Buchrezensionen

Andaloro, Maria und Romano, Serena (Hrsg.): Römisches Mittelalter. Kunst und Kultur in Rom von der Spätantike bis Giotto, Schnell & Steiner

Man hält eines jener Prachtstücke aus dem Verlag Schnell und Steiner in der Hand, deren Aufmachung (Leineneinband, feinstes Kunstdruckpapier und reichlich Illustrationen in bestechender Qualität) zunächst einmal über den doch recht stattlichen Preis hinwegsehen läßt.

Es handelt sich bei dieser Textsammlung um die deutsche Lizenzausgabe des 2002 in Mailand erschienenen Originaltitels “Arte e iconografia a Roma dal tardoantico alla fine del medioevo". Der deutsche Untertitel spekuliert wohl auf die Zugkraft Giottos, der aber bedauerlicherweise im Buch nur ganz am Rande erscheint. Im Vorwort wird der Betrachtungszeitraum dann auch mit “von Konstantin bis Cola di Rienzo" (S. 7) angegeben.

Den der Antike verpflichteten politischen und künstlerischen Visionen des 1354 hingerichteten Volkstribuns Cola ist der letzte der insgesamt acht Beiträge gewidmet und insofern repräsentativ für die übrigen sieben, als er - gleich zu Beginn - zu Konfusionen führt: Der im Jahr 1100 Rom bereisende französische Bischof Hildebert de Lavardin habe die Stadt in einem seiner “Karmen" (gemeint sind die Carmina) als regio dissimilitudinis apostrophiert und damit “recht gut in den damaligen geschichtlichen Rahmen" (S. 175) gepaßt.

Von der Autorin und Mitherausgeberin Serena Romano darüber im unklaren gelassen, daß regio dissimilitudinis ein der augustinischen Tradition (“Confessiones" VII) entstammender Topos ist, der einen Ort oder einen Zustand der Gottesferne und/oder der Gottesunähnlichkeit bezeichnet, hat sich der Leser mit der kuriosen Formulierung “Stätte der Verschiedenartigkeit" herumzuplagen, um dann ratlos über der folgenden opaken Stelle brüten zu müssen: “In psychologischer - ja fast psychoanalytischer Hinsicht - sind die Werke des französischen Schriftstellers [Hildebert] also beispielhaft. Auf einen universalen [base ']Gemeinplatz' wie Rom angewandt, wird der Gegensatz Leib/Seele, Äußeres/Inneres, Tod/Leben, Himmel/Erde, der dem christlichen Denken zugrunde liegt, zur Figur und Verkörperung des Archetyps." (S. 175)

Immer wieder treffen wir auf derartige sprachliche und gedankliche Zumutungen; so auch, wenn es um die Frage der von Kaiser Konstantin im 4. Jahrhundert für christliche Basiliken gestifteten camerae fulgentes geht und wir aufgefordert werden, “unsere Aufmerksamkeit jenen extrem raren Stoffexemplaren zuzuwenden, die uns nicht auf Grund unmöglich nachzuweisender Verwandtschaften, sondern eher wegen kaum merklicher Ähnlichkeiten interessieren." (S. 28)

Solche Passagen erwecken den bösen Verdacht, die Autoren und die Übersetzerin hätten um die Wette daran gearbeitet, dem Leser die Lektüre zu vergällen. Einen Punktevorsprung erringt die Übersetzerin mit dem durchgängig produzierten Erstsemesterlapsus, das italienische alto medioevo nicht als “Frühmittelalter" zu begreifen, so daß sich die zur Zeit des Ikonoklasmus bilderfreundlichen Päpste Sergius I. und Hadrian I. ins Hochmittelalter verpflanzt finden.

Dem Rezensenten mag nachgesehen werden, daß er schließlich den Ausführungen des Buches zu Kontinuität und Diskontinuität von Antike und Mittelalter nicht länger folgen mochte, als er eine “aphasische [...] Gegenstandsart" (S. 30) vorgeführt bekam. Endgültig gab er bei dem Satz auf: “Ein im Vergleich zu diesem Geflecht [Palimpsest der Maria Basilissa in S. Maria Antiqua??] entropisches [?] Element ist die Ikone des hl. Sixtus [Madonna von S. Sisto??]". (S. 53) Entnervt und erschöpft ließ er Augen und Gemüt lieber auf den schönen Bildern ausruhen, endlich erlöst von den Leiden in dieser editorischen regio dissimilitudinis.
 

Bibliographische Angaben

Andaloro, Maria und Romano, Serena (Hrsg.): Römisches Mittelalter. Kunst und Kultur in Rom von der Spätantike bis Giotto; mit Beiträgen von Augusto Fraschetti, Enrico Parlato, Francesco Gandolfo und Peter Cornelius Claussen. Schnell & Steiner, Regensburg, 224 Seiten, September 2002.
ISBN-13: 9783795414719

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