das Heinz Nixdorf Museumsforum in Paderborn beherbergt auf rund 6.000 Quadratmetern beeindruckende 5.000 Jahre Geschichte der Informationstechnik. Tontafeln aus Mesopotamien, unterschiedlichste Rechenmaschinen, angefangen bei dem berühmten Abakus über die Vier-Spezies-Rechenmaschine von Gottfried Wilhelm Leibniz bis hin zu dem ersten raumgroßen Röhrenrechner ENIAC oder frühen Personal Computern können im Heinz Nixdorf Museumsforum aus nächster Nähe betrachtet und manchmal sogar selbst ausprobiert werden. Zur Zeit beleuchtet außerdem die Sonderausstellung »Am Anfang war Ada« die Geschichte der Programmierung und damit vor allen Dingen die Rolle von Frauen bei der Entwicklung moderner Computer.
Generell sind Innovationen im Bereich der Technik fast ausschließlich von Männern initiiert und geprägt worden. Doch auch Frauen konnten sich manchmal einbringen etwa auf dem Gebiet der Programmierung. Während Männer spektakuläre Erfindungen im Bereich der Hardware auf den Weg brachten, waren es überwiegend Frauen, die Entscheidendes zur Entwicklung möglichst unkompliziert bedienbarer Computer beigetragen haben. Tatsächlich gilt sogar eine Frau als erste Programmiererin überhaupt: Ada Lovelace.
Augusta Ada Byron, wie die Tochter des romantischen Dichters und Bohemien Lord Byron sowie der Mathematikerin und britischen Aristokratin Anne Isabella Milbanke, vor ihrer Heirat hieß, erhielt eine für das 19. Jahrhundert ungewöhnlich umfassende Ausbildung. »Es war damals keine Frage, dass Frauen nicht für Fächer wie Mathematik geeignet sind. Das Interesse galt als männlich, oft versuchten Frauen sogar, es zu verstecken«, erklärt Sybille Krämer, Herausgeberin des Buches »Ada Lovelace. Die Pionierin der Computertechnik und ihre Nachfolgerinnen«, das begleitend zur Ausstellung erschienen ist. »Es dauerte noch eine ganze Weile, bis Frauen überhaupt studieren durften«. Dennoch unterstütze auch Ada Lovelaces Ehemann die Leidenschaft seiner Frau, die schon früh in Kontakt mit führenden Wissenschaftlern wie Charles Babbage stand. Ada Lovelace war von Erfindungen Charles Babbages’ wie der mechanischen Tänzerin »Silver Lady« oder der Rechenmaschine »Difference Engine« fasziniert, die er oft den Gästen seines Salons präsentierte und selbst ausprobieren ließ.
Ada Lovelace interessierte sich generell sehr für die Errungenschaften des Maschinenzeitalters wie Eisenbahn, Webstuhl oder Dampfantrieb. Dabei dachte sie ihre wissenschaftlichen Kenntnisse auf diesem Gebiet mit ihrer künstlerisch-kreativen Seite zusammen, wie Doreen Hartmann in dem begleitend zur Ausstellung erschienenen Buch darlegt: »Das künstlerisch-kreative, melancholisch-morbide, das Emotionale und das Traumhafte, bildeten für sie keinen Widerspruch zu den rationalen, technischen Wissenschaften«. Charles Babbage schätzte ihren wachen Verstand so sehr, dass er über Jahre mit ihr in regem wissenschaftlichen Austausch stand. So erfuhr sie auch von seinen ersten Plänen für einen Vorläufer moderner Computer: die »Analytical Engine«. Ada Lovelace gehörte zu denen, die das Potential der Maschine schon erkannten, als sie nur eine Skizze auf Papier war. Sie entwarf eine erste Berechnungsanweisung in Tabellenform für die »Analytical Engine«, die ihrer Vorstellung nach nicht nur Zahlen, sondern auch Stoffe wie Sprache oder Musik verarbeiten können sollte. Da die Maschine auch zu ihren Lebzeiten nicht gebaut wurde, konnte erst nach ihrem Tod nachgewiesen werden, dass die Berechnungsanweisung tatsächlich funktioniert hätte. Das machte Ada Lovelace nachträglich zur ersten Programmiererin.
