Ausstellungsbesprechungen

Sonia Delaunays Welt der Kunst, Kunsthalle Bielfeld noch bis 22. Februar

Es dürfte kaum je ein zweites Künstlerpaar gegeben haben, dessen Kunst-Welt annähernd so farbdurchflutet war wie die der Delaunays. Und nicht nur das: Sonia Delaunay (1885–1979) konnte ihre Malerei in Augenhöhe mit ihrem Mann Robert entwickeln, was vor hundert Jahren nicht selbstverständlich war. Unser Rezensent Günter Baumann hat für Portal Kunstgeschichte diese Ausstellung besucht.

Sonias russische Zeitgenossin Marianne Werefkin etwa gab ihre Malerei zugunsten ihres Mannes, Alexeij von Jawlensky, über Jahrzehnte auf. Anders im Fall Delaunay: Sonia brillierte in allen Sparten – unvergessen freilich sind die durchrhythmisierten Kreisbilder. Gemeinsam mit den aufflackernden Dingwelten Robert Delaunays gelingen farbsymfonische Duettharmonien (die auch mal auf Bildvorder- und –rückseite zur Deckung kommen können).

In Bielefeld steht das Werk der Sonia Delaunay im Zentrum: Mit Gemälden, Grafiken, Stoffentwürfen und Modeaccessoires, kunsthandwerklichen und raumgestalterischen Arbeiten erweist sie sich als eine der vielseitigsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts. In fast visionärer Feinfühligkeit entwickelte sie ihr Werk quasi in eine Bauhausästhetik hinein, die es in Frankreich – wo sie vorwiegend lebte – so gar nicht gab. Die Bielefelder Schau fasziniert vor allem durch die Betonung der Kostümschöpfungen, die es ermöglichen, den damaligen Alltag und die Kunst vor der Kulisse von Variétés und simultaneistischen Happenings miteinander zu verknüpfen. Dadaisten und Surrealisten wie Tristan Tzara, René Crevel und Jean Cocteau liefern die Texte zu diesen Aktionen.

Die Kunstgeschichte verdankt der Malerin nicht nur Werke, die die Gattungsgrenzen sprengten, sondern auch – zusammen mit ihrem Mann Robert – die Sonderform des Kubismus, der die Farbe zur Energiequelle werden ließ: den Orphismus, der eine malerische Reaktion auf die reine Musik Strawinskys und anderer war. Konsequenter als ihr Mann wurde sie die wichtigste Vertreterin dieser reinen Malerei. 1949 schrieb sie in ihr Tagebuch: »... die wirklich neue Malerei wird dann beginnen, wenn die Menschen verstehen, dass Farbe ein unabhängiges Leben für sich hat, dass unendliche Farbkombinationen eine viel ausdrucksstärkere Poesie und Sprache haben als die althergebrachten Methoden.« Wie erfolgreich sie dabei war, zeigen bereits Fotografien aus den 20er Jahren, auf denen Fotomodells vor einem Citroën posieren, der nach Sonia Delaunays Entwürfen lackiert worden war (1967 zierte ihr Muster dann auch einen Flitzer der Marke Matra 530). Es ist die Zeit, als sie in Paris auch ein eigenes Modehaus betreibt. Die abstrakte Kunst wurde durch sie nicht nur glamourös salonfähig, sondern auch Werbeträger der Industrie.
 

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