Hier wird Geschichte lebendig - diesen Vorsatz hat sich das in der Kinderbuchreihe „Abenteuer Zeitreise“ erschienene Buch „Feuerregen auf Pompeji“ von Nicholas Harris zum Ziel gesetzt und liegt nun in einer deutschen Ausgabe mit der Übersetzung von Salah Naoura aus der englischen Originalfassung vor.
Auf 31 Seiten, die sich fast ausschließlich aus großformatigen Illustrationen und Detailzeichnungen von Peter Dennis zusammensetzen, geleitet der Autor den Leser auf einer Zeitreise, die sich am Fuß des Vesuvs abspielt. Sie nimmt ihren Anfang Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung und endet in der Gegenwart. Dabei steht ein Thema im Mittelpunkt: Der Ausbruch des Vesuvs und wie die blühende römische Stadt Pompeji in Schutt und Asche versinkt.
Das Buch ist in 12 Kapitel und ebenso viele großformatige Panoramabilder gegliedert, die jeweils einen historischen Zeitpunkt behandeln. Zu jeder Illustration ist im oberen Abschnitt ein kurzer Text beigefügt, der in wenigen Worten den historischen Hintergrund und das bildlich dargestellte Geschehen beschreibt. Überdies werden verschiedene Details der Zeichnungen durch eine zusätzliche Beschriftung im Bild erklärt. Im gesamten Buch findet der Leser am rechten Seitenrand eine Daumenleiste, die je nach Abschnitt der Geschichte mit passenden Illustrationen versehen ist. Dadurch lassen sich die im Buch chronologisch gereihten Ereignisse schneller finden und ermöglichen ein unkompliziertes vorwärts und rückwärts Blättern, ohne den Zusammenhang aus den Augen zu verlieren. Auf der letzten Seite des Buches (S. 30) sind unter der Rubrik „Wichtige Wörter“ 17 Fach- und Fremdwörter zusammengestellt und näher erläutert. Der hintere innere Buchdeckel enthält außerdem ein Register zu Begriffen im Text und zu den Beschriftungen der Zeichnungen.
Die Hauptansicht sämtlicher Zeichnungen ist ein fixer Blickwinkel auf die Hänge des Vesuvs. Der Reiz des Buches besteht nun darin, dass fortwährend aus der gleichen Perspektive die Veränderungen im Laufe der Geschichte beobachtet werden können. Gerade die Kapitel, die den Untergang von Pompeji zum Inhalt haben und die Ereignisse in kurzen zeitlichen Intervallen wiedergeben, animieren zu einem ständigen vorwärts und rückwärts Blättern. Erst durch den Vergleich der Details auf den aufeinander folgenden Seiten offenbart sich auch der humoristische Gehalt des Buches. So kann der gewissenhafte Leser beispielsweise einen blinden Bettler als Betrüger entlarven, der bei der Explosion des Vesuvs plötzlich seine Augenbinde hebt und voll Verwunderung zum Vulkan emporblickt (S. 11-17). Ebenso unterstreichen heitere Darstellungen von alltäglichen Missgeschicken, wie Stolpern oder Ausrutschen, den Unterhaltungswert der Zeichnungen. Besonders reizvoll ist der Vergleich zwischen den Panoramabildern der römischen Zeit (S. 10-19) und der Gegenwart (S. 28-29). Viele amüsante Parallelen lassen sich hier finden, sowohl in der Anordnung der Personen als auch in den Ereignissen.
Inhaltlich besonders lobenswert ist, dass auf die Problematik der Forschungsgeschichte von Pompeji (S. 24-25) und der ersten wissenschaftlichen Ausgrabungen (S. 26-27) ausführlich eingegangen wird. Allerdings ist der didaktische Grad der fachlichen Wissensvermittlung relativ gering. Nichts wird beispielsweise über das antike Alltagsleben erklärt, obwohl gerade dieses im Buch eine zentrale Rolle einnimmt. Auch über die römische Architektur, die anfangs voll rekonstruiert, am Ende in Ruinenzustand zu bewundern ist, verliert der Autor kein Wort. Die wenigen am Ende zusammengestellten Fach- und Fremdwörter bieten hierfür keinen befriedigenden Ersatz. Auch darf die Wahl des Wortes Kachel (offensichtlich für römische Ziegel und Keramik) in der sonst fehlerfreien deutschen Übersetzung als etwas unglücklich bezeichnet werden (S. 22-23). Dafür sprechen die großformatigen Bilder und Detailzeichnungen umso mehr für sich und beeindrucken durch ihre naturgetreue Wiedergabe. Gerade das ist der große Vorteil des Buches Feuerregen auf Pompeji. Im Gegensatz zu anderen Kinderbüchern, die wegen ihrer didaktischen Texte brillieren, besticht diese Publikation alleine durch ihre herausragenden Illustrationen.
Nicht nur den angedachten Leserkreis, sondern auch den interessierten Laien im Erwachsenenalter wird dieses Buch erfreuen. Denn kein Text könnte die Gegenüberstellung der modernen Ruinenlandschaft von Pompeji und der rekonstruierten antiken Stadt derart wirkungsvoll beschreiben wie die Zeichnungen dieses Buches. Daher wird auch der archäologisch geschulte Experte an diesem Buch und seinen amüsanten Illustrationen Gefallen finden, sofern er nicht mit dem ernsten Blick des Wissenschaftlers alle Rekonstruktionen kritisch zu hinterfragen beginnt.