Ausstellungsbesprechungen

Punkt und Linie zur Fläche. Kandinsky am Bauhaus, bis 22. November 2009 in der Kunstsammlung Jena

Das zentrale Anliegen der Ausstellung ist es, Kandinskys Weg in die Abstraktion nachzuzeichnen. Einen besonderen Raum nimmt daher Kandinskys Beziehung zum Konstruktivismus vor, während und nach den Bauhausjahren ein. Ebenso wird die Beziehung zu Walter Dexel, Künstler und Geschäftsführer des Jenaer Kunstvereins von 1921 bis 1928, beleuchtet. In Weimar verpönt, waren das Bauhaus und seine Künstler in Jena dagegen willkommen. Die Auswahl der Werke lehnt sich an Kandinskys Werkauswahl für die Jenaer Ausstellungen der Jahre 1912-33 zwar an, ist jedoch keine Wiederholung derselben. Rowena Fuß hat die Ausstellung besucht.

Im ersten Raum auf der ersten Etage befindet sich gleich rechts neben der Tür eine ausführliche Biografie zu Kandinsky, sowie das schon auf den Ausstellungsplakaten in der Jenaer Innenstadt allgegenwärtige Bild «Hornform» von 1924. Daneben befindet sich das Bild «Kreisen» von 1924, das 1925 schon einmal in Jena ausgestellt worden war, so das Titelschild.
Ab 1921 finden sich in den Bildern Kandinskys Rückgriffe auf Kasimir Malewitsch, Alexander Rodtschenko, Ljubow S. Popowa, Iwan Puni und El Lissitzky, die im zweiten Raum auch mit Bildern vertreten sind, außer Malewitsch. Kandinskys Glaube an ein grundlegendes intuitives emotionales Moment im künstlerischen Prozess - wie er es in seiner Schrift «Über das Geistige in der Kunst» (1912) darstellt, wandelte sich gerade während seiner Jahre am Bauhaus entscheidend und näherte sich - auch unter dem Einfluss der russischen Avantgarde - einer  konstruktivistischen Bildsprache. So zeigt sich auch das Layout zu «Punkt und Linie zur Fläche» (1926) konstruktivistisch, während das Layout zu «Über das Geistige in der Kunst» (1912) noch expressionistisch formuliert ist.
Der nächste Raum beschäftigt sich mit dem Künstler Walter Dexel. Dieser war seit 1915 in Jena, ab 1916 ehrenamtlich und 1921 bis 1928 als Geschäftsführer für den Kunstverein tätig. Sein zunächst expressionistischer Stil erfuhr durch die Freundschaft mit Kandinsky eine Hinwendung zum Konstruktivismus. Dieser Übergang wird in den expressionistischen Bildern«Vorstadthäuser» (1919) und «Rote Dächer» (1921) zu den konstruktivistischen Arbeiten «Sonne im Fenster» (1918) und «Orientalisch» (1919) deutlich. Im anschließenden Raum ist die Grafikmappe «Kleine Welten» (1922), die Kandinskys «Punkt und Linie zur Fläche» explizit vorwegnimmt, zu sehen. In seiner theoretischen Schrift stellt Kandinsky den Kosmos als Einheit aus vielen kleineren Bausteinen dar, die durch eine Weltenseele miteinander verbunden sind. Der Punkt ist die innerlich und äußerlich knappste Form und Urelement der Grafik, da er das erste Zusammentreffen von Werkstoff auf Arbeitsmaterial darstellt. Wird der Punkt bewegt, wird er zur Linie. Aus der Anordnung von Punkten und Linien zueinander folgt eine Änderung der Bildspannung (Kandinsky verwendet Bewegung synonym zu Spannung), was ein bestimmtes Gefühl evoziert, z.B. bei der krummen Linie Angespanntheit durch die spitze, scharfe Form, die auch einen hohen Ton versinnbildlicht. Kandinskys Bestreben zur Synästhesie wird darin deutlich. Formen stellen gleichzeitig Klänge dar, die durch die bestimmte Verwendung von Farben unterstrichen werden. Die Druckgrafik bildet daher als solche einen integralen Bestandteil im Gesamtwerk Kandinskys und «Kleine Welten» stellt ebenso eine Positionsbestimmung des neu an das Bauhaus berufenen Kandinskys dar.

Im ersten Raum auf der zweiten Etage des Museums begrüßt den Besucher auf drei großen Tafeln der Aufsatz «Abstrakte Kunst» (1925). Auf den Text folgen im nächsten Raum die «Kompositionen» (zwischen 1909 und 1939 entstanden), in denen das Ausdrucksverlangen von Form und Farben im Vordergrund steht, nicht mehr der Sachinhalt. Einen weiteren Raum bildet der Zyklus «Bilder einer Ausstellung». Kandinsky realisierte am 4. April 1928 am Friedrich-Theater in Dessau eine als Bühnenstück inszenierte Interpretation des Klavierstücks «Bilder einer Ausstellung» von Modest Mussorgsky, die sich der Besucher ansehen und -hören kann.
In kleinen Ausblicken zeigt die Schau auch andere Bereiche des Werkes, vor und nach der Zeit am Bauhaus. Dazu gehören Arbeiten aus dem Frühwerk, die Murnau und den "Blauen Reiter" zum Inhalt haben. Es werden auch Werke aus seinen Jahren in Russland gezeigt, wie zeichnerische Keramikentwürfe für eine «Milchtasse», «Obstplatte», «Tasse und Untertasse» (alles 1920/21).

Fazit: Die Ausstellung erreicht das Ziel, Kandinskys Weg in die Abstraktion nachzuzeichnen in einer für den interessierten Laien erschließbaren Form. Informationstafeln zu einzelnen Werken sowie zu Schaffensbereichen im Werk des Künstlers sind dabei eine sehr lesenswerte Hilfe.

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