Kataloge, Rezensionen

Sigrid Achenbach: Kunst um Humboldt. Reisestudien aus Mittel- und Südamerika von Rugendas, Bellermann und Hildebrandt im Berliner Kupferstichkabinett. Hirmer Verlag München 2009

In seiner Vorrede zur 1. Auflage seiner »Ansichten der Natur« spricht Alexander von Humboldt von den Schwierigkeiten, welche „die ästhetische Behandlung naturhistorischer Gegenstände“ mit sich führe. „Überblick der Natur im großen, Beweis von dem Zusammenwirken der Kräfte, Erneuerung des Genusses, welchen die unmittelbare Ansicht der Tropenländer dem fühlenden Menschen gewährt, sind die Zwecke, nach denen ich strebe.“ Damit deutet Humboldt nicht allein an, wovon sein Buch handelt, sondern auch, worin sich sein Entwurf der Naturwissenschaft von ihrer späteren Entwicklung unterscheidet und warum er über Jahrzehnte hinweg den Kontakt zu guten Malern suchte und sie ausgiebig förderte. Eine reiche Ausstellung im Berliner Kupferstichkabinett stellt die drei wichtigsten dieser mit Humboldt verbundenen Künstler vor. Den Katalog hat Stefan Diebitz für uns gelesen.

Kunst um Humboldt©Hirmer Verlag
Kunst um Humboldt©Hirmer Verlag

Der Titel des Buches spricht aus, welche Bedeutung dem großen Naturforscher und Weltreisenden Alexander von Humboldt für das Werk der drei Maler zukam. Für die Publikation seiner Forschungsergebnisse brauchte Humboldt gute Illustratoren, die seine eigenen Zeichnungen – er besaß zeichnerische Fähigkeiten, die ihm im Urwald oder angesichts der Anden ziemlich nützlich waren – in Stiche umwandelten; und weil seine Ansprüche sehr hoch waren und er seine Bücher überaus reich, ja kostbar illustrieren ließ, führte ihn dies bis an den Rand des finanziellen Ruins. Später versuchte er, geeignete Künstler direkt zu unterstützen, indem er ihnen Zuschüsse von der Krone verschaffte oder ihnen half, ihre Bilder an den König zu verkaufen.

Bilder waren für Humboldt nicht bloße Illustrationen, sondern viel mehr, denn das ästhetische Erleben gehörte für ihn zu den originären Zugängen zur Natur. Welchen Stellenwert die korrekte Wiedergabe der Merkmale einer Pflanze für ihn besaß, wird unter anderem deutlich, wenn der große Gelehrte an Karl Friedrich Schinkel schreibt, damit dieser Rugendas richtig instruiert: „sagen Sie Rugendas er solle ja die baumartigen Farrenkräuter noch einmal malen“. Johann Moritz Rugendas (1802 – 1858) war der erste und älteste der von ihm geförderten Maler. Humboldt gab noch mehr detaillierte Anweisungen und traf damit den richtigen, denn Rugendas, der vor ihrer Begegnung bereits Illustrator einer wissenschaftlichen Expedition gewesen war, interessierte sich lebhaft für die Naturgeschichte und ging nur zu gern auf Humboldts Anregungen ein, der die „Landschaftsmalerei zu einer neuen, nie gesehenen Herrlichkeit“ führen wollte, wie er am Ende seines Lebens im »Kosmos« schrieb.

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Achenbach zeigt, dass die Zeichnungen und Ölskizzen von Rugendas so genau und sachverständig angefertigt sind, dass sich die einzelnen Pflanzenarten von Botanikern identifizieren lassen. Anfangs zeichnete er viel, später ging er mehr zu Ölskizzen und Ölgemälden über, die er schließlich virtuos beherrschte. Manche Bilder erinnern an viel spätere Kunst, so etwa das den Umschlag zierende Gemälde einer Kirche im mexikanischen Perote – es wirkt schon fast impressionistisch. Seine »Bananenstauden« weisen voraus auf Henri Rousseaus »Der Traum«, und an diesem Bild kann man sehen, wie unwillkürlich der Blick des Betrachters den Unterschied zu europäischen Pflanzen wahrnimmt: es ist ein anderes Grün, und die Blätter sind nicht allein größer, sondern auch anders an dem Stamm befestigt. Uns, die wir heute exotischen Pflanzen bereits auf der eigenen Fensterbank begegnen, ist der Unterschied sicherlich nicht so präsent wie den Zeitgenossen Alexander von Humboldts, aber diese Bilder müssen Eindruck gemacht haben.

