Meldungen aus der Forschung

FORSCHUNGSPROJEKT: Das Schicksal jüdischer Kunstsammler und Händler in München 1933-1945

Die staatlichen und städtischen Museen in München starten zum 1. Juni 2009 ein von der Arbeitsstelle für Provenienzrecherche/-forschung in Berlin bundesweit erstmalig gefördertes Kooperationsprojekt mit dem Thema: Das Schicksal jüdischer Kunstsammler und Händler in München 1933-1945. Das Projekt wird bearbeitet von Dr. Vanessa-Maria Voigt, Autorin des Buches über die Sammlung Sprengel von 1934 bis 1945, zuletzt für die Stadt Hannover tätig, und Horst Kessler M.A., bekannt als Autor über Karl Haberstock und Provenienzforscher für die Kunstsammlungen und Museen der Stadt Augsburg. Die Projektleitung liegt bei Dr. Andrea Bambi, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Dr. Irene Netta, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Bernhard Purin, Direktor des Jüdischen Museums. Das Forschungsprojekt ist für voraussichtlich drei Jahre angelegt.

Im Winter 1938/39 beschlagnahmte die Geheime Staatspolizei München im Rahmen der so genannten »Judenaktion« Kunstwerke aus jüdischem Privatbesitz. Diese wurden zunächst im  Bayerischen Nationalmuseum und im Münchner Stadtmuseum deponiert, dann an die Pinakotheken, die Graphische Sammlung, das Nationalmuseum, das Münchner Stadtmuseum und die Städtische Galerie verteilt. Die jeweiligen Direktoren schätzten den Wert der Kunstwerke, die erfolgten Zahlungen standen jedoch den Eigentümern nicht mehr zur Verfügung, da die NS-Gesetze ihnen keinerlei freie Verfügung über ihr Vermögen mehr erlaubten. Nach Kriegsende fand man die Kunstwerke zusammen mit denen der bayerischen Museen in den Bergungsorten auf. Von dort wurden sie von den Alliierten an die Central Collecting Points in München und Wiesbaden verteilt und so weit möglich an die rechtmäßigen Eigentümer bzw. deren Rechtsnachfolger restituiert.

Auf Basis der im Münchner Stadtmuseum 2007 aufgefundenen Beschlagnahmungslisten von 1938/39 und der im so genannten ALIU Report (Art Looting Investigation Unit, Final Report, Washington 1. Mai 1946) erfassten Namen von Kunstsammlern und Händlern jüdischer Herkunft soll dieses Kapitel jüdischen Lebens in München erschlossen werden. Ziel des Forschungsprojekts sind Kurzbiografien der bislang circa 70 Sammler und 30 Händler, die Identifizierung ihres Kunstbesitzes sowie die Beschreibungen der Kunsthandlungen. Historisch bedingt hatte die Mehrzahl der Münchner Kunsthändler seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen jüdischen Familienhintergrund. Bekanntere Namen sind die von Otto Bernheimer, Heinrich Thannhauser und Fritz und Hugo Helbing. Die Kunsthandlung der letzteren wurde »arisiert« und weitergeführt. Heinrich Thannhauser verstarb 1934, sein Sohn musste das nationalsozialistische Deutschland verlassen und emigrierte 1939 von Paris aus in die USA, wo er sich in New York eine neue Existenz aufbaute. Sehr ausführliche Forschungen wiederum existieren beispielsweise zu den Sammlungen von Alfred Pringsheim und Siegfried Lämmle. Wer aber waren Siegfried und Johanna Adler, Julius Davidsohn und Margarethe Katzenstein, um nur einige der 70 Namen zu nennen, deren Sammlungen im Dezember 1938 beschlagnahmt wurden? Und woher stammten die präzisen Informationen, mit denen die Sammlungen aufgespürt werden konnten? Diesen Fragen stellt sich das Projekt und wird so auch die Sammlungsgeschichte der beteiligten Häuser und deren Erwerbungspolitik erhellen.

Beteiligte Museen sind die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, das Jüdische Museum München, die Städtische Galerie im Lenbachhaus, das Münchner Stadtmuseum, das Museum Villa Stuck, das Bayerische Nationalmuseum und die Staatliche Graphische Sammlung.
 

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