Ausstellungsbesprechungen

Hiroyuki Masuyama: Minima – Maxima. Ein Weg nach Italien, Angermuseum Erfurt, bis 15. Juli 2018

Auf den Weg nach Italien kann sich, wer will, in diesen Tagen mit den Werken Hiroyuki Masuyamas begeben. Der Künstler geht den Wegen nach, den vor ihm Klassiker der Kunstgeschichte wie William Turner oder Caspar David Friedrich gegangen sind. Stefanie Handke war vor Ort.

Vor allem das Licht ist es, was in den Werken Hiroyuki Masuyamas auffällt: Der Künstler spielt mit ihm wie einst William Turner. Dass das aber kein Zufall, sondern Absicht ist, sieht man auf den ersten Blick. William Turner, Caspar David Friedrich, Piranesi sind nur einige der großen Namen, auf die sich Masuyama bezieht.

Manche seiner Werke sind dabei aber mehr als nur Bezüge, sie geben Bildaufbau, Malstil und Farben fast originalgetreu wieder. Jedoch: es handelt sich nicht etwa um Gemälde oder Kupferstiche, sondern um fotografische Arbeiten, Lichtboxen, in denen der Künstler mit seinen Mitteln die großen Meister auferstehen lässt. Was dabei auffällt: diese Zitate erhalten durch die Präsentation als Lichtboxen nicht nur ein Licht, das aus der Farbigkeit entsteht, sondern strahlen aus sich selbst heraus. Und so erhält ein vermeintlicher Turner noch einmal eine zusätzliche Dimension – Transparenz als neuer Zugang zum großen englischen Romantiker?

Weitaus interessanter sind da wohl die moderneren Bearbeitungen etwa von Friedrich Nerlys »Piazzetta im Mondschein« (1842). Hier türmen sich auf den ersten Blick die Wolken ebenso wie im Vorbild übereinander, freilich changieren auch die Farben des Himmels in ähnlichem Graublau, jedoch, die Menschen sind ganz andere! Sie tragen moderne Steppmäntel samt Kunstpelzbesatz, kommen in Jeans daher und die Gebäude erleuchtet elektrisches Licht. Masuyama lässt hier historische und gegenwärtig vorgefundene Situation verschmelzen. Und so datiert er seine »Piazetta in Venedig bei Mondschein« auf die Jahre 1838 und 2018 – und lässt den Lokalpatrioten unter den Besuchern auch gleich einen Gruß da, denn die Idee zum Werk zieht ihre Inspiration aus der Gemäldesammlung des Angermuseums.

Ähnlich arbeitet der Künstler mit den Vorlagen, die ihm verschiedene Kupferstiche aus dem 17. Jahrhundert liefern: im Gewand der historischen Drucktechnik kommen auch hier Digitalprints daher, die etwa den Konstantinsbogen zeigen, der sich vor historischer Stadtlandschaft erhebt während im Vordergrund der gegenwärtige Trubel mit Autos, Motorrädern und Touristengruppen herrscht.

Wenn man so durch den Sonderausstellungssaal im Erfurter Angermuseum geht, fragt man sich unweigerlich, was der Künstler denn nun eigentlich will: ist da alles nur eine Verneigung vor den Großen der Kunstgeschichte? Nicht mehr? Hiroyuki Masuyama trifft dabei noch – ob aus tatsächlicher Liebe zum Bild oder aus Kalkül – seine Wahl zugunsten beliebter und vor allem gefälliger Bildwerke. Interessant ist sein Zugang, die Orte aufzusuchen, die Friedrich, Turner, Nerly und Co. inspiriert haben, erneut zu besuchen und die Veränderungen hier zu dokumentieren, allemal.

Aber auch vollkommen eigenständige Werke lassen sich in der Ausstellung entdecken. Besonders beeindruckend ist dabei sicherlich »Milky Way« (2012), das aus zahlreichen kleinen Leinwänden zusammengesetzte wandfüllende Abbild der Milchstraße. Hier zeigt sich der Sinn des Künstler für das ganz Große, aber auch für das Detail und sein handwerkliches Können ohnehin. Ja, beeindruckend ist das. Und schön obendrein.

Schönheit ist vielleicht das Problem dieser Ausstellung: Dem Besucher begegnet hier ein ums andere Mal ein wirklich schönes Bild – und ob dahinter mehr steckt, das fragt sich der Betrachter ernsthaft. Ja, Masuyama beherrscht sein Handwerk zweifellos und seine Neuinterpretationen haben etwas für sich. Aber es ist doch ein wenig unklar, ob man hier mehr als nur bloße Fingerübungen präsentiert bekommt oder nicht gar das, was Wolfgang Ullrich einmal als »Siegerkunst« bezeichnete: handwerklich perfekt, inhaltlich durchdacht, aber nichtsdestotrotz stets auch unverfänglich genug, um im Wohnzimmer eines Sammlers dekorativ zu sein. Vielleicht liefert die Antwort ja die begehbare Kugel des Künstlers, die im Foyer des Museums besichtigt werden kann: späht der Besucher hier durch die Luke ins Innere begegnen ihm wieder Sterne, genauer gesagt die Sternbilder, die auf der Erde zu sehen sind, wiedergegeben durch tausende Glasfaserleuchten – ein gänzlich anderer Blick auf unseren Himmel, wenngleich ein künstlicher, und damit auch ein anderer Blick auf Raum und Zeit. Und so schließt sich er Kreis zu Masuyamas Turner-, Piranesi- und Nerly-Hommagen, die ja auch kleine Reisen durch Raum und Zeit sind.

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