Kunstbücher für junge Leser

Ward, Martina: Stell dir vor ... Ein Kunstbuch für junge Leser, Daedalus Verlag, Münster 2003.

Ich bin ein Kirchturm!

Einmal eine Reise in die Vergangenheit machen, wer wünscht sich das nicht? Natürlich nur mit Rückfahrschein, denn wer möchte schon in einer Zeit leben, in der ein Krieg unmittelbar bevorsteht? Die Kunst, die in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg entstand, war verrückt, neu, rätselhaft. Ganz anders als der dekadente Stil der Jahrhundertwende. Tja, die Zeiten hatten sich schnell geändert…

Die Kunsthistorikerin Martina Ward versucht in einem bunt bebilderten Bändchen, junge Leser in die Zeit des Expressionismus zu begleiten und zum Verstehen anzuleiten. Die Reisevehikel sind Bilder bekannter, hauptsächlich deutscher Maler und Malerinnen, die vor etwa 100 Jahren die Kunst revolutionierten und die heute im Westfälischen Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte in Münster zu bewundern sind.

Die Phantasiereisen, auf die der Leser die Autorin begleitet, sind anschaulich geschildert. Der Leser findet sich an verschiedenen Schauplätzen wieder: als Bewohner des Fischerdörfchens Alsen, dessen Blumengarten von Emil Nolde gemalt wird, als Mädchen an einer Kaffeetafel, die zum Motiv von Ernst Ludwig Kirchner wurde und als plötzlicher Besucher der Großstadt Berlin im Jahre 1913, Ernst Ludwig Meidners »Apokalyptische Stadt«. Manchmal ist man auch der Künstler selbst, Erich Heckel oder August Macke. Manchmal ist man aber auch der Kirchturm von St. Patroklus in Soest, der 1922 von Karl Schmidt-Rottluff so eindrucksvoll auf die Leinwand gebracht wurde. Oder jener kleine grüne Ring aus Holz, der dem »Merzbild mit grünem Ring« von Kurt Schwitters seinen Namen gab.

Und hier fängt die Gratwanderung zum Thema kindgerechte Umsetzung an. Wird ein Kind noch ernst genommen, indem man es auffordert, sich in einen kleinen grünen Holzring hineinzuversetzen, dessen Freunde ein Brett und eine Holzplatte sind? Sollte man die Beschreibung eines Bildes vorgeben? Die Autorin nimmt den jungen Betrachtern so den Anreiz der eigenen Entdeckung, sie gibt vor, was einem auffallen sollte, was wichtig hier und ungewöhnlich dort ist. Ganz anregende didaktische Features sind hingegen die Beifügung von Fotografien und Zitaten, die zum aktiven Vergleich und zur eigenen Interpretation verführen.

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