Buchrezensionen

Sabine Poeschel: Die Kunst der Liebe. Meisterwerke aus 2000 Jahren, Theiss 2018

Geschenkbandqualitäten hat der Spaziergang durch die Liebe in der Kunstgeschichte, den die renommierte Kunsthistorikerin Sabine Poeschel vorgelegt hat. Walter Kayser hat sich das Buch genauer angesehen.

Ihr »Handbuch der Ikonographie« ist seit mehr als zehn Jahren ein in wiederholter Auflage gedrucktes Standardwerk und gilt als ideale Einführung in die sakralen und profanen Themen der abendländischen Kunstgeschichte. Mittlerweile hat Sabine Poeschel eine außerordentliche Professur am Institut für Kunstgeschichte der Universität Stuttgart inne.

Mit dem jetzt im Theiss-Verlag vorgelegten Band über die »Die Kunst der Liebe. Meisterwerke aus 2000 Jahren« verfolgt sie weiterhin einen Weg der Kunstvermittlung, der sich auch an das sogenannte breitere Publikum wendet. Lässt doch der Titel nicht von ungefähr an einen der größten Bestseller der Nachkriegsgeschichte denken: an das populärwissenschaftliche Psychologie- und Lebensberatungsbuch, das Erich Fromm zwar schon 1956 schrieb, das aber diesseits des Atlantiks erst in den WGs und alternativen Wohnküchen der 70er und 80er Jahre landauf, landab heiß diskutiert wurde.

Wie jenes legendäre »Die Kunst des Liebens« so ist auch diese Neuerscheinung in phänomenologischer Weise gegliedert. Ganz ähnlich wie Fromm, der von der romantischen Liebe über die besitzergreifende bis hin zur Mutter- und Gottesliebe alle erdenklichen Arten des Liebens durchdekliniert, geht auch Pöschel die Stadien des großen Gefühls durch. Verständlicherweise heteronormativ, wie sie es im Duktus der »political correctness« entschuldigend betont, weil Liebe nun mal in den vergangenen Jahrhunderten meistens so verstanden wurde.

Doch »Die Kunst der Liebe« sollte besser die »Die Liebe in der Kunst« heißen. Es braucht den Untertitel, um die Marketingstrategie des Titels zu korrigieren. Annäherung – Liebesrausch – Eheglück – platonische Liebe und Affektkontrolle – Verführung – käufliche Liebe – usw… Die Stichworte machen deutlich: hier ist im klassischen Dreischritt vom Aufwallen und dem Sturm der frisch erblühenden Verliebtheit über die Bande der Sinnlichkeit bis hin zum tragischen Erkalten jeglicher Zuneigung die Rede.

Kann, wer so in die Breite geht, auch in die Tiefe gehen? Das ist nicht möglich, aber vielleicht auch nicht nötig oder auch nur gewollt. Der Reigen an illustren Malernamen setzt vielmehr auf Wiederbegegnung und schnelle Auffrischung, auf ein zügiges Ins-Bild-Setzen mit den wichtigsten Informationen und Einordnungen. Da gibt es keine strenge Kunstgeschichte, keine allzu verbindlichen Kriterien. Sabine Poeschel macht zwar bei den unterschiedlichen Wissenschaftsbereichen, der Mythologie und der Mentalitäts- oder Sozialgeschichte ihre Anleihen; aber im Wesentlichen ist das Buch ein lebhaftes, auf Kontraste setzendes Stelldichein der großen Meister und rasches Wechselspiel, mithin keine Neuinterpretation und tiefschürfende Durchdringung.

Aus mehreren Formulierungen des Vorwortes hört man bereits einen Ton heraus, der jeder absehbaren Kritik vorab den Wind aus den Segeln nehmen möchte: »Die Idee, ein Essay über die Liebe in der Kunst zu schreiben, grenzt an Hochstapelei, zu uferlos erscheint das Thema […]«, heißt es da (S. 8) oder, ähnlich beschwichtigend, das Buch solle nur »einen Bilder-Bogen spannen«. Bezeichnenderweise beginnt das Buch mit einem der bekanntesten und dekorativsten Gemälde des Jugendstils. Zwischen Gustav Klimts in etlichen Postern reproduziertem »Kuss« von 1909 und dem Farbfoto, das Boris Mikhailov 2003 veröffentlichte, sind viele Küsse »gespannt«, gemalte wie auch bildhauerische. Das zeugt von geschickter Dramaturgie und wirkungsvollen Effekten. Da kann kaum etwas ikonografisch oder stilkritisch wirklich durchdrungen werden. Wie auch ihre anderen Veröffentlichungen, etwa zuletzt das Überblickswerk zur Geschichte des Aktes von 2014 mit dem Titel »Starke Männer, schöne Frauen«, regt Sabine Poeschel eher an und frischt auf – ein Buch für den Laien und Liebhaber eben. Man könnte auch sagen: ein so genanntes Geschenkbuch, denn das recht große Format und die gute Qualität der Abbildungen auf Glanzpapier tun ihr Übriges hinzu.

Also auch ein Buch für Dilettanten? 1799 geißelte Goethe in einem kleinen Aufsatz den Dilettantismus in den Künsten, indem er ihm vorwarf, dass bei ihm »der Schaden immer größer als der Nutzen« sei. Das ist hier keineswegs so. Wem das aber naserümpfend immer noch zu wenig ist, der sei daran erinnert, dass das Wort Dilettant lange Zeit keine pejorative Bedeutung im Sinne von »kenntnisloser Stümperei« anhaftete. Wie der Amateur durch seine Liebe geprägt wird, so verstand man bis weit ins 18. Jahrhundert hinein unter einem Dilettanten nicht mehr und nicht weniger als einen »Kenner und Liebhaber«.

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