Ausstellungsbesprechungen

Magie des Augenblicks – Skizzen und Studien in Öl. Frankfurt am Main, Sammlung Giersch, bis 31.1.2010

Es gilt eine verkannte Schönheit zu preisen: die Ölskizze, die seit Herbst 2009 im Mittelpunkt einer Ausstellung der Frankfurter Sammlung Giersch steht. Auch wenn der regionale Bezug die Tragweite der ohnehin im besten Sinn unaufdringlichen Präsentation schmälert, kann man sich dem Charme und letztlich der Faszination nicht entziehen. Günter Baumann hat diese Ausstellung für PKG gesehen.

Freilich, die Kunstlandschaft Rhein-Main, die als inhaltliche Messlatte an die Auswahl angelegt wurde, dürfte in erster Linie die Besucher aus der Umgebung locken, und in einer Zeit der gröberen Reizvermittlung und einer Gewöhnung an große Formate wird man die Ausstellung kleinformatiger Ölskizzen und Ölstudien nicht wirklich als spektakulär bezeichnen können.

Doch gerade deshalb ist es höchste Zeit, einmal nicht das Ergebnis eines Malprozesses zu zeigen, sondern die unterschiedlichen Etappen dazu. Was die Rhein-Main-Gegend angeht, ist es überhaupt der erste Überblick dieser Art, aber auch sonst muss man lange suchen – Brüssel zeigte vor wenigen Jahren Rubens als »Genie bei der Arbeit«, die auch die Ölskizzen einbezog – , bis man den malerischen Entwurf thematisch aufs Podest gehoben vorfindet. Das Besondere ist das fast ans Anarchische grenzende Unzeitgemäße, das die Vorstufen zur Malerei auszeichnet. Im künstlerischen Prozess vergleichbar der literarischen Skizze, die vorwiegend als Forschungsgegenstand dient, zeigt das malerische Pendant eine formale Flüchtigkeit, einen spontanen Gestus und eine farbliche Kühnheit - Eigenschaften, die im 18. Jahrhundert noch keinen Einzug in die Malerei selbst gefunden haben und im Laufe des 19. Jahrhunderts zwar von genialen Einzelpersönlichkeiten umgesetzt wurden, aber doch erst im Impressionismus eine breitere Öffentlichkeit (wenn auch nicht unbedingt gleiche Akzeptanz) fanden – in Frankreich war dies sogar deutlicher als in Deutschland spürbar.

Chronologisch und thematisch nähert sich die Ausstellung den Figuren- und Porträtstudien, den Wolken- und Landschaftsmotiven sowie den Tierdarstellungen; zugleich wird der Wechsel von der Atelierarbeit zur Freilichtskizze deutlich, der naturgemäß früher einsetzte als derselbe Wechsel in der Malerei. Das Museum hat dafür Raum für über 130 Werke aus dem 18. und 19. Jahrhundert geschaffen, sowie ein paar Ausblicke ins 20. Jahrhundert gegeben, wobei die jüngeren Arbeiten deutlich machen, dass der spontane Stil in der großen impressionistischen Bewegung angekommen ist. Wichtig für die Künstler der Rhein-Main-Region war der Blick über den Rhein, als vorbildlich kann die Schule von Barbizon genannt werden. Über 50 Künstler sind in der Ausstellung vertreten, darunter Wilhelm Busch, Carl und Friedrich Ernst Morgenstern, Christian Georg Schütz, Carl Ludwig Seeger, Johann Conrad Seekatz, Philipp Veit u.a.m., die als »heimliche« Pioniere eine intensive Betrachtung und Würdigung verdienen. Interessant ist auch das Phänomen, dass auch banale, nebensächliche oder »Nicht-«Motive (Wolken, Steine, Baumstümpfe o.Ä.) Einzug aufs Papier oder die Leinwand fanden, was nicht allein dem Skizzenbuch geschuldet ist, zieht man die Parallelen zur Literatur eines Adalbert Stifter, der den »bunten Steinen« in all seinen Facetten erzählerisch nachging. Die »Magie des Augenblicks« ist weder dem Mythos noch dem Erhabenen entlehnt, sondern dem glücklichen Moment, in dem dem Betrachter ein kleines Detail „zufällt“, das die Zeit genauso oder besser widerspiegelt  als ein monumentales Historienbild. Und seien wir ehrlich: Nicht hinter jeder Flussbiegung erwartet uns eine Meerjungfrau.

Weitere Informationen

Öffnungszeiten
Di - Do 12 -19 Uhr,
Fr 12 - 17 Uhr,
Sa/ So 11 - 17 Uhr

Eintritt
Erwachsene 5,00 EURO, ermäßigt 2,00 EURO

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