Neben Landschaften und Pflanzen malte Rugendas auch Szenen auf der Straße oder einmal ein Schlachtengemälde, aber wie besonders zwei grob verzeichnete Frauengestalten zeigen (in beiden Fällen ist ihm die Schulter ganz verunglückt, worüber der Katalog schweigend hinweggeht), waren Menschendarstellungen nicht seine Stärke. Und für ihn wie für seine beiden Kollegen gilt, dass kaum Tierdarstellungen es in die Ausstellung geschafft haben, obwohl zumindest Rugendas auch Tiere gezeichnet und gemalt hat. Das ist eine um so schmerzlichere Lücke, als die lebhaften Tierschilderungen ihres Förderers zum Eindrucksvollsten seines südamerikanischen Reisebuches gehören.

Rugendas war zweimal in Lateinamerika, zunächst in Brasilien und später in Mexiko, beide Male auf den Spuren Alexander von Humboldts. Ebenso in den Fußstapfen Humboldts bewegte sich Ferdinand Bellermann (1814 – 1889), allerdings nur in Venezuela 1842 – 1845; danach war er im europäischen Raum als respektierter Landschaftsmaler tätig. Seine Reise durch Venezuela gipfelte in dem Besuch einer auch heute noch für den Fremdenverkehr wichtigen Höhle, die bereits Humboldt betreten, erforscht und beschrieben hatte. Bellermanns seit dem Zweiten Weltkrieg verschollenes Bild »Die Erforschung der Guácharo-Höhle auf den Kordilleren von Venezuela bei ihrer Erforschung durch Alexander von Humboldt« wurde seine bekannteste Arbeit.

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Für Eduard Hildebrandt (1817 – 1868) gilt dasselbe wie für Rugendas und Bellermann – auch er wurde von Humboldt großzügig gefördert, was sich nicht zuletzt in Ankäufen seiner Bilder durch Friedrich Wilhelm IV. ausdrückte. Es sind eben diese Bilder, die sich nun in den Beständen des Kupferstichkabinetts befinden. Humboldts Bestreben, die Landschaftsmalerei zu neuen Zielen zu führen, fiel auch bei Hildebrandt auf fruchtbaren Boden, denn nach seiner vom preußischen Königshaus geförderten Brasilienreise blieb er bei Landschaften, wenngleich es ihn nicht noch einmal nach Südamerika zog. Überhaupt war sein Aufenthalt der am wenigsten intensive und ertragreiche. Hildebrandt betrat lediglich die Küstenregion Brasiliens, wo ihm allerdings wunderschöne Arbeiten gelangen und er noch heute trotz der Kürze seines insgesamt fünfmonatigen Besuches bekannt ist. In Rio de Janeiro schuf er auch einfühlsame Porträts, besonders solche von Schwarzen, die keinesfalls bloß Staffage in seinen stimmungsvollen Straßenszenen sind. Und natürlich malte er Landschaften.

Es war dieser Künstler, dessen Aquarell die Vorlage für eine populäre Farblithografie abgab, die Alexander von Humboldt in seiner typischen Haltung, den Schreibblock auf den übereinander geschlagenen Beinen, in seiner Bibliothek zeigt. Im Hintergrund hängt eine Weltkarte, die bereits damals – um 1845! – jene typische Verzerrung auszeichnet, die auch unsere Weltkarten besitzen: die nördliche Hemisphäre ist viel zu groß abgebildet, Afrika und Südamerika dagegen erscheinen fast schon winzig klein im Verhältnis zu ihrer tatsächlichen Größe. Ausgerechnet in Humboldts Arbeitszimmer!, möchte man da ausrufen.

Die in diesem Katalog versammelten Bilder muss man sich als stilistisch und motivisch höchst vielseitig vorstellen; es finden sich neben den dominierenden Naturschilderungen aller Art Straßenszenen, romantische Sonnenuntergänge oder auch Bilder, die ethnologisches Interesse verraten. Das gilt besonders für die Stiche, die Rugendas für sein zweibändiges Werk »Malerische Reise in Brasilien« (1835) angefertigt hat. Hier sind ihm die Porträts und Figuren wesentlich besser gelungen als bei den oben angesprochenen Ölbildern.

Sigrid Achenbach erzählt das Leben der drei Maler und kommentiert, die Forschung zusammenfassend, ihr Werk; das Buch dürfte lange Zeit das Standardwerk zu diesem Thema und zu diesen drei beachtenswerten Künstlern sein. Der ganze Band ist mit auffallender Sorgfalt und Liebe gearbeitet, und seine Lektüre ist höchst kurzweilig. Ein schönes Buch.

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