Ausstellungsbesprechungen

Max Beckmann: Exil in Amsterdam

Max Beckmann (1884–1950) war fast 50 Jahre alt und schon bekannt, als die Nazis die Macht übernahmen. Er machte sich keinerlei Illusionen über seine und der Deutschen Zukunft insgesamt. Er verlor über Nacht seine Existenzgrundlage: den Job an der Frankfurter Städelschule, die Möglichkeit auszustellen und schließlich seine Werke selbst, die aus den Museen verschwanden.

Aber seine Vita ist dennoch ein Triumph über den Ungeist – am Tag nach Eröffnung der Ausstellung »Entartete Kunst« verließ Beckmann Deutschland in Richtung Niederlande. Er sah das Nachbarland zunächst als Durchlaufstation auf dem Weg in die USA, aber er blieb bis 1947 und schuf seine schönsten Bilder im holländischen Exil. Dabei darf man nicht vergessen, dass die Nazis 1940 über die Niederlande herfielen und besetzten: Beckmann überstand diese Jahre mehr schlecht als recht, doch er schien an den Entbehrungen zu wachsen. Als er dann schließlich doch noch ins gelobte Land – in diesem Fall Amerika – kam (an die Rückkehr nach Deutschland dachte er nicht), war er ein berühmter, wenn auch einsamer Mann – das menschenverachtende »Tausendjährige Reich« lag dagegen in Trümmern.

Die Ausstellung in Amsterdam ist eine Hommage an einen der größten Ziehsöhne jener Stadt, die schon im 17. Jahrhundert unzähligen Menschen Zuflucht bot. Ihre Architektur mit der verwinkelten Hinterhausstruktur in Notzeiten war offenbar in der Lage, Menschen verschwinden zu lassen und damit dem Besatzerblick zu entziehen. Beckmann malte hier seine grandios chiffrierten Triptychen, die seine Ängste absorbierten und in zeitlose Weltkultur verwandelten: vieldeutig, undurchdringbar, visionär. Er hatte wie nur wenige die Kraft, die Tragödie seiner Zeit in neuen mythischen Zusammenhängen zu sehen und zu bannen. In Holland entstand in rund zehn Jahren zwischen 1937 und 1947 ein Drittel seines ganzen Werks (man vermutet insgesamt etwa 280 Gemälde). Es kam in einer vor Energie strotzenden Farbigkeit daher und drohte zugleich im Schwarz zu versinken. Wer nach Amsterdam kommt, sollte die drei Hauptgrachten, allen voran die Herengracht entlang spazieren – dem einen oder anderen erschließt sich so manches Rätsel in den Bildern Beckmanns. 

 

Über 100 Arbeiten, dazu Dokumente aller Art (Briefe, Fotos, Erinnerungsstücke) werfen ein Licht auf den Exilkünstler Max Beckmann, der den Maßstäben der Expressionisten entwachsen war. In Amsterdam reifte er zum Weltbürger (um Goethe & Co. zu bemühen), der sich selbst als »Zuschauer in diesem Traum« sah. Es mag sein, dass Beckmann selbst die Fülle positiver wie negativer Erlebnisse, die die Stadt an der Amstel ihm gab und die in seine Bilder einfloss, gar nicht so wahrnahm. »Ich spaziere an der Peripherie des Lebens«, schreibt er darüber. Auf jeden Fall sind die Amsterdamer Jahre so faszinierend wie das ins Paradoxe sich auswachsende Werk, das hier entstand. Begleitet wird die Schau von einem gewichtigen Katalog, der noch einmal über den Berichtszeitraum hinausweist. Zusammen mit der Pinakothek in München konzipiert, ist hier ein ganz großer Wurf gelungen. Er lässt letzten Endes den »ganzen« Beckmann ahnen und stellt zumindest einen Künstler vor, der in der Liga Pablo Picassos und Henry Matisses spielte. Da dürfte er der einzige Deutsche sein, der das schaffte.

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Öffnungszeiten

Täglich von 10-18 Uhr, freitags bis 22 Uhr

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