Das Martin-Niemöller-Haus in Frankenholz präsentiert bis zum 30. April 2008 mit der Ausstellung »Rückblick« eine bislang unbekannte künstlerische Facette Ruth Engelmann-Nünninghoffs. Bei den in der jüngsten Vergangenheit gezeigten Werken dominierten das Schaffen der saarländischen Künstlerin vor allem puristische Formen und kraftvolle, leuchtend reine Farben, die von schwarzen Konturen Grenzen besetzt bekamen.
Nun aber begegnet dem Betrachter ein übermütiges, expressives, den ganzen Malgrund erforschendes Kolorit – das bisweilen nicht einmal mehr durch ein markantes Lineament gebändigt wird – sowie eine dynamische, vitale, in ihrem Abstraktionsgrad gesteigerte Formensprache.
Ruth Engelmann-Nünninghoff widmet sich in »Rückblick« der Zeit der Zwischentöne: Das Licht ringt – und dies ganz im Sinne des uns umfangenden Frühlings – mit der Dunkelheit. Die Farben sind bisweilen in ihrer intensiven Leuchtkraft gemildert, erscheinen in sanften, verschwommenen Übergängen oder sind lasierend übereinander gelegt. Die Künstlerin zeigt sich experimentierfreudig, gewährt den Farben Raum zur freien Entfaltung, lässt sie sich harmonisch vereinigen oder in eine spannungsgeladene Interaktion treten.
Die Ebenen, die wir auf den Hartfaserplatten – auch dies ein Novum bei Engelmann-Nünninghoff – mit ihrer groben, porösen Oberflächenstruktur, zu erkennen suchen, verschwimmen, entgleiten unserem Auge und kippen ins Unbekannte. Doch diese unbekannte Sphäre verliert sich nicht in Ausdruckslosigkeit, da die Künstlerin intuitiv auf die ihr vertrauten, malerischen Ordnungssysteme zurückgreift: Spannungen, aufgebaut aus pulsierenden Farbfeldern, dem Kontrast zwischen Schwarz und Weiß und dem vielfältigen Formenspiel sprechen den Betrachter an und führen ihn, von seinen Gefühlen geleitet, an die Bilder heran.
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Noch stark dem Formenduktus ihrer uns vertrauten Arbeiten verschrieben, entfaltet Ruth Engelmann-Nünninghoff auf weiß grundierter Fläche in den Primärfarben Blau und Rot ein mit Verve konzipiertes, farbliches Zusammentreffen. Dieses gewinnt durch ein schwarzes zum Teil über die Farbondulationen gelegtes Lineament Halt. Allerdings dämpft der intensiv weiß erstrahlende Grund, der von der rauen Oberfläche eingesogen wird, die Leuchtkraft der Farben. Und gerade diese Mattigkeit, die wie ein sanfter Schleier die Arbeit einhüllt, macht sich die Künstlerin auch bei den anderen gezeigten Bildern zu Nutzen.
Betrachten wir beispielsweise jene sich primär aus Schwarz und Weiß konstituierende Arbeit, die mit dem erdigen Ockerbraun der Hartfaserplatte und den auf der linken Bildhälfte zaghaft heraustretenden Grüntönen eine spielerische Komposition entwickelt. Diesem großformatigen Werk sind die Spuren des Frühlings eingeschrieben: Die dunkle, winterliche Jahreszeit weicht zum rechten Bildrand hin aus und unter Eis und Schnee – verdeutlicht in den weißen Partien – beginnt es zu wachsen und zu grünen. Neben den markanten Farbrhythmen ist es die stringente Inszenierung der Spachtelzüge, die sich fast ausschließlich in horizontalen und vertikalen Bahnen artikulieren. Einzig eine aus Schwarz und Weiß hervorgegangene, graue Farbzone hebt sich in einer von links unten nach rechts oben verlaufenden Diagonalen von der schematischen Anordnung ab. Dabei hat der Spachtel die Farbe regelrecht moduliert, so dass eine leichte Wölbung entsteht, die die aufsteigende Bewegung zusätzlich untermalt.
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Neben der Palette der erdigen, warmen Farbnuancen greift Ruth Engelmann-Nünninghoff immer wieder zu Gelb-, Rot- und Orangetönen, die trotz ihrer farblichen Brechung auf das erwachende Leben in der Natur verweisen. Mit dem Spachtel entdeckt die Künstlerin den sie umgebenden Lebensraum neu, wird sozusagen auf dem Weg der künstlerischen Transformation für Naturprozesse sensibilisiert.
Das Martin-Niemöller-Haus weiß mit »Rückblick« neben einer wohl strukturierten und einfühlsamen Präsentation besonders durch die fünfzehn Werke selbst zu überzeugen, die der Künstlerin wie eine zweite Seele in der Brust wohnten. Die in den vergangenen sieben Jahren parallel zu ihrem Werk der reduzierten Formen und reinen, leuchtenden Farben auf Papier und Leinwand entstandenen Arbeiten sind dabei weniger als ein zurück gewandter, als vielmehr ein in die Zukunft gerichteter Blick zu verstehen, der das Schaffen Ruth Engelmann-Nünninghoffs im Hintergrund konstant begleitet hat. Fazit: Tolle Ausstellung mit hohem Überraschungspotential!
Am 18. April findet um 19 Uhr im Martin-Niemöller-Haus eine dem Frühling verpflichtete »Soiree« statt. Neben musikalischer Untermalung und Einführung in die Werke der Künstlerin, werden von Karl Burgard Texte rezitiert.
Besichtigung nach telefonischer Vereinbarung