Ausstellungsbesprechungen

Luisa Richter – Wandernde zwischen zwei Welten

Ob das Bild des »Zwischen-den-Welten«-Wanderers so ganz treffend ist, sei dahingestellt, mit Sicherheit aber hat Luisa Richter (geb. 1928) einen Weg beschritten, der sich sehen lässt: Als Studentin bei Willi Baumeister – flankiert von Philosophieseminaren bei dem legendären Max Bense – startete die gebürtige Besigheimerin ihre Karriere, die sie bis nach Caracas führte, ihrer Wahlheimat, die sie 1978 als Vertreterin zur Biennale in Venedig entsandte.

In Venezuela gehört Richter zu den vielbeachteten Stimmen der Kunstszene (die Bibliothek der Uni Simón Bolivar in Caracas hat 1997 eine permanente Wechselausstellung eingerichtet, die sich dem Thema Kunst und Leben widmet, »um die Studierenden darauf hinzuweisen, dass neben Technik … die Realisierung von Ideen durch eigenes manuelles Tun … existiert«, so Richter), hierzulande muss sie erst noch im Hinblick auf das Gesamtwerk entdeckt werden – unter diesem Vorzeichen prescht die Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen außerordentlich engagiert vor und zeigt rund 100 Gemälden, Collagen, Grafiker, Pastellen und Zeichnungen, hier zumindest erstmals einen beachtlichen Überblick in alle Werkphasen der Künstlerin: über die malerische Umsetzung abstrakter Erdschichtungen und eine wilde gestische Phase in der Nähe des Informel und mehr noch mit Anlehnungen an die Cobra-Gruppe bis hin zu meditativen Flächenräumen und einer Neubewertung der Figuration und der Farbigkeit.

Nicht alle Arbeiten der einzelnen Phasen sind überzeugend ausformuliert, da etwa, wenn Richter zu weit springt und in den Bildern eines Lovis Corinth stecken bleibt. Am stärksten ist Richter in ihren Collagearbeiten, in denen sich realistische Motive mit durchaus provokativen Assoziationen und abstrakte Bildelemente begegnen, und die das »kreative Tun« höher stellt als den Kunstgedanken. Dass sie dabei unbekümmert verschiedene Stile aufgreift, kann man im Katalog nachlesen. »Malen bedeutet für mich Auseinandersetzung zwischen Tradition und aktuellen Phänomenen. Unaufhörlich schieben sich Geschehnisse, Eindrücke und Erfahrungen in den Gestaltungsprozess ein, Altes und Neues durchdringen einander, überlagern sich und verschmelzen« (aus dem Tagebuch). Dabei ist sie aber weit entfernt von jeglicher Beliebigkeit: Die Abstraktion verbucht die Künstlerin gern als Traditionspflege – es schien fast wie eine Verpflichtung, als Luisa Richter ihren Lehrmeister tot im Atelier gefunden hatte –; ihre Malerei darüber hinaus steht in einem bewussten, in Richters Worten »gemächlichen« und »stetigen« Malprozess, der sich nach äußeren Faktoren richtet. »Unsere Lebenszeit flieht rasend dahin, aber ich will sie durch mein Zugreifen aufhalten und umso gründlicher nutzen, je schneller sie fortgleitet«.

 

Weitere Informationen

 

Öffnungszeiten
Dienstag – Sonntag 11–18 Uhr
Donnerstag 11–20 Uhr

Eintritt
Eintritt 5,– EUR / 3,– EUR

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