Gestern ging die 40. Art Basel zu Ende, deren Veranstalter den runden Geburtstag eher als Randnote vermerkten. Ob das Jubiläum vor Ausbruch der Finanzkrise in schillernder Champagnerlaune gefeiert worden wäre, schließlich bescherten die bisher üppigen Unternehmensgewinne auch dem Kunstmarkt schwindelerregende Rekordpreise, soll an dieser Stelle jedoch nicht interessieren. An der Auswahl der Werke lässt sich eine tief greifende Veränderung allerdings nicht ablesen. Da sich die internationale Jury den Luxus leistete, aus 1100 Bewerbern auszuwählen, blieben 300 ausstellende Galerien übrig, die sich aufgrund dieses Renommees wohl keine Sorgen um zukünftige Verkäufe machen müssen.
Dementsprechend gab es bildende Kunst entweder für ein paar tausend oder je nach Größe des Geldbeutels für mehreren Millionen Franken zu kaufen. Als sichere Hypothek gelten weiterhin die klassische Moderne und alle Spielarten der 60er Jahre. Angeführt von den 75 US-amerikanischen Galerien folgten 56 deutsche und 33 schweizerische Galerien als europäische Verfolger. Auf den beiden Etagen der Messehalle wurden Werke von über 2500 Künstlern des 20. und 21. Jahrhunderts ausgestellt.
In vielen Kojen schienen Uhrwerke den im letzten Jahr omnipräsenten Totenschädel als unmissverständliches Memento Mori abgelöst zu haben. Das Raqs Media Collective (Frith Street, London) spielte in dessen Arbeit »A Day in the Life of ______« mit den Befindlichkeiten des Betrachters, indem sie die Zeiger ihrer Uhr auf Gefühlslagen wie »guilt«, »fear« oder ähnlichem stellten. Stephen Prinas Uhr mahnte im Präsentationsrahmen der Kölner Galerie Capitain mit akustischer Unterstützung zur vollen Stunde. Allerdings handelte es sich hierbei dem Titel dementsprechend und vergleichsweise spielerisch um eine Ankündigung der aktuellen Top 30 Titel der Billboardcharts. Sehr nostalgisch muteten die zwei sich gegenüberstehenden Standuhren von Jonathan Manks (Meyer Riegger, Karlsruhe) an. Deren Untertitel »Grandfather clock facing grandmother clock« lässt sich als Reminenz an die gute alte Zeit deuten. Die von der Pariser Galerie Crousel ausgestellten »Worldclocks« wiesen als schlicht gezeichnete Ziffernblätter auf eine Sehnsucht nach Zeiten, in der sich die radikalen Veränderungen der Globalisierung gerade mal als Zeitverschiebungsproblem andeuteten. Das analoge Ziffernblatt eignet sich durchaus als ikonographisches Zeichen unserer Zeit.
Die Podiumsgespräche im Rahmen der Art Basel Conversations sowie die Künstlergespräche und Präsentationen in der Art Lobby scheinen sich im letzten Jahr bewährt zu haben. Sie widmeten sich diesmal der Sammlungsproblematik von Performancekunst und den digitalen Grenzen der Museumspräsentation. Hier wurde der Bezug zur Weltwirtschaftskrise mit einer Diskussionsrunde sinnfällig, die schon im Titel nach der Zeit nach der Krise fragte. Von vollkommener Ignoranz kann also nicht die Rede sein.
Zum zehnten Mal fand zudem die Art Unlimited statt. Der Ort, der oft durch raumgreifende Provokationen und eine charakteristische Geräuschkulisse von sich reden machte, fiel diesmal durch meditative Stille auf. Frei nach dem Motto, dass weniger oft mehr ist, bestachen in erster Linie Arbeiten, die sich mit den ganz banalen Fragen des Alltags beschäftigten. Aernout Mik führte mit seiner Videoinstallation in die absurde Grenzwelt eines Flughafens, in der die Privatsphäre der Passagiere aufgehoben zu sein scheint. Es drängt sich unweigerlich die Frage auf, warum gerade an einem Flughafen ein solcher Aufwand betrieben wird, wo doch eine Waffe an Bord das letzte wäre, vor dem ein Passagier sich fürchten muss, wenn er sich der Aufhebung der Schwerkraft aussetzt.
Pascale Marthine Tayous riesiger wortwörtlicher Reißwolf aus Papierstreifen ließ das poetische Potenzial von Altpapier sprechen. Hans-Peter Feldmanns narrativ arrangierte Porträtfotografien wussten durch ihre Chronologie zu fesseln. Hier zeigten 101 Schwarzweißfotografien verschiedene Personen im Alter von acht Wochen bis 100 Jahren, die jedem Betrachter mindestens eine Identifikationsfigur boten. Einen äußerst mystischen Raum präsentierte der Künstler Anthony McCall. Hinter dem Titel »Leaving (with Two-Minute Silence)« verbarg sich ein in die Dunkelheit projizierter Lichtstrahl, dessen entrückende Atmosphäre von sanftem Meeresrauschen unterstrichen wurde. Was zunächst in seiner Einfachheit kaum zu unterbieten war, entfaltete mithilfe eines Nebels eine faszinierende Projektion, die den Betrachter glauben ließ, einen dreidimensionalen Körper im Raum fassen zu können.
Die 40. Art Basel setzte sich den Leitspruch »Business as usual« auf die Fahnen. Auch wenn die Werke insgesamt nicht mehr so bunt und knallig waren, soll dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Werke der wahren Krise wohl erst noch im Laufe des Jahres 2009 geschaffen werden. Krisen sind ja bekanntlich die Triebfeder der Kunst. Ob die Galeristen im nächsten Jahr den Mut aufbringen, diese auch der Käuferschaft anzubieten, wird sich herausstellen.