Anschaulich zeichnet die Ausstellung im Heinz Nixdorf Museumsforum Ada Lovelace gesamtes Leben mit vielen multimedialen Erzählelementen nach. Greifbar wird so etwa das schwierige Verhältnis zwischen Lord Byron und seiner Frau, die sich kurz nach der Geburt ihrer Tochter trennten, so dass Ada Lovelace ihren berühmten Vater nie kennen lernen konnte und lange Zeit noch nicht einmal wissen durfte, wie er aussah. Viele digitale und analoge Bilder und Accessoires machen auch Ada Lovelaces’ Leidenschaft für Wissenschaft, Musik und die Spätromantik nachvollziehbar. Ein Großteil der Maschinen, die Ada Lovelaces Begeisterung für Technik und Rechenmaschinen begründet haben, sind ausgestellt und können von den Besuchern selbst ausprobiert werden. Dabei wird die Pionierin Ada Lovelace nicht einfach zu einer strahlenden Heldin stilisiert, sondern ausdrücklich auch auf ihre vorwiegend krankheitsbedingten Alkohol- und Drogenprobleme hingewiesen, genauso wie ihre Spielsucht, Schulden oder Liebesaffären, für die sie zum Teil heftig in der Kritik stand.
Leider wird anderen Pionierinnen wie Mary Ann Wilkes, die den ersten Personal Computer benutzerfreundlich machte oder Grace Hopper, die »in der Lage war, die Ansichten von Programmierern, Nutzern und Managern zu verstehen« und der es gelungen ist, dem Computer insgesamt ein »menschliches Gesicht« zu geben, wie Jane Abbate es in ihrem Text im Buch zur Ausstellung formuliert, nicht so viel Raum gegeben wie Ada Lovelace. Doch sie vermittelt parallel zu den Biografien, anhand von Werbeplakaten für Computer etwa oder Alltagsgegenständen, einen generellen Eindruck von der Rolle der Frau zu dieser Zeit. So wird die Ausstellung nicht nur zu einem kritischen Kommentar, sondern macht außerdem anschaulich nachvollziehbar, wie ungewöhnlich die Arbeit der Pionierinnen der Computertechnik oft gewesen sein muss. »Frauen war der Zugang zu Computern meist nur von der Seite der Software möglich«, erklärt Sybille Krämer, »hier konnte die menschliche Sprache, die als eine weibliche Domäne galt, eine Verbindung mit der Technik des Computers eingehen und zwischen ihnen vermitteln«.
Darüber hinaus bietet die Ausstellung einen Ausblick auf die aktuelle Forschung, bei der Frauen mittlerweile eine prägende Rolle spielen. Nadia Magnenat-Thalmann arbeitet daran, einen Roboter als Begleiter für Bürger zu entwickeln, der einfache Routinearbeiten erledigen und so die Bewältigung des Alltags erleichtern soll. Der mit weiblichen Gesichtszügen ausgestattete Roboter Nadine geht freundlich auf Besucher der Ausstellung ein und kann wie selbstverständlich mit ihnen interagieren. Nadine ist in der Lage, auf Fragen zusammenhängend zu antworten und verfügt dabei über eine erstaunlich komplexe und menschlich wirkende Mimik und Gestik.
Insgesamt wird der künstlerisch-kreative Seite in der Ausstellung viel Raum gegeben. Es ist außerdem etwa ein Computer zu sehen, der von einem Künstler nach der Steampunk-Ästhetik gestaltetet worden ist sowie eine lebensgroße, computeranimierte Ada Lovelace, die sich auf Besucher zubewegt, sie anspricht und ihnen folgt. Yvonne Spielmann beschreibt im Buch zur Ausstellung die prägende Rolle, die Künstlerinnen etwa in den Experimentierphasen technologischer Neuerungen gespielt haben und die sie bis heute Teil des »avantgardistischen Kreis der Medienpioniere« werden lässt.
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