Ausstellungsbesprechungen

Besprechung im Doppelpack: Die Kunst des Selbstporträts VI, Kunsthalle St. Annen, und Couture – Mode-Objekte von Stephan Hann, St. Annen-Museum Lübeck, beide bis 19. Februar 2012

Die Kunsthalle St. Annen wartet mit einer spannenden Doppelausstellung auf. Selbstporträts und Mode-Installationen sind im ehemaligen Augustinerinnen-Kloster zu sehen. Besuchen Sie die Ausstellung und fangen Sie den Flair des eindrucksvollen Klosters ein. Stefan Diebitz mit seiner Rezension.

Wie im vergangenen Jahr kombiniert das Lübecker St. Annen-Museum auch im Herbst 2011 zwei Ausstellungen: Zum insgesamt sechsten Mal wird ein Ausschnitt aus der gewaltigen Sammlung Leonie von Rüxleben gezeigt, und dazu präsentiert der Berliner Modekünstler Stephan Hann circa hundert Kleider aus den letzten fünfzehn Jahren. Alt also das Konzept einer Doppelausstellung, neu dagegen der Ärger um einen der Protagonisten.

Leonie von Rüxleben, eine Hamburger Getreidemaklerin, trug über Jahrzehnte hinweg graphische Selbstportraits zusammen. Sie vermachte ihre circa tausendzweihundert Arbeiten umfassende, sehr hochwertige Sammlung dem Lübecker St. Annen-Museum mit der Auflage, mit diesem Material jedes Jahr eine Ausstellung zu bestreiten. Platz ist für so schöne Blätter natürlich immer, aber das Museum hat Probleme, alljährlich ein neues Ausstellungskonzept zu formulieren, und so ist man dazu übergegangen, die Blätter alphabetisch zu präsentieren. In diesem Jahr kommen die Künstler von Heinz Eberhard bis Günther Filus zum Zuge.

Es sind grundsätzlich Arbeiten aus dem 20. Jahrhundert, aber das ist neben der generellen Thematik auch schon fast die einzige Gemeinsamkeit, denn es handelt sich sowohl um Lithographien wie um Zeichnungen, um Aquarelle wie um Holzschnitte. Besonders schöne Blätter stammen von Hans André Ficus (1919 – 1999) oder jüngeren Künstlern wie Michael Edelmann oder Esteban Fekete. Edelmann zeichnete mit Farbstiften sich selbst, wie er mit Sympathie und großen Kugelaugen auf ein Vogeltier hinabschaut, das wir von Wilhelm Busch kennen: »Mein Freund Hans Huckebein« hat der Künstler das humorvolle Blatt getauft. Fekete präsentiert sich selbst in zwei ausgesucht schönen Farbholzschnitten, einmal als »Ich im Kimono«, ein anderes Mal mit einem riesigen Hund.

»ich sah und schnitt in Holz« taufte Conrad Felixmüller (1897 – 1977) ein kleines Blatt. Er war auch Maler, zeichnete sich aber besonders mit Holzschnitten aus, deren mehrere es in die Auswahl geschafft haben. Der Höhepunkt der Ausstellung ist ein kraftvoller Holzschnitt aus seiner Hand, der den »Zeichner vor Dresden« zeigt, ein auf 1930 datiertes expressives Blatt, das sowohl in seiner dichten und ausgewogenen Komposition wie mit seiner stupenden Technik überzeugt. Der Künstler, der sich selbst im Profil und mit Schiebermütze porträtiert, schaut vom östlichen Elbufer nach Süden auf die Dresdner Altstadt, über der die Sonne hoch in einem dramatischen Himmel steht. Kraftvoller, entschiedener und schärfer könnte ein Blatt nicht sein, aber ebenso erstaunt es durch seine saubere Bearbeitung.

Der 1970 geborene Stephan Hann, ein gelernter Herrenmaßschneider, hat es zu seinem Markenzeichen gemacht, aus allen möglichen Gegenständen und Materialien Kleider zusammenzunähen. Dabei legt er Wert auf solides Handwerk. Manche Kleider sind aus alten Zeitungen, andere aus Champagnerkorken, Tetrapakfetzen oder Telefonbuchseiten genäht. Der eine empfindet solche Kleider als schon fast poetisch, der andere als vergagt. Ursprünglich sollten sie mit Stücken aus der umfangreichen Trachten- und Kostümsammlung des Museums gezeigt werden, aber die dafür vorgesehenen Räume wurden nicht rechtzeitig fertig.

In den besten Fällen gestaltet Hann pittoreske Räume, in Lübeck etwa mit einem riesigen Regal, das wie der überdimensionierte Setzkasten eines kleinen Mädchens aussieht, in dessen insgesamt zehn Fächern Schaufensterpuppen des Meisters Kleider vorführen. Eines davon gänzlich durchsichtig, und da fragt man sich dann doch, ob diese Kleider, wie vom Künstler behauptet, tatsächlich »tragbar« sind. Er konnte auf eine Nachfrage hin auch nur eine einzige Dame nennen, die mal eines seiner Kleider getragen hat.

Unwillen besonders bei den professionellen Fotografen erregte ein Fotografierverbot, das Hann ebenso kurzfristig wie bestimmt aussprach – ohne jede Angabe von Gründen. Niemand vermochte einzusehen, inwiefern die Rechte des Künstlers durch Fotografen beeinträchtigt sein könnten, zumal dem Mitarbeiter der Lokalzeitung zuvor das Privileg zugesprochen war, allein durch die Ausstellung zu gehen und nach Herzenslust abzulichten. Aber Hann verweigerte allen anderen nicht allein die Fotografiererlaubnis, sondern auch jedes Gespräch. Er wolle »nicht mehr« darüber sprechen, ließ er seinen Assistenten versichern, als hätte er zuvor sein Verbot ausführlich begründet und als wäre nun alles gesagt. Aber tatsächlich gaben weder er noch sein Assistent einen Grund an – wahrscheinlich, weil sie keinen wussten.

Noch etwas anderes ließ diesen Auftritt ein wenig bizarr erscheinen. Welches Recht besaß er, innerhalb eines Museums irgendein Verbot auszusprechen? Wem gehört denn das Hausrecht? Eigentlich hätte niemand seinem Verbot zu gehorchen brauchen. Selbst als sich der Herr des Hauses, Thorsten Rodieck, vor einer weißen Wand zu einem Foto bereit erklärte, deutete der große Couturier in merkwürdiger Verkennung seiner Position sein Missfallen an und bekräftigte noch einmal sein Fotografierverbot. Freunde wird er sich mit seinem Verhalten nicht gemacht haben.